Leitsatz
[1] In Fällen von grundsätzlicher Bedeutung hat der Einzelrichter, der über eine Entscheidung des Einzelrichters (hier: des Amtsrichters) zu befinden hat, ohne Übertragungsermessen das Verfahren an das Beschwerdegericht in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung zu übertragen (§ 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO), weil allein dieser Spruchkörper nach dem Gesetz befugt ist darüber zu befinden, ob eine Sache grundsätzliche Bedeutung hat und deswegen die Rechtsbeschwerde - auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung - zuzulassen ist.
Gesetze: ZPO § 348; ZPO § 568 Satz 2 Nr. 2; ZPO § 577
Instanzenzug: LG Erfurt vom AG Erfurt
Gründe
I. Der Beklagte war Geschäftsführer der im Jahr 1999 in die Gesamtvollstreckung gefallenen "K. V. GmbH". Die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung waren für die Zeit von Dezember 1998 bis April 1999 nicht an die klagende Innungskrankenkasse abgeführt worden. Deswegen wandte sie sich mit Schreiben vom an den Beklagten und forderte ihn unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung auf, die rückständigen Beiträge für die Zeit von Dezember 1998 bis Februar 1999, die sie mit 5.819,66 DM = 2.975,54 € bezifferte, zu zahlen. Mit ihrer unter dem eingereichten Klage hat sie von dem Beklagten für denselben Zeitraum Schadenersatz wegen Nichtabführung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung in Höhe von 3.690,45 € gefordert. Der Beklagte hat unter dem eine Verteidigungsanzeige eingereicht, am 13. Februar Prozeßkostenhilfe beantragt und in der zugleich eingereichten Klageerwiderung den Klageanspruch dem Grunde und der Höhe nach mit einem Betrag von 2.975,54 € anerkannt. Dabei hat er unter Hinweis auf das genannte Schreiben vom bemängelt, daß angesichts der kurzen Zeitspanne zwischen dem Aufforderungsschreiben und der Klageeinreichung eine Veranlassung zur Klageerhebung nicht bestanden habe, sowie, daß der mit der Klage geltend gemachte höhere - nicht anerkannte - Betrag für ihn nicht nachvollziehbar sei.
Mit der Terminsladung hat das Amtsgericht der Klägerin u.a. aufgegeben, die genannte Differenz aufzuklären. Dem ist sie mit Schriftsatz vom nachgekommen und hat insbesondere die erforderlichen Belege eingereicht. In der mündlichen Verhandlung vom hat der Beklagte - unter Verwahrung gegen die Kostenlast, weil die Klage erst mit dem Schriftsatz der Klägerin vom schlüssig geworden sei - den Klageanspruch in vollem Umfang anerkannt.
In dem daraufhin auf Antrag der Klägerin erlassenen Anerkenntnisurteil hat das Amtsgericht die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten auferlegt und die Anwendung des § 93 ZPO mit der Begründung abgelehnt, daß der Beklagte das Anerkenntnis bereits in der Verteidigungsanzeige hätte abgeben müssen und daß er über die Höhe der offenen Beträge ungeachtet des Schreibens der Klägerin vom nicht in Zweifel habe sein können, weil er anhand der Unterlagen der Gemeinschuldnerin ohne weiteres habe nachvollziehen können, wie hoch die offene Beitragsschuld war. Mit am ergangenem Beschluß hat das Amtsgericht das Prozeßkostenhilfegesuch zurückgewiesen, weil mangels sofortigen Anerkenntnisses des Beklagten seine Rechtsverteidigung keine Aussicht auf Erfolg gehabt habe.
Gegen beide Entscheidungen hat der Beklagte sofortige Beschwerde eingelegt, die der Einzelrichter der Zivilkammer durch die beiden Beschlüsse vom kostenpflichtig zurückgewiesen hat. Er hat ebenfalls angenommen, ein sofortiges Anerkenntnis des Beklagten im Sinne von § 93 ZPO liege nicht vor, weil er den anerkannten Betrag nicht einmal bis zum bezahlt und damit hinreichend deutlich gezeigt habe, daß für die Klägerin Veranlassung zur Klageerhebung bestanden habe. Anders als in dem die Prozeßkostenhilfe-Bewilligung betreffenden Beschwerdeverfahren hat der Einzelrichter in dem die Kosten betreffenden Hauptverfahren die Rechtsbeschwerde mit der Begründung zugelassen, über die Auslegung des § 93 ZPO bestehe in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte keine Einigkeit, so daß zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erforderlich sei.
Der Beklagte hat Rechtsbeschwerde eingelegt und diese - nach Bewilligung von Prozeßkostenhilfe - zusammen mit seinem Wiedereinsetzungsgesuch begründet. Dem Beklagten ist antragsgemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt worden.
II. Die trotz unrichtiger Anwendung des § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO n.F. statthafte (vgl. , WM 2003, 701) Rechtsbeschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung an das Beschwerdegericht.
Der Einzelrichter hat objektiv willkürlich unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) mit der Zulassung der Rechtsbeschwerde eine Entscheidungsbefugnis an sich gezogen, die nach dem Gesetz nicht ihm, sondern der Kammer in ihrer vollen Besetzung übertragen ist. In Fällen von grundsätzlicher Bedeutung hat der Einzelrichter, der über eine Beschwerde gegen eine Entscheidung des Einzelrichters (hier: des Amtsrichters) zu befinden hat, ohne Übertragungsermessen ( aaO) nach § 568 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO n.F. das Verfahren an das Beschwerdegericht in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung zu übertragen. Allein dieser Spruchkörper ist nach dem Gesetz befugt darüber zu befinden, ob eine Sache grundsätzliche Bedeutung hat und deswegen die Rechtsbeschwerde - auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (vgl. §§ 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO n.F.; Beschl. v. - XII ZB 188/02, z.V.b.; v. - V ZB 53/02, z.V.b.) - zuzulassen ist. Wenn der Einzelrichter glaubte, die von ihm entschiedene Sachfrage bedürfe zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung einer Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts, mußte er die Sache der Kammer vorlegen. Die unterbliebene Übertragung war offensichtlich unvertretbar und lag außerhalb der Gesetzlichkeit ( aaO). Dies festzustellen, ist der Senat durch den verfassungskonform auszulegenden § 568 S. 3 ZPO n.F. nicht gehindert ( aaO).
Eine Entscheidung in der Sache zu treffen, ist dem Senat verwehrt (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO n.F.). Vielmehr ist das Verfahren an den Einzelrichter zurückzuverweisen, damit er die ggfs. nach § 568 Satz 2 ZPO n.F. erforderliche Übertragungsentscheidung treffen kann. Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, daß nicht allein zu dem von dem Einzelrichter aufgegriffenen Problem, ob ein sofortiges Anerkenntnis nur dann vorliegt, wenn die geschuldete und anerkannte Summe sogleich bezahlt wird (vgl. Zöller/Herget, ZPO 23. Aufl. § 93 Rdn. 6 "Geldschulden" m.w.N.; a.A. Musielak/Wolst, ZPO 3. Aufl. § 93 Rdn. 19 m.w.N.), sondern auch zu der vorgehenden Frage, bis wann bei Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens nach § 276 ZPO n.F. ein im Sinne von § 93 ZPO "sofortiges" Anerkenntnis abgegeben werden kann, unterschiedliche Entscheidungen ergangen sind (vgl. die Nw. bei Musielak/Wolst aaO, Rdn. 5; Zöller/Herget aaO, § 93 Rdn. 4; Thomas/Putzo, ZPO 25. Aufl. § 93 Rdn. 6).
Die durch die Rechtsbeschwerde angefallenen Gerichtskosten werden nach § 8 GKG nicht erhoben.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
XAAAB-97576
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein