Leitsatz
[1] a) Für einen Hauptversammlungsbeschluss, durch den der Vorstand zu einem Bezugsrechtsausschluss bei der Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen i.S. von § 221 AktG im Zusammenhang mit einer bedingten Kapitalerhöhung (§ 192 AktG) ermächtigt wird, gelten die gleichen Grundsätze wie für eine Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluss im Rahmen eines genehmigten Kapitals (§ 203 Abs. 2 AktG; vgl. BGHZ 136, 133).
b) Die konkrete Prüfung, ob der Bezugsrechtsausschluss sachlich gerechtfertigt ist, hat der Vorstand vorzunehmen, wenn er von der Ermächtigung Gebrauch macht.
Gesetze: AktG § 186 Abs. 3; AktG § 186 Abs. 4; AktG § 192; AktG § 202 Abs. 2; AktG § 203 Abs. 2; AktG § 221
Instanzenzug: OLG Celle 9 U 216/03 vom LG Hannover 18 O AktE 118/03 vom
Gründe
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die für die Entscheidung maßgeblichen Grundsätze sind durch das Senatsurteil vom (BGHZ 136, 133) geklärt. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.
I. Durch das nach Einlegung der Revision des Klägers eröffnete Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten ist der Rechtsstreit nicht gemäß § 240 ZPO unterbrochen worden, weil die vorliegende Anfechtungsklage nicht die Insolvenzmasse betrifft. Aus demselben Grund wird die Beklagte weiterhin durch Vorstand und Aufsichtsrat vertreten (§ 246 Abs. 2 Satz 1 AktG; vgl. Hüffer in MünchKommAktG 2. Aufl. § 246 Rdn. 54).
II. Der erstmalig in der Revisionsinstanz gestellte Antrag auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache ist zulässig (vgl. BGHZ 106, 359, 368), aber unbegründet. Dabei kann dahinstehen, ob die Insolvenz der Beklagten ein erledigendes Ereignis im Hinblick auf die vorinstanzliche Anfechtungsklage der Klägerin gegen die Kapitalerhöhungsbeschlüsse der Beklagten vom darstellt. Unbegründet ist der Feststellungsantrag jedenfalls deshalb, weil die Anfechtungsklage mangels Vorliegens von Anfechtungsgründen nicht begründet war. Auf die - von dem Kläger in einem anderen Rechtsstreit angefochtenen - Bestätigungsbeschlüsse (§ 244 AktG) der Beklagten vom kommt es insoweit nicht an.
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Hauptversammlungsbeschluss zu TOP 5 vom , durch welchen der Vorstand der Beklagten zu einem Bezugsrechtsausschluss im Rahmen eines genehmigten Kapitals ermächtigt worden ist (§§ 202 Abs. 2, 203 Abs. 2, 186 Abs. 3, 4 AktG), nicht gegen das Gesetz verstieß und insbesondere der Vorstandsbericht (§§ 203 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG) unter den gegebenen Umständen den gesetzlichen Anforderungen entsprach. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats seit dem Urteil vom (BGHZ 136, 133) bedarf es für einen Bezugsrechtsausschluss gemäß § 203 Abs. 2 AktG keines bereits konkretisierten Vorhabens der Gesellschaft, zu dessen Verwirklichung das genehmigte Kapital eingesetzt werden soll. Denn das Institut des genehmigten Kapitals (§§ 202 ff. AktG) soll einer Gesellschaft die Flexibilität geben, die sie braucht, um auf dem nationalen und internationalen Markt rasch und erfolgreich auf vorteilhafte Angebote reagieren und die Möglichkeiten zur Unternehmenserweiterung, z.B. durch Erwerb von Unternehmensbeteiligungen, ausnutzen zu können (Senat aaO S. 136). Dementsprechend genügt es, dass die Zwecke der Ermächtigung allgemein umschrieben und in dieser Form der Hauptversammlung bekannt gegeben werden. Sie hat anhand dieser allgemeinen Umschreibung zu prüfen, ob die Maßnahme im Interesse der Gesellschaft liegt (Senat aaO S. 139). Diesen Anforderungen genügt der vorliegende Vorstandsbericht, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt.
Entgegen der Ansicht der Revision müssen im vorliegenden Fall nicht deshalb "höhere Anforderungen" an den Ermächtigungsbeschluss und den Vorstandsbericht gestellt werden, weil der Spielraum der Ermächtigung hier weiter reichte als im Falle des Senatsurteils vom (aaO). Eine Beschränkung der dortigen Grundsätze auf Ermächtigungen geringeren Umfangs ist weder diesem Urteil noch dem Senatsurteil vom (BGHZ 144, 290) zu entnehmen und wäre auch der Rechtssicherheit abträglich. Die Unterscheidung zwischen sog. "Vorratsermächtigungen" und zulässigen Ermächtigungsbeschlüssen hat der Senat im Urteil vom (aaO S. 138) als nicht praktikabel verworfen. Eine Ermächtigung zu einer "strategischen Neuausrichtung" der Gesellschaft (dazu OLG München, AG 2003, 451) wurde hier nicht erteilt. Es ist grundsätzlich Sache der Hauptversammlung darüber zu entscheiden, wie weit eine Ermächtigung reichen soll. Soll sie - wie hier - zu vielfältigen möglichen Zwecken eingesetzt werden, kann sie naturgemäß nicht konkret umschrieben und mit konkreten Erfordernissen begründet, aber gleichwohl von der Hauptversammlung auf ihre allgemeine Vereinbarkeit mit dem wohlverstandenen Gesellschaftsinteresse geprüft werden. Die konkrete Prüfung, ob eine bestimmte Maßnahme von der Ermächtigung gedeckt und der Ausschluss des Bezugsrechts sachlich gerechtfertigt ist (vgl. Senat, BGHZ 71, 40, 45 f.), hat der Vorstand - unter Kontrolle des Aufsichtsrats (§ 204 Abs. 1 Satz 2 AktG) - vorzunehmen, wenn er von der Ermächtigung Gebrauch macht (Senat BGHZ 136, 139 f.).
2. Im Ergebnis nichts anderes gilt für den angefochtenen Hauptversammlungsbeschluss zu TOP 7, durch den der Vorstand der Beklagten zu einem Bezugsrechtsausschluss - mit Zustimmung des Aufsichtsrats - im Zusammenhang mit einer bedingten Kapitalerhöhung gemäß § 192 Abs. 2 Nr. 1, 2 AktG ermächtigt wurde. Ein gesetzliches Bezugsrecht der Aktionäre auf Bezugsaktien aus einer bedingten Kapitalerhöhung besteht ohnehin nicht, weil dadurch die Zwecke des § 192 Abs. 2 Nr. 1-3 AktG verfehlt würden (vgl. Hüffer, AktG 6. Aufl. § 192 Rdn. 3). Die Ermächtigung bezog sich vielmehr auf einen Bezugsrechtsausschluss bei der Ausgabe von Schuldverschreibungen u.a. zu den in § 192 Abs. 2 AktG genannten Zwecken (vgl. §§ 221 Abs. 4, 186 AktG). Nach allgemeiner Auffassung kann der Beschluss über eine bedingte Kapitalerhöhung mit dem Beschluss über die Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen o.ä. kombiniert werden (vgl. Hüffer aaO § 192 Rdn. 13). Weiter kann die Hauptversammlung den Vorstand analog § 203 Abs. 2 Satz 1 AktG zu einem Ausschluss des Bezugsrechts gemäß § 221 Abs. 4 AktG ermächtigen (Hüffer aaO § 221 Rdn. 39 m.w.Nachw.). Dies dient in Verbindung mit der Ermächtigung zur Ausgabe von Finanzierungsinstrumenten i.S. von § 221 AktG den gleichen Zwecken wie die entsprechende Ermächtigung im Rahmen eines genehmigten Kapitals, weshalb die in dem Senatsurteil vom (BGHZ 136, 133) genannten Grundsätze hier in gleicher Weise eingreifen (vgl. Habersack in MünchKommAktG 2. Aufl. § 221 Rdn. 180; Krieger in MünchHdbAG 2. Aufl. § 63 Rdn. 14; Hofmeister, NZG 2000, 713, 719).
3. Entgegen der Ansicht der Revision sind an die materielle Rechtfertigung der Ermächtigungsbeschlüsse bzw. an den Vorstandsbericht auch nicht deshalb "höhere Anforderungen" zu stellen, weil gleichzeitig ein bedingtes und ein genehmigtes Kapital (mit Bezugsrechtsausschluss) beschlossen worden sind. Beide können bis zu den für sie jeweils maßgeblichen Höchstgrenzen (§§ 192 Abs. 3, 202 Abs. 3 AktG) gleichzeitig nebeneinander bestehen (vgl. Bayer in MünchKommAktG 2. Aufl. § 202 Rdn. 70 m.w.Nachw.). Zwar übersteigt das beschlossene Gesamtvolumen für Schuldverschreibungen mit oder ohne Wandelungsrecht in Höhe von bis zu 80 Mio. € das Grundkapital der Beklagten deutlich. Jedoch wird die Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen durch die Höhe des bedingten Kapitals beschränkt, das sich hier innerhalb der Grenze des § 192 Abs. 3 AktG hielt. Soweit der Vorstand der Beklagten darüber hinaus zur Ausgabe von Finanzierungsinstrumenten i.S. von § 221 AktG zwecks Erwerbs von Beteiligungen o.ä. sowie zur Gewinnung neuer Investoren für die Gesellschaft ermächtigt wurde, trug dies dem Interesse der Beklagten Rechnung, sich bietende Finanzierungsmöglichkeiten flexibel ergreifen zu können und nicht auf teurere Bankkredite angewiesen zu sein. Finanzierungsmöglichkeiten der genannten Art konnten zur Zeit der Beschlussfassung nur erhofft, nicht aber konkret angegeben werden. Ob und inwieweit der Vorstand (mit Zustimmung des Aufsichtsrats) hiervon Gebrauch macht, liegt nicht in seinem freien, sondern in seinem gebundenen, auch gerichtlich überprüfbaren Ermessen nach den im Senatsurteil vom (aaO S. 140 f.; vgl. auch Sen.Urt. v. - II ZR 90/03, Umdr. S. 6 ff., z.V.b. in BGHZ) aufgestellten Grundsätzen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
AG 2006 S. 246 Nr. 7
BB 2006 S. 457 Nr. 9
DB 2006 S. 493 Nr. 9
DStR 2006 S. 863 Nr. 19
NJW-RR 2006 S. 471 Nr. 7
SJ 2006 S. 38 Nr. 11
WM 2006 S. 432 Nr. 9
WPg 2006 S. 384 Nr. 6
ZIP 2006 S. 368 Nr. 8
MAAAB-98193
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja