BGH Urteil v. - II ZR 16/04

Leitsatz

[1] Zu den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung.

Gesetze: ZPO § 520 Abs. 3

Instanzenzug: KG Berlin 2 U 135/02 vom LG Berlin 90 O 117/01 vom

Tatbestand

Der Kläger macht in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der S. GmbH (künftig: Gemeinschuldnerin) gegen die Beklagten zu 1 und 2 Erstattungs- bzw. Schadensersatzansprüche geltend, weil sich die Beklagte zu 1 als Gesellschafterin der Gemeinschuldnerin ein in funktionales Eigenkapital umqualifiziertes Darlehen hat zurückzahlen lassen. Den Beklagten zu 3 hält er aus dem Gesichtspunkt der Ausfallhaftung nach § 31 Abs. 3 GmbHG für ersatzpflichtig.

Das Landgericht hat die Klagen sämtlich abgewiesen und hinsichtlich der Beklagten zu 1 und 2 das Vorliegen einer Krise verneint. Hinsichtlich des Beklagten zu 3 finden sich die maßgeblichen Ausführungen unter einem mit "C" überschriebenen Teil der Urteilsgründe, die mit den Worten eingeleitet werden: "... da für den hier als gedacht zu unterstellenden Fall, dass die Beklagten zu 1 und 2 haften ..." eine Ausfallhaftung des Beklagten zu 3 nicht greift, weil er zum Auszahlungszeitpunkt noch nicht Gesellschafter war. Der Kläger hat gegen alle drei Beklagten Berufung eingelegt. Die gegen den Beklagten zu 3 gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht durch Teilurteil als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Klägers.

Gründe

I. Über die Revision des Klägers ist, da der Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung im Revisionsverhandlungstermin nicht vertreten war, durch Versäumnisurteil zu entscheiden, das aber inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern einer sachlichen Prüfung des Antrags beruht (BGHZ 37, 79, 81).

II. Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Das Berufungsgericht hat die gegen den Beklagten zu 3 gerichtete Berufung des Klägers mangels ausreichender Berufungsbegründung nach § 520 Abs. 3 Nr. 2 und 3 ZPO für unzulässig gehalten. Die Abweisung der Klage gegen diesen Beklagten sei im landgerichtlichen Urteil auf zwei Gründe gestützt: die fehlende Gesellschafterstellung und das Fehlen einer Krise im Sinne der Eigenkapitalersatzregeln. Zu dem zweiten Gesichtspunkt fehle es an Angriffen in der Berufungsbegründung.

2. Diese Begründung begegnet durchgreifenden Bedenken und nötigt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung in unzulässiger Weise überspannt.

Die Auffassung des Berufungsgerichts, das Landgericht habe die Abweisung der gegen den Beklagten zu 3 gerichteten Klage auch auf das Fehlen einer Krise gestützt, findet in den Urteilsgründen keine hinreichende Grundlage. Das Landgericht hat sich zur Begründung der Klageabweisung gegen diesen Beklagten auf die Feststellung beschränkt, dieser sei nicht Ausfallhaftender nach § 31 Abs. 3 GmbHG. Die Frage der Primärhaftung der Beklagten zu 1 und 2 hat es im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung der Feststellungsklage ausdrücklich lediglich "unterstellt".

Die auf die nicht bestehende Ausfallhaftung gestützte Klageabweisung hat der Kläger nach den insoweit zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts ausreichend i.S. des § 520 Abs. 3 ZPO angegriffen. Zu einer darüber hinausgehenden Begründung der Berufung war er mangels Vorliegens einer weiteren Urteilsbegründung nicht verpflichtet.

§ 520 Abs. 3 ZPO erfordert nur, dass der Berufungskläger mit seiner Berufungsbegründung erkennen lässt, aus welchen tatsächlichen und/oder rechtlichen Gründen er das angefochtene Urteil für unrichtig hält. In der Berufungsbegründung sind daher diejenigen Punkte rechtlicher oder tatsächlicher Art darzulegen, die der Berufungskläger als unzutreffend ansieht, und dazu sind die Gründe anzugeben, aus denen die Fehlerhaftigkeit jener Punkte und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung vom Berufungskläger hergeleitet werden. Zur Darlegung der Fehlerhaftigkeit ist somit lediglich die Mitteilung der Umstände erforderlich, die das Urteil aus der Sicht des Berufungsklägers in Frage stellen (, BGHReport 2003, 971, 972). Hieraus folgt - selbstverständlich -, dass der Berufungskläger weder ihm günstige Teile des Urteils noch weitere, die abweisende Entscheidung möglicherweise auch stützende, zur Begründung der angefochtenen Entscheidung aber nicht angeführte Umstände angreifen muss.

III. Da der Rechtsstreit in der Revisionsinstanz nicht endentscheidungsreif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO), ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es sich nunmehr mit der Begründetheit der Berufung - auch - im Verhältnis zum Beklagten zu 3 befassen kann.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
NJW-RR 2006 S. 499 Nr. 7
OAAAB-97767

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja