BGH Beschluss v. - III ZB 27/04

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 85 Abs. 2; ZPO § 522 Abs. 1 Satz 4; ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 1

Instanzenzug:

Gründe

I.

Das klageabweisende wurde dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers am zugestellt. Dieser legte am fristgerecht Berufung ein. Die Berufung hat er hingegen erst am begründet und zugleich beantragt, gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Hierzu hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers vorgetragen und eine eidesstattliche Versicherung seiner Angestellten I. H. vorgelegt:

Nach Zugang des amtsgerichtlichen Urteils notierte die Angestellte H. im Terminkalender und in der Handakte die Berufungsfrist sowie die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung (Montag, den : "VF Beruf.begründung"; Montag, den : "Abl. Berufungsbegr."), und zwar als Rotfristen. Nach vorfristgemäßer Vorlage der Akte am wurde der Prozeßbevollmächtigte des Klägers am vom Amtsgericht aufgefordert, binnen zehn Tagen zu dem Kostenfestsetzungsantrag des Beklagten Stellung zu nehmen. Im Terminkalender trug Frau H. daraufhin am - zusätzlich zu der Ablauffrist für die Berufungsbegründung - eine entsprechende Vorfrist ein und vermerkte den Ablauf der Stellungnahmefrist für den ; auch diese Fristen wurden, wie vom Prozeßbevollmächtigten des Klägers allgemein angeordnet, als Rotfristen notiert.

Am diktierte der Prozeßbevollmächtigte des Klägers die Stellungnahme zu dem Kostenfestsetzungsantrag vom und verfügte schriftlich:

"1) bitte am 15.I. Schr. an Gericht

2) ...

3) Rotfristen VF 19.I.04

FA 26.I.04 n. Erl.

streichen, bitte nicht FA 19.I.04

für BerBegrd streichen!

4) Wv n. Erl. 16.I.04"

Entgegen dieser Verfügung strich die Büroangestellte, die ansonsten stets zuverlässig und fehlerfrei arbeitete, die Rotfristen für den - also die Vorfrist für die Stellungnahme zum Kostenfestsetzungsantrag und die Ablauffrist für die Berufungsbegründung - insgesamt und hängte die Akte nach Erledigung des Schreibens vom weg. Das Versehen wurde am aufgedeckt.

Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen und den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen. Den Prozeßbevollmächtigten des Klägers treffe ein - dem Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes - Verschulden an der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist. Zu beanstanden sei die Büroanweisung, sowohl Rechtsmittelfristen als auch die Fristen zu Stellungnahmen als Rotfristen in den Akten und im Terminkalender zu notieren. Diese Praxis verstoße gegen die anwaltliche Pflicht, Not-, Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfristen besonders hervorzuheben. Indem die Stellungnahmefristen ebenso wie die Fristen für die Rechtsmittel und deren Begründung gleichermaßen als Rotfristen vermerkt worden seien, sei die besondere Bedeutung der zuletzt genannten Fristen nicht mehr gegenwärtig gewesen. Hierdurch sei der Keim für Mißverständnisse gelegt worden wie dasjenige, das hier wohl zu dem versehentlichen Streichen der am eingetragenen Rotfristen geführt habe.

II.

1. Die gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im übrigen zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO).

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Der angefochtene Beschluß verletzt den Kläger in seinem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (vgl. Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Dieser verbietet es, einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 233 ZPO) aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozeßbevollmächtigten zu versagen, die nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht verlangt werden und mit denen sie auch unter Berücksichtigung der Entscheidungspraxis des angerufenen Gerichts nicht rechnen mußte (vgl. BVerfGE 79, 372, 376 f und BVerfG NJW-RR 2002, 1004; - NJW-RR 2004, 711, 712).

a) Das Berufungsgericht hat an die Organisation der Fristennotierung zu hohe, von der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht verlangte Anforderungen gestellt.

Es entspricht zwar gefestigter Rechtsprechung, daß Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfristen so notiert werden müssen, daß sie sich von gewöhnlichen Wiedervorlagefristen deutlich abheben (vgl. - NJW 1989, 2393, 2394 m.w.N.). Ein bestimmtes Verfahren ist insoweit weder vorgeschrieben noch allgemein üblich. Bei der in der Rechtsprechung erörterten Verwendung eines besonderen Promptfristenkalenders oder eines Kalenders mit besonderen Spalten für Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfristen sowie bei der farblichen Kennzeichnung bestimmter Fristen handelt es sich nur um Beispiele (vgl. BGH aaO). Die Pflicht, bestimmte Fristen hervorzuheben, ist ferner nicht, wie das Berufungsgericht anzunehmen scheint, zwingend auf Not-, Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfristen beschränkt. Gerötet oder in anderer Weise von einfachen Wiedervorlagefristen unterschieden werden können auch andere genau einzuhaltende Fristen (vgl. BAG AP Nr. 6 zu § 232 ZPO) oder solche sich aus dem Gesetz oder gerichtlicher Verfügung ergebenden Not- und andere Promptfristen, deren Nichtbeachtung Rechtsnachteile nach sich ziehen kann (vgl. BGH aaO S. 2395).

Die Handhabung der Fristennotierung im Büro des Prozeßbevollmächtigten des Klägers genügte den vorbeschriebenen Erfordernissen. Der verwendete Tageskalender sah eine Spalte "Wiedervorlagen" und eine weitere, fett umrandete Spalte "Fristablauf" vor. In der zuletzt genannten Spalte wurden die genau einzuhaltenden Fristen, insbesondere die Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfristen und die fristgebundenen Stellungnahmen, als Rotfristen eingetragen. Sie waren damit von den gewöhnlichen Wiedervorlagen getrennt und hinreichend hervorgehoben.

b) Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers ist im übrigen seiner Verpflichtung, für den rechtzeitigen Eingang der Berufungsbegründung bei dem Berufungsgericht zu sorgen, bereits dadurch nachgekommen, daß er seiner Angestellten H. eine konkrete Einzelanweisung erteilt hat, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte. Ein Rechtsanwalt darf nämlich grundsätzlich darauf vertrauen, daß eine Büroangestellte, die sich - wie hier - bisher als zuverlässig erwiesen hat, derartigen Weisungen nachkommt; es besteht keine Verpflichtung, sich anschließend über die Ausführung zu vergewissern (vgl. - NJW-RR 1998, 1360; Beschluß vom - V ZR 28/03 - NJW 2004, 366, 369).

Im vorliegenden Fall hatte der Prozeßbevollmächtigte des Klägers am verfügt, daß nur die das Kostenfestsetzungsverfahren betreffenden Fristen ("VF 19.I.04", "FA 26.I.04") nach Erledigung zu streichen seien. Die (weitere) Frist für den Ablauf der Berufungsbegründung am sollte ausdrücklich bleiben und ihm die Akte am wieder vorgelegt werden. Damit war das Notwendige veranlaßt, damit die Berufungsbegründung rechtzeitig gefertigt und bei Gericht eingereicht werden konnte.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
FAAAB-98246

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein