Leitsatz
[1] a) Die Zustellung des eine aktienrechtliche Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage (§§ 246, 249 AktG) abweisenden Urteils an den Kläger setzt die Berufungsfrist (§ 517 Halbs. 1 ZPO) auch für einen dem Rechtsstreit bisher nicht beigetretenen streitgenössischen Nebenintervenienten des Klägers in Lauf (vgl. Sen.Beschl. v. - II ZB 7/96, NJW-RR 1997, 865).
b) Die Einlegung eines unstatthaften Rechtsmittels gegen die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs (§ 46 Abs. 2 Halbs. 2 ZPO) durch Beschluß eines Oberlandesgerichts löst eine weitere Wartepflicht des erfolglos abgelehnten Richters gemäß § 47 Abs. 1 ZPO nicht aus.
Gesetze: AktG § 246; AktG § 249; ZPO § 47; ZPO § 69; ZPO § 517
Instanzenzug: LG München I
Gründe
I. Die beiden Klägerinnen sind Aktionäre der Beklagten. Ihre Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage gegen mehrere Hauptversammlungsbeschlüsse der Beklagten ist in erster Instanz abgewiesen worden. Das Urteil wurde ihnen am zugestellt. Nach Einlegung ihrer Berufung ist die Streithelferin, die ebenfalls Aktionärin der Beklagten ist, dem Rechtsstreit durch Schriftsatz vom mit einem eigenen Berufungsantrag beigetreten. Durch einstimmigen Beschluß gemäß § 522 Abs. 2 ZPO vom hat das Berufungsgericht die Berufung der Klägerinnen unter Hinweis darauf zurückgewiesen, daß die Streithelferin erst nach Ablauf der Berufungsfrist (§ 517 Halbs. 1 ZPO) dem Rechtsstreit beigetreten und sie deshalb nicht als Rechtsmittelführerin, sondern nur als Streithelferin der Klägerinnen anzusehen sei. Zuvor waren mehrere Ablehnungsgesuche der Streithelferin gegen die an dieser Entscheidung mitwirkenden Richter durch unter Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde - zurückgewiesen worden. Dagegen haben die Klägerinnen am gleichwohl Rechtsbeschwerde eingelegt (II ZB 24/03). Mit Schriftsatz vom legte die Streithelferin erneut Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil ein und beantragte "vorsorglich" Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist. Durch Beschluß vom hat das Berufungsgericht in gleicher Richterbesetzung wie bisher die Berufung unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages als verfristet und damit unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Streithelferin.
II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO an sich statthafte Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 2 ZPO unzulässig, weil die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht dargetan sind.
1. Nicht von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO bzw. nicht klärungsbedürftig (vgl. z.B. , NJW 2003, 437) ist die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Rechtsfrage, ob die Streithelferin als streitgenössische Nebenintervenientin bereits in erster Instanz von Amts wegen hätte geladen und das erstinstanzliche Urteil auch ihr hätte zugestellt werden müssen, um die Berufungsfrist des § 517 Halbs. 1 ZPO in Lauf zu setzen. Wie der Senat durch Beschluß vom (II ZB 7/96, NJW-RR 1997, 865) gerade zum Fall streitgenössischer Nebenintervention (§ 69 ZPO) eines Gesellschafters im Rechtsstreit über die Gültigkeit eines Gesellschafterbeschlusses bereits entschieden hat, besteht keine Pflicht des Gerichts, den als Nebenintervenienten in Betracht kommenden, aber noch nicht beigetretenen Personen das Urteil zuzustellen oder ihnen hiervon Mitteilung zu machen. Das wäre insbesondere im Fall einer Aktiengesellschaft mit einer Vielzahl von Aktionären - wie hier - schon aus Kostengründen unzumutbar. Auch die von der Rechtsbeschwerde angeführte Literaturmeinung, die eine amtswegige Beiladung der potentiellen streitgenössischen Nebenintervenienten oder jedenfalls eine Urteilszustellung an diese fordert (so Vollkommer, 50 Jahre Bundesgerichtshof, Festgabe aus der Wissenschaft, Bd. 3 S. 127 ff., 144; derselbe in Zöller, ZPO 24. Aufl. vor § 64 Rdn. 2, § 69 Rdn. 5), macht hiervon eine Ausnahme für den Fall einer aktienrechtlichen Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage, weil hier aufgrund der Informationspflicht des Vorstandes der Aktiengesellschaft gemäß § 246 Abs. 4 AktG von einer entsprechenden Unterrichtung der Aktionäre als potentieller Streithelfer ausgegangen werden kann. Es kann daher hier offenbleiben, ob jener Ansicht zu folgen ist. Unerheblich ist jedenfalls für den Lauf der Rechtsmittelfrist, ob der Vorstand der Aktiengesellschaft seiner Informationspflicht nachgekommen ist. Ist dies nicht der Fall, kann evtl. Wiedereinsetzung gemäß § 233 ZPO gewährt werden, was aber im vorliegenden Fall ausscheidet. Die Verweigerung der Wiedereinsetzung durch das Berufungsgericht, weil die Streithelferin spätestens im Mai 2003 Kenntnis von dem erstinstanzlichen Urteil gehabt habe und ihr Wiedereinsetzungsgesuch vom deshalb gemäß § 234 Abs. 1 ZPO verfristet sei, wird von der Rechtsbeschwerde ebensowenig angegriffen wie die Feststellung, daß dem Prozeßbevollmächtigten der Streithelferin die Rechtslage aufgrund des Senatsurteils vom aaO hätte bekannt sein müssen.
2. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde liegt auch keine ihre Zulassung gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO gebietende Verletzung des Verfahrensgrundrechts der Streithelferin aus Art. 101 Abs. 1 GG (vgl. zu solchem Fall , NJW 2003, 1945) darin, daß die abgelehnten Richter "am " über die Berufung der Streithelferin entschieden haben, bevor über die am bei dem Bundesgerichtshof eingelegte Rechtsbeschwerde der Klägerinnen gegen den - die Ablehnungsgesuche der Streithelferin zurückweisenden - entschieden worden ist. Abgesehen davon, daß Gegenstand des vorliegenden Rechtsbeschwerdeverfahrens nicht ein Beschluß vom , sondern der (die Berufung der Streithelferin verwerfende) Beschluß vom ist, wäre auch die hierauf zu beziehende Rüge eines Verstoßes gegen die Wartepflicht des § 47 ZPO unerheblich, weil ein solcher Verstoß nicht gerügt werden kann, wenn das Ablehnungsgesuch im Ergebnis erfolglos bleibt (BVerfG ZIP 1988, 174; BAG BB 2000, 1948; BayVerfGH NJW 1982, 1746; MünchKommZPO/Feiber 2. Aufl. § 47 Rdn. 5; Musielak/Smid, ZPO 3. Aufl. § 47 Rdn. 5; a.A. Zöller/Vollkommer aaO § 47 Rdn. 5). In diesem Fall steht fest, daß der verfassungsrechtlich garantierte Richter die Entscheidung getroffen hat. Das ist hier der Fall: Wie der Senat durch Beschluß vom heutigen Tage in der Sache II ZB 24/03 entschieden hat, war und ist die Rechtsbeschwerde der Klägerinnen gegen den durch welchen die Ablehnungsgesuche der Streithelferin zurückgewiesen worden sind, gemäß § 574 Abs. 1 ZPO unstatthaft, wovon auch die bisher erfolglos abgelehnten Richter bei ihrer Entscheidung vom ausgehen konnten.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2005 S. 240 Nr. 5
DB 2005 S. 277 Nr. 5
DStR 2005 S. 389 Nr. 9
XAAAB-97657
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja