BGH Urteil v. - II ZR 2/00

Leitsatz

[1] a) Aus Gründen des Vertrauensschutzes dürfen sich Anlagegesellschafter bereits existierender geschlossener Immobilienfonds, die als Gesellschaften bürgerlichen Rechts ausgestaltet sind, auch nach der durch die Entscheidungen BGHZ 142, 315 und BGHZ 146, 341 eingetretenen Änderung der Rechtsprechung des Senats für die davor abgeschlossenen Verträge weiterhin auf eine im Gesellschaftsvertrag vorgesehene Haftungsbeschränkung unter der nach der früheren Rechtsprechung maßgebenden Voraussetzung berufen, daß die Haftungsbeschränkung dem Vertragspartner mindestens erkennbar war.

b) Für nach der Änderung der Rechtsprechung abgeschlossene Verträge von geschlossenen Immobilienfonds in der Form der Gesellschaft bürgerlichen Rechts gilt als Ausnahme von den Grundsätzen der Senatsurteile BGHZ 142, 315 und BGHZ 146, 341, daß die persönliche Haftung der Anlagegesellschafter für rechtsgeschäftlich begründete Verbindlichkeiten des Immobilienfonds wegen der Eigenart derartiger Fonds als reine Kapitalanlagegesellschaften auch durch wirksam in den Vertrag einbezogene formularmäßige Vereinbarungen eingeschränkt oder ausgeschlossen werden kann, ohne daß darin grundsätzlich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners im Sinne von § 307 BGB n.F. (§ 9 AGB-Gesetz) gesehen werden kann.

c) Künftige Wohnungseigentümer, die gemeinschaftlich eine Wohnungseigentumsanlage errichten ("Bauherrengemeinschaften") haften für die Herstellungskosten ("Aufbauschulden") auch weiterhin grundsätzlich nur anteilig nach den bisherigen Rechtsprechungsgrundsätzen, auch wenn sie im Verkehr als Außengesellschaften bürgerlichen Rechts auftreten.

Gesetze: BGB § 705

Instanzenzug: OLG Bamberg LG Coburg

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagten gesamtschuldnerisch auf Freistellung von einer Darlehensverbindlichkeit gegenüber der B. Bausparkasse AG (im folgenden: Bausparkasse) in Höhe von 247.000,00 DM in Anspruch.

Die Beklagten sind neben etwa 150 weiteren Personen Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, der "Miteigentümergemeinschaft S./T., Sch.str. 7" (im folgenden: Gesellschaft), die Eigentümerin des Grundstücks Sch.str. 7 ist. Dieses Anwesen sollte, als Grundlage eines geschlossenen Immobilienfonds, für ca. 2,4 Mio. DM saniert und anschließend vermietet werden. Die Sanierung ist inzwischen durchgeführt worden. Der Gesellschaftsvertrag sah vor, daß die Gesellschafter gegenüber Gesellschaftsgläubigern nur mit dem Gesellschaftsvermögen hafteten, und schloß eine gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter aus.

Vertreten durch ihre Geschäftsführerin, die C. GmbH, an der die Klägerin zu 50 % beteiligt ist, nahm die BGB-Gesellschaft im August 1995 bei der B. Bausparkasse AG u.a. ein Darlehen über 247.000,00 DM auf. Die Klägerin, die C. GmbH und deren Geschäftsführerin übernahmen die gesamtschuldnerische Mithaftung für diesen Kredit; zur weiteren Absicherung des Darlehens bestellte die Klägerin der Kreditgeberin eine Grundschuld an ihrem Grundstück in U.. Weil die Gesellschaft ihre Zahlungspflichten aus dem Darlehensvertrag nicht erfüllte, erwirkte die Bausparkasse im März 1998 die Anordnung der Zwangsversteigerung des Grundstücks der Klägerin. Mit Rücksicht hierauf verlangt die Klägerin von den Beklagten, sie von der Verbindlichkeit aus dem Kredit freizustellen.

Das Begehren der Klägerin blieb in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihren Freistellungsantrag weiter.

Gründe

Die Revision der Klägerin ist zulässig und führt zur antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten.

I. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, daß der geltend gemachte Freistellungsanspruch der Klägerin zwar gegen die Gesellschaft "Miteigentümergemeinschaft S. ..." zustehe, nicht jedoch gegen deren einzelne Gesellschafter - und damit die Beklagten - als Gesamtschuldner. Die Haftung der einzelnen Gesellschafter sei im Gesellschaftsvertrag und in dem Geschäftsbesorgungsvertrag mit der C. GmbH auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt, eine gesamtschuldnerische Haftung ausgeschlossen worden. Diese Haftungsbeschränkung sei im Verhältnis zur Klägerin wirksam, weil sie für die Klägerin auf Grund ihrer Beteiligung an der GmbH jedenfalls erkennbar gewesen sei.

II. Das hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.

1. Nach den Grundsatzentscheidungen des Senats vom - II ZR 371/98, BGHZ 142, 315, 318 ff. und vom - II ZR 331/00, BGHZ 146, 341, 358, haften die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Regelfall für die rechtsgeschäftlich begründeten Verbindlichkeiten ihrer Gesellschaft in ihrem jeweiligen Bestand persönlich und der Höhe nach unbeschränkt. Ein einseitiger Ausschluß oder eine Beschränkung dieser gesetzlichen Haftung durch eine dahingehende Bestimmung des Gesellschaftsvertrages ist - auch wenn sie mit einer entsprechenden Beschränkung der Vertretungsmacht des Geschäftsführers der Gesellschaft verbunden ist - grundsätzlich ausgeschlossen. Die persönlich unbeschränkte Haftung der Gesellschafter kann grundsätzlich nur durch eine individualvertragliche Vereinbarung mit dem Gläubiger eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.

Die danach für eine Beschränkung der Haftung der Beklagten auf das Gesellschaftsvermögen erforderliche Vereinbarung ist mit der Klägerin nicht getroffen worden. Sie ist auch von den Beklagten, die sich lediglich auf die in § 7 des Gesellschaftsvertrages der "Miteigentümergemeinschaft" enthaltene Haftungsbeschränkung der Gesellschafter auf das Gesellschaftsvermögen und die entsprechende Bestimmung in § 2 des Geschäftsbesorgungsvertrages mit der C. GmbH berufen, nicht behauptet worden. Auch das Berufungsgericht stützt die Wirksamkeit der Haftungsbeschränkung nicht auf eine dahingehende von der Gesellschaft mit der Klägerin getroffene, der Übernahme der Mithaftung und der Bestellung der grundpfandrechtlichen Sicherung zugrunde gelegte individualvertragliche Vereinbarung, sondern in Verkennung der von ihm zitierten Senatsentscheidung vom (aaO), nach der bloße Erkennbarkeit gerade nicht genügt, allein darauf, daß der Wille der Gesellschafter zur Beschränkung ihrer Haftung auf das Gesellschaftsvermögen und ihren jeweiligen Beteiligungsbetrag und die entsprechende Regelung in § 2 des Vertrages mit der C. GmbH der Klägerin auf Grund ihrer Beteiligung an dieser Gesellschaft erkennbar gewesen sei.

2. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht wegen der für den engen Bereich der geschlossenen Immobilienfonds und der auf die Schaffung von Wohnungseigentum gerichteten Bauherrengemeinschaften in der Form von Gesellschaften bürgerlichen Rechts gebotenen Ausnahmen von den oben genannten Grundsätzen im Ergebnis als richtig.

a) Geschlossene Immobilienfonds sind Kapitalanlagegesellschaften, "deren Geschäftszweck auf die Errichtung, den Erwerb und die Verwaltung einer oder mehrerer Immobilienobjekte mit einem im voraus feststehenden Investitionsvolumen ausgerichtet ist, und die, sobald das Eigenkapital plaziert ist, mit einem festen Kreis von Anlegern geschlossen" werden (King, Real Estate Investment Trusts, offene und geschlossene deutsche Immobilienfonds Dissertation 1999, S. 144 m.w.N.). Um das bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts für den einzelnen Anleger kaum einzuschätzende, ihn möglicherweise wirtschaftlich völlig überfordernde Haftungsrisiko zu begrenzen, enthalten die Gesellschaftsverträge geschlossener Immobilienfonds, wenn sie ihrer Rechtsform nach Gesellschaften bürgerlichen Rechts sind, üblicherweise Haftungsbeschränkungen, nach denen entweder die Haftung für rechtsgeschäftlich begründete Verbindlichkeiten der Gesellschaft auf das Fondsvermögen beschränkt ist und die Gesellschafter nur mit ihrem Anteil am Gesellschaftsvermögen haften oder die Gesellschafter nur quotal, d.h. mit einem ihrer Gesellschaftsbeteiligung entsprechenden Anteil, haften.

Aus Gründen des insoweit gebotenen Vertrauensschutzes hält der Senat es für angezeigt, Anlegern bereits existierender Immobilienfonds für die von ihnen in der Vergangenheit bereits abgeschlossenen Verträge die Berufung auf eine derartige gesellschaftsvertragliche Haftungsbeschränkung auch weiterhin unter der bis zur Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung maßgebenden Voraussetzung zu gestatten, daß die Haftungsbeschränkung dem Vertragspartner der Gesellschaft mindestens erkennbar war (vgl. Sen.Urt. v. - II ZR 312/88, ZIP 1990, 715, 716 m.w.N.).

Für nach diesem Zeitpunkt abgeschlossene Verträge geschlossener Immobilienfonds in der Form der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist angesichts der Eigenart dieser Gesellschaften eine Ausnahme von dem in der Senatsentscheidung vom (aaO) ausgesprochenen Grundsatz geboten, daß die gesamtschuldnerische persönliche Haftung der Gesellschafter für aus Rechtsgeschäften herrührende Verbindlichkeiten der Gesellschaft nur durch eine Individualvereinbarung ausgeschlossen werden kann. Wenn der Gesellschaftsvertrag des Fonds eine Haftungsbeschränkung der oben bezeichneten Art vorsieht, bedarf es keiner Individualvereinbarung mit dem Vertragspartner, um ihr Geltung zu verschaffen. Bei typisierter Betrachtung stellt der Erwerb einer Fondsbeteiligung eine reine Kapitalanlage dar. Die Übernahme der persönlichen Haftung für das gesamte Investitionsvolumen ist weder dem einzelnen Anleger zumutbar noch kann sie vernünftigerweise vom Rechtsverkehr erwartet werden. Wenn der Gesellschaftsvertrag des Fonds wie üblich eine Haftungsbeschränkung der oben bezeichneten Art vorsieht, bedarf es deshalb keiner Individualvereinbarung mit dem Vertragspartner, um ihr Geltung zu verschaffen. Es genügt vielmehr in der Regel auch die formularmäßige Abbedingung der unbeschränkten gesamtschuldnerischen Haftung, wenn die Haftungsbeschränkung wirksam in den Vertrag einbezogen wird. Ein Verstoß gegen § 307 BGB n.F. (§ 9 AGB-Gesetz) wird hierin im allgemeinen nicht liegen. Die Beschränkung der persönlichen Haftung kann, da durch die Eigenart des Immobilienfonds als reine Kapitalanlagegesellschaft gerechtfertigt, im Regelfall nicht als Treu und Glauben widersprechende unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners angesehen werden.

b) Künftige Wohnungseigentümer, die gemeinschaftlich eine Wohnungseigentumsanlage errichten ("Bauherrengemeinschaft"), haften für die Herstellungskosten ("Aufbauschulden") auch weiterhin grundsätzlich nur anteilig nach den bisherigen Rechtsprechungsgrundsätzen (s. dazu grundlegend BGHZ 75, 26). Dies gilt auch dann, wenn eine solche Bauherrengemeinschaft im Verkehr als Außengesellschaft bürgerlichen Rechts auftritt.

3. Einen derartigen nach den vorstehenden Grundsätzen zu gewährenden Vertrauensschutz können die Beklagten jedoch auf Grund der besonderen Umstände des vorliegenden Falles nicht für sich in Anspruch nehmen. Als Gesellschafter der "Miteigentümergemeinschaft" haften sie der Klägerin gegenüber als Gesamtschuldner, auch wenn ihre Haftung anderen Gläubigern der Gesellschaft gegenüber wirksam beschränkt wäre.

Die Klägerin hat gegen die "Miteigentümergemeinschaft" auch ohne ausdrückliche Vereinbarung einen vertraglichen Anspruch auf Freistellung von der Verbindlichkeit aus dem Darlehen über 247.000,00 DM, § 670 BGB. Die Übernahme der Mithaftung für den von der Gesellschaft in Anspruch genommenen Kredit und dessen Besicherung auf dem privaten Grundstück der Klägerin ist nach Sachlage nur mit einem zumindest durch das Einverständnis der Gesellschaft mit der Entgegennahme dieser beträchtlichen Finanzierungshilfe konkludent erteilten Auftrag erklärbar. Die Klägerin war zu dieser für den Erfolg des Gesellschaftsprojekts wesentlichen Hilfsleistung nicht verpflichtet. Sie war nicht einmal an der Gesellschaft beteiligt. Auch ihre hälftige Beteiligung an der C. GmbH wiegt nicht so schwer, daß dies die Annahme rechtfertigen könnte, die Klägerin habe die Sicherheiten auf Grund eines ins Gewicht fallenden Eigeninteresses einseitig ohne Auftrag und unter Verzicht auf Freistellung durch die Gesellschafter der "Miteigentümergemeinschaft" stellen wollen.

Unter den gegebenen Umständen beinhaltete dieser Auftrag deshalb auch ohne eine entsprechende ausdrückliche Abrede die Zusage einer umfassenden, zudem jederzeit herbeizuführenden Freistellung der Klägerin. Dabei ist es selbstverständlich, daß die Klägerin im Gegenzug für ihre aus Gefälligkeit gezeigte Bereitschaft, den Kredit abzusichern, nicht das Risiko eines Scheiterns des Projekts mittragen sollte, ohne dafür eine Vergütung oder Risikoprämie zu erhalten. Die Möglichkeit einer derartigen Freistellung war auch aus damaliger Sicht mit der notwendigen Sicherheit nur zu gewährleisten, wenn der Klägerin neben der Gesellschaft auch deren Gesellschafter als Gesamtschuldner hafteten. Deshalb ist davon auszugehen, daß der Auftrag stillschweigend eine entsprechende Vereinbarung umfaßte. Hierauf kann sich die Klägerin ohne Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben berufen, weil nicht festgestellt ist und nach dem Ergebnis der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme auch nicht festgestellt werden kann, daß ihr die eine Haftungsbeschränkung für die Gesellschafter vorsehenden Regelungen des Gesellschaftsvertrages bekannt waren.

Fundstelle(n):
BB 2002 S. 1061 Nr. 21
DB 2002 S. 1042 Nr. 20
DStR 2002 S. 816 Nr. 19
IAAAB-97824

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: ja, bis Abschn. II 2 b) einschl.; BGHR: ja