Leitsatz
[1] Zu den Anforderungen an ein gerichtliches Geständnis.
Gesetze: ZPO § 288
Instanzenzug: OLG Jena vom LG Gera
Tatbestand
Die klagende DB Netz AG verlangt von den beklagten Stadtwerken, die in der Rechtsform einer GmbH betrieben werden, Schadensersatz für einen Wasserschaden vom , bei dem der Eisenbahndamm der im Ausbau befindlichen Strecke Paderborn-Chemnitz, Kilometer 15,2 bis 15,8, durch beträchtliche Wassermengen tiefgreifend aufgeweicht und beschädigt wurde. Die Klägerin führt diese Schäden auf einen Defekt der Zulaufsteuerung in dem von der Beklagten betriebenen Pumpwerk G. zurück; der Defekt habe einen unkontrollierten Wasserzufluß in das Kanalsystem bewirkt, das in einen Graben seitlich des beschädigten Bahndammabschnitts mündet.
Von dieser Schadensursache ging zunächst auch die Beklagte aus. Die Parteien verhandelten vornehmlich über die Schadenshöhe, insbesondere darüber, welche Sanierungsmaßnahmen mit welchem Aufwand erforderlich waren. Der Kommunale Schadensausgleich (KSA) als Versicherer der Beklagten zahlte an die Klägerin vorprozessual ohne Anerkennung einer Rechtspflicht 100.000 DM.
Im jetzigen Rechtsstreit macht die Klägerin weitergehende behauptete Schäden geltend. Die Beklagte hatte in der Klageerwiderung zunächst ihre Passivlegitimation in Abrede gestellt und insoweit auf den Wasser- und Abwasserzweckverband J. (nunmehr: Zweckverband J. Wasser) verwiesen, der Betreiber der Rohranlage sei und für den der KSA auch die Verhandlungen über die Ersatzpflicht geführt habe. Nur vorsorglich hatte die Beklagte zudem die Schadenshöhe bestritten.
Der vom Landgericht zu Fragen der Schadenshöhe beauftragte Sachverständige kam in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, daß der Schaden nicht auf das aus dem Pumpwerk G. kommende Rohr, sondern auf die neben dem Bahndamm verlaufende Betonrinne (Abwasserleitung aus der Ortslage G. ) mit starkem Wasserfluß zurückzuführen sei.
Mit Schriftsatz vom machte sich die Beklagte die Ausführungen des Gutachters zur Schadensursache zu eigen und bestritt ausdrücklich, daß die geltend gemachten Schäden durch Wasser verursacht worden seien, welches aus einem Rohr aus dem Pumpwerk der Beklagten ausgetreten sei. Die Beklagte erhob Widerklage auf Rückzahlung des geleisteten Betrages von 100.000 DM.
Nachdem das Landgericht daraufhin Beweis auch über die Schadensursache erhoben hatte, gab es der Klage im wesentlichen - bis auf einen Teil der Zinsforderung - statt und wies die Widerklage ab. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungs- und ihren Widerklageantrag weiter.
Gründe
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Da die Klägerin und Revisionsbeklagte in der Revisionsverhandlung nicht vertreten war, ist über die Revision der Beklagten antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Inhaltlich beruht die Entscheidung allerdings nicht auf einer Säumnisfolge, sondern auf der Berücksichtigung des gesamten Sach- und Streitstandes, soweit er in der Revisionsinstanz angefallen ist (BGHZ 37, 79, 81; = NJW 1999, 647, 648).
2. Das Landgericht hat aufgrund der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme für erwiesen angesehen, daß die schadensstiftenden Wassermassen aus einer Rohrleitungsanlage ausgetreten waren, die zu dem Pumpwerk gehörte, das zwar im Eigentum des Wasser- und Abwasserzweckverbandes stand, aber - wie inzwischen außer Streit steht - von der Beklagten in eigener Verantwortung betrieben wird. Es hat deshalb den Schadensersatzanspruch der Klägerin unter dem Gesichtspunkt der Wirkungshaftung (§ 2 Abs. 1 Satz 1 HPflG) für begründet erachtet.
3. Das Berufungsgericht hält die von der Beklagten gegen die erstinstanzliche Beweiswürdigung erhobenen Verfahrensrügen zwar für sachlich berechtigt, da die Beurteilung der Glaubwürdigkeit von zwei Zeugen unter Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§§ 355, 286 ZPO) erfolgt sei. Es meint indessen, dieser mögliche Verfahrensfehler sei im Ergebnis unschädlich, da die Beklagte sich an ihrer ursprünglichen Einlassung über die Schadensursache festhalten lassen müsse. Die Schadensursache, nämlich daß das Wasser aus einer Rohrleitung der Beklagten ausgetreten sei, sei von der Beklagten zugestanden worden (§ 288 ZPO). An diesem Geständnis müsse die Beklagte sich auch im Berufungsrechtszug festhalten lassen (§ 535 ZPO).
4. Die hiergegen gerichteten Rügen der Revision greifen durch.
a) Das gerichtliche Geständnis ist die innerhalb des Rechtsstreits abgegebene Erklärung einer Partei, daß eine vom Gegner behauptete, ihr im Rechtssinne ungünstige Tatsache wahr sei. Die Wirkung dieser Erklärung ist eine doppelte. Zunächst wirkt sie auf dem Gebiet des Verhandlungsgrundsatzes in bezug auf das Gericht ebenso wie das Schweigen auf die gegnerische Behauptung: Was eine Partei gegen sich gelten läßt, wird ohne weiteres zur Urteilsgrundlage. Zu dieser Wirkung bedarf es an sich weder einer Erklärung des Geständnisses, noch eines sie stützenden Parteiwillens; vgl. § 138 Abs. 3, § 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die zweite Wirkung des gerichtlichen Geständnisses, die ihm allein als spezifische zukommt, besteht dagegen in der Bindung der Partei an ihr Wort: Während das bisher unterlassene Bestreiten bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung jederzeit (vorbehaltlich der Zurückweisung als verspätet) mit der Wirkung nachgeholt werden kann, daß die Tatsache nunmehr des Beweises bedarf, ist nach Ablegung des gerichtlichen Geständnisses ein einfaches Bestreiten ausgeschlossen und der Widerruf an den doppelten Nachweis gebunden, daß das Geständnis der Wahrheit nicht entspricht und daß es durch einen Irrtum veranlaßt ist. In dem Geständnis liegt somit ein Willensmoment: die Partei erklärt, eine Tatsache gegen sich gelten lassen zu wollen. Die Willenserklärung, die somit positiv-rechtlich in dem Geständnis liegt, ist die Erklärung des Einverständnisses damit, daß die Tatsache ungeprüft zur Urteilsgrundlage gemacht wird (Stein/Jonas/Leipold, ZPO 21. Aufl. 1996 § 288 Rn. 1 bis 4 m.w.N.).
b) Einen derartigen Geständniswillen (s. dazu auch die in BGHR ZPO § 288 Geständniswille 1 bis 6 nachgewiesenen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs), der revisionsrechtlich uneingeschränkt nachprüfbar ist (BGHR aaO 1, 4 und 6), vermag der Senat hier nicht festzustellen.
aa) Soweit das Berufungsgericht darauf abhebt, daß die Beklagte in der Klageerwiderung nur den Einwand der mangelnden Passivlegitimation erhoben und "vorsorglich" zur Schadenshöhe Stellung genommen, aber mit keinem Wort ihre Verantwortlichkeit für den Schadenseintritt bestritten habe, so reicht dies allein nicht aus, um ein eindeutiges Geständnis hinsichtlich der Verantwortlichkeit dem Grunde nach anzunehmen. Wenn das Berufungsgericht sich in diesem Zusammenhang auf das = JZ 1962, 252) bezieht, so macht die Revision hiergegen zu Recht geltend, daß in dieser Entscheidung, die eine ähnlich gelagerte Konstellation betrifft, das Vorliegen eines Geständnisses gerade verneint worden war.
bb) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts können weder das Schreiben der Beklagten vom noch die Aktennotiz vom Grundlage eines "außergerichtlichen Geständnisses" der Beklagten sein. Zwar wird in beiden Dokumenten, die jeweils von Bediensteten der Beklagten - aber nicht von ihrem gesetzlichen Vertreter im Sinne des § 51 ZPO - unterzeichnet worden sind, festgehalten, daß das Wasser aus dem Kanalsystem der Pumpstation ausgetreten sei. Diese Schriftstücke müßten jedoch, um eine Geständniswirkung nach § 288 Abs. 1 ZPO begründen zu können, vom Gestehenden und nicht vom Gegner in den Prozeß eingeführt worden sein (vgl. Zöller/Greger, ZPO 25. Aufl. 2005 § 288 Rn. 4; Musielak/Huber, ZPO 4. Aufl. 2005 § 288 Rn. 2). Dies ist jedoch nicht der Fall. Beide Urkunden sind von der Klägerin in Kopie als Anlage zur Klageschrift bzw. zu einem späteren Schriftsatz vorgelegt worden. Zwar ist es richtig, daß die Beklagte ein im Auftrage des Kommunalen Schadensausgleichs erstelltes Gutachten des Ingenieurbüros F. vorgelegt hat, in dem - neben anderen Unterlagen - auch diese beiden Schriftstücke als "vom Auftraggeber übergebener Schriftverkehr" aufgeführt werden. Diese gutachterliche Stellungnahme verhält sich jedoch auftragsgemäß allein zur "angegebenen Schadenshöhe". Nur in diesem Zusammenhang hat sich die Beklagte in der Klageerwiderung auf das Gutachten bezogen und sich die gutachterlichen Ausführungen zu eigen gemacht. Daher kann - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - auch die Vorlage des Gutachtens F. durch die Beklagte nicht als "Einführung ihres außergerichtlichen Geständnisses" gewertet werden.
cc) Dementsprechend blieb es der Beklagten unbenommen, sich die erst durch die landgerichtliche Beweisaufnahme zutage getretene Möglichkeit eines abweichenden Kausalverlaufs zu eigen zu machen und ihren Sachvortrag zur Schadensursache den nachträglich gewonnenen neuen Erkenntnissen anzupassen. Deswegen ist die Verfahrensweise des Landgerichts, das inzidenter eine Bindungswirkung der früheren Einlassung der Beklagten verneint hat und dementsprechend in die Beweisaufnahme über die Schadensursache eingetreten ist, vom Ansatz her nicht zu beanstanden.
5. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht eine - wiederholende oder ergänzende - Beweisaufnahme über die Schadensursache für entbehrlich gehalten ist, ist daher insgesamt nicht tragfähig. Da das Berufungsurteil sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO), muß es aufgehoben und muß die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
TAAAB-98584
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja