Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: HGB § 429 Abs. 1; HGB § 413 Abs. 1; HGB § 435; HGB § 459; HGB § 425; HGB § 461 Abs. 1 Satz 2; HGB § 428; ADSp § 51b Satz 2; ZPO a.F. § 139 Abs. 1; ZPO a.F. § 278 Abs. 3; BGB § 254 Abs. 1; BGB § 254; Warschauer Abkommen Art. 25
Instanzenzug:
Tatbestand
Die Klägerin ist Transportversicherer mehrerer Auftraggeber der Beklagten. Sie nimmt die Beklagte, die einen Paketbeförderungsdienst betreibt, aus abgetretenem und übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmer wegen Verlustes und Beschädigung von Transportgut in 27 Einzelfällen auf Schadensersatz in Anspruch. Die hier in Rede stehenden Transportaufträge wurden der Beklagten in der Zeit vom bis erteilt.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte hafte für die eingetretenen Schäden unbeschränkt. Die Beklagte könne sich nicht mit Erfolg auf die in ihren Allgemeinen Beförderungsbedingungen vorgesehenen Haftungsbeschränkungen berufen, da sie ihrer umfassenden Einlassungsobliegenheit nicht nachkomme und zudem der Anschein für ein vorsätzliches Fehlverhalten der Erfüllungsgehilfen der Beklagten bestehe.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 175.355,83 DM nebst Zinsen zu zahlen.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie beruft sich auf folgende mit den Versicherungsnehmern der Klägerin - ausgenommen die K.
GmbH - getroffene Vereinbarung:
"Der Kunde erklärt sein ausdrückliches Einverständnis, daß eine Kontrolle des Transportweges durch schriftliche Ein- und Ausgangsdokumentation an den einzelnen Umschlagstellen von U. nicht durchgeführt wird"
und meint, aufgrund des ausdrücklichen Einverständnisses der Versicherungsnehmer der Klägerin, daß eine Kontrolle des Transportweges durch schriftliche Ein- und Ausgangsdokumentation an den einzelnen Umschlagstellen nicht durchgeführt werde, sei sie von ihrer Einlassungsobliegenheit betreffend die einzelnen Schadensfälle befreit. Im übrigen komme ohnehin weitgehend das seit dem geltende Transportrecht zur Anwendung mit der Folge, daß allein die Klägerin für qualifiziertes Verschulden die Darlegungs- und Beweislast treffe.
Ferner hat die Beklagte geltend gemacht, die Versicherungsnehmer der Klägerin treffe ein haftungsausschließendes, jedenfalls aber haftungsminderndes, Mitverschulden, weil sie der Beklagten trotz der Behauptung von groben Organisationsmängeln in Vorprozessen weiterhin Transportaufträge erteilt hätten. Dies müsse sich die Klägerin zurechnen lassen. Der Mitverschuldensvorwurf sei aber auch der Klägerin selbst zu machen. Bei dem vorliegenden Rechtsstreit handele es sich um das mittlerweile 37. Verfahren gegen die Beklagte unter Erhebung des Vorwurfs qualifizierten Organisationsverschuldens. Die Klägerin hätte ihre Versicherungsnehmer längst anhalten müssen, nicht mehr mit ihr, der Beklagten, Transportverträge zu schließen oder nur noch mit einer Wertdeklaration.
Das Landgericht hat der Klage unter Abweisung der weitergehenden Forderung in Höhe von 153.552,83 DM nebst Zinsen stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels der Beklagten in Höhe von 147.188,28 DM nebst Zinsen für begründet erachtet.
Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter.
Gründe
I. Das Berufungsgericht hat der Klägerin aus abgetretenem (§ 398 BGB) und übergegangenem (§ 67 VVG) Recht ihrer Versicherungsnehmer einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 429 Abs. 1, § 413 Abs. 1 HGB (in der bis zum geltenden Fassung, im folgenden: HGB a.F.), § 429 Abs. 1, §§ 435, 459 HGB zuerkannt. Dazu hat es ausgeführt:
Die Beklagte unterliege als Fixkosten-/Sammelladungsspediteur der Frachtführerhaftung. Sie könne sich nicht mit Erfolg auf die Haftungsbeschränkungen in ihren Allgemeinen Beförderungsbedingungen berufen, weil - wie das Berufungsgericht näher ausgeführt hat - davon auszugehen sei, daß die Schäden durch ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten verursacht worden seien.
Die Klägerin müsse sich kein haftungsausschließendes oder nur haftungsminderndes Mitverschulden ihrer Versicherungsnehmer wegen deren Fortsetzung der Geschäftsbeziehung zur Beklagten entgegenhalten lassen. Maßgeblich sei, ob der jeweilige Versender bereits vor Auftragserteilung um Mißstände bei der Beklagten gewußt habe oder hätte wissen müssen, die den Vorwurf qualifizierten Organisationsverschuldens rechtfertigen könnten. Hierzu fehle es indes an hinreichendem Vorbringen der Beklagten. Die Beklagte könne sich auch nicht mit Erfolg auf ein eigenes schadensursächliches Mitverschulden der Klägerin berufen. Sie habe insbesondere nicht vorgetragen, wann sich etwaige Erkenntnisse der Klägerin über ein qualifiziertes Organisationsverschulden der Beklagten zu einer Informationspflicht gegenüber ihrem jeweiligen Versicherungsnehmer verdichtet hätten.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision hat keinen Erfolg.
1. Ohne Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht die Voraussetzungen einer vertraglichen Haftung der Beklagten nach § 429 Abs. 1 HGB a.F. i.V. mit § 51b Satz 2 ADSp (Stand , im folgenden: ADSp a.F.), § 425 HGB bejaht.
Es ist dabei zutreffend und von der Revision auch unbeanstandet davon ausgegangen, daß die Beklagte von den Versicherungsnehmern der Klägerin als Fixkostenspediteurin i.S. von § 413 Abs. 1 HGB a.F., § 459 HGB beauftragt worden ist und daß sich ihre Haftung daher grundsätzlich nach den Bestimmungen über die Haftung des Frachtführers (§§ 429 ff. HGB a.F., §§ 425 ff. HGB) und - aufgrund vertraglicher Einbeziehung - ihren Allgemeinen Beförderungsbedingungen sowie den Bestimmungen der ADSp a.F. beurteilt.
2. Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte hafte für den eingetretenen Schaden, auch soweit das seit dem geltende Transportrecht zur Anwendung komme, unbeschränkt.
a) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß die Beklagte ihrer umfassenden Einlassungsobliegenheit nicht nachgekommen sei. Dies begründe die Vermutung qualifizierten Verschuldens i.S. von § 435 HGB. Wer als Fixkostenspediteur seine generellen und konkreten Sicherheitsmaßnahmen nicht darlege bzw. nicht darlegen könne, zeige damit regelmäßig, daß seine Sicherheitsstandards so ungenügend seien, daß sie den Vorwurf des Vorsatzes oder jedenfalls der Leichtfertigkeit rechtfertigten. In solchen Fällen könne aus dem Schweigen des Fixkostenspediteurs auch auf das Bewußtsein eines wahrscheinlichen Schadenseintritts geschlossen werden.
b) Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision stand.
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für den Bereich der ADSp- und CMR-Haftung trägt grundsätzlich der Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast für ein grob fahrlässiges Verhalten des Anspruchsgegners. Die ihm obliegende Darlegungslast erfüllt er aber bereits dann, wenn sein Klagevortrag nach den Umständen des Falles ein grob fahrlässiges Verschulden mit gewisser Wahrscheinlichkeit nahelegt und allein der Fixkostenspediteur zur Aufklärung des in seinem Bereich entstandenen Schadens zumutbarerweise beitragen kann. Gleiches gilt, wenn sich die Anhaltspunkte für das Verschulden aus dem unstreitigen Sachverhalt ergeben. In diesem Fall darf sich der Anspruchsgegner zur Vermeidung prozessualer Nachteile nicht darauf beschränken, den Sachvortrag schlicht zu bestreiten. Er ist vielmehr gehalten, das Informationsdefizit des Anspruchstellers durch detaillierten Sachvortrag zum Ablauf des Betriebs und zu den ergriffenen Sicherungsmaßnahmen auszugleichen (st. Rspr.; vgl. BGHZ 127, 275, 283 f.; 129, 345, 349 f.; , Umdr. S. 8, m.w.N.). Kommt er dem nicht nach, kann daraus je nach den Umständen des Einzelfalls der Schluß auf ein qualifiziertes Verschulden gerechtfertigt sein (vgl. , TranspR 1995, 106, 110 = VersR 1995, 320, m.w.N., zu § 15 Abs. 2 GüKUMT; BGHZ 127, 275, 284).
Diese Darlegungs- und Beweislastgrundsätze hat der Bundesgerichtshof auch im Bereich des internationalen Luftverkehrs hinsichtlich der verschärften Haftung des Luftfrachtführers nach Art. 25 des Warschauer Abkommens in der Fassung von Den Haag 1955 (WA 1955) anerkannt (vgl. BGHZ 145, 170, 183 ff.), dessen Umschreibung qualifizierten Verschuldens in der deutschen Übersetzung in § 435 HGB übernommen worden ist (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 13/8445, S. 71).
Entgegen der Auffassung der Revision ändert sich an den dargestellten Darlegungs- und Beweislastgrundsätzen nichts durch den mit den Versicherungsnehmern der Klägerin vereinbarten Dokumentationsverzicht. Der Senat hat in seinem Urteil vom (I ZR 284/99, TranspR 2002, 306 = VersR 2003, 1012) ausgesprochen, daß die in Rede stehende Vereinbarung unklar gefaßt ist und ihr nicht entnommen werden kann, daß der Kunde eines Paketdienstunternehmens auf die Durchführung von Kontrollen im Schnittstellenbereich verzichtet. Dementsprechend kann der Dokumentationsverzicht auch keinen Einfluß auf die Einlassungsobliegenheit der Beklagten haben.
bb) Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, daß die Darlegungs- und Beweislastgrundsätze auch hinsichtlich der Voraussetzungen für den Wegfall der zugunsten des Fixkostenspediteurs bestehenden vertraglichen Haftungsbefreiungen und Haftungsbegrenzungen gemäß §§ 435, 461 Abs. 1 Satz 2 HGB Anwendung finden. Danach trägt der Anspruchsteller die Beweislast dafür, daß der Fixkostenspediteur oder seine "Leute" i.S. von § 428 HGB leichtfertig und in dem Bewußtsein gehandelt haben, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 13/8445, S. 72). Hinsichtlich der Einlassungspflicht des Fixkostenspediteurs und der insoweit bestehenden Beweislastverteilung hat das Transportrechtsreformgesetz ebenfalls keine sachliche Änderung mit sich gebracht (vgl. , Umdr. S. 9).
Entgegen der Auffassung der Revision ist die Beklagte ihrer umfassenden Einlassungsobliegenheit nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Dazu hätte sie die regulären Laufwege der einzelnen in Verlust geratenen Sendungen, die Einhaltung ihrer allgemeinen Betriebsorganisation in den fraglichen Depots und Umschlagsbasen sowie die Kontrollmaßnahmen in bezug auf die Einhaltung ihrer Betriebsorganisation im einzelnen darlegen müssen. Ferner hätte sie vortragen müssen, welche Ermittlungsmaßnahmen sie hinsichtlich der streitgegenständlichen Sendungen eingeleitet hat und was die Nachforschungen, insbesondere die Befragung der jeweiligen Mitarbeiter, die mit den Paketen in Berührung gekommen sein mußten, ergeben haben. Das ist nach den unangegriffen gebliebenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht geschehen.
cc) Das Berufungsgericht war entgegen der Ansicht der Revision nicht gemäß § 139 Abs. 1, § 278 Abs. 3 ZPO a.F. verpflichtet, die Beklagte darauf hinzuweisen, daß sie ihrer Einlassungsobliegenheit nicht in ausreichendem Maße nachgekommen sei. Denn es besteht jedenfalls dann keine Hinweispflicht des Gerichts, wenn das Verhalten einer Partei den Schluß zuläßt, daß sie nicht näher vortragen kann oder will (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 139 Rdn. 3). So liegt der Fall hier.
Die Klägerin hatte bereits in der Klageschrift auf die Senatsrechtsprechung zur Einlassungsobliegenheit des Fixkostenspediteurs hingewiesen und die Auffassung vertreten, daß sich daran durch das Transportrechtsreformgesetz nichts geändert habe. Dem hiervon abweichenden Standpunkt der Beklagten ist schon das Landgericht in seinem Urteil entgegengetreten. Die Beklagte hätte sich daher in ihrer Berufungsbegründung nicht auf den Vortrag beschränken dürfen, infolge der vereinbarten Kontrollverzichte an den Umschlagstellen sei sie nicht gehalten, in allen Fällen konkret im einzelnen die Sorgfaltsvorkehrungen, Organisationen und Kontrollen darzulegen. Aufgrund des vorausgegangenen Prozeßverlaufs mußte ein gewissenhafter und kundiger Prozeßbeteiligter damit rechnen, daß auch das Berufungsgericht dem Standpunkt der Beklagten, sie sei nicht verpflichtet, zu den einzelnen Schadensfällen umfassend vorzutragen, nicht beitritt. Das gilt im Streitfall um so mehr deshalb, weil die prozessuale Darlegungslast des Fixkostenspediteurs zu seiner Betriebsorganisation grundsätzlich nichts mit der Frage zu tun hat, welche materiell-rechtlichen Anforderungen an ein qualifiziertes Verschulden i.S. des § 435 HGB zu stellen sind. Die Beklagte konnte sich für ihren abweichenden Standpunkt zudem nicht auf entsprechende Stimmen in der Rechtsprechung oder im Schrifttum stützen. Daß sie vor diesem Hintergrund jegliche Darlegung zu den von ihr zum Schutz der ihr anvertrauten Güter ergriffenen Maßnahmen unterlassen hat, durfte das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei dahingehend werten, daß die Beklagte hierzu keinen Vortrag halten konnte oder wollte.
Auf die Rügen, die die Revision gegen die Hilfserwägung des Berufungsgerichts erhoben hat, wonach der Beklagten die Rechtsprechung des Berufungsgerichts zu der sie treffenden Darlegungslast unter der Geltung des neuen Transportrechts bekannt sei, kommt es mithin nicht mehr an.
dd) Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, daß das Berufungsgericht angenommen hat, der von der Klägerin vorgetragene Sachverhalt biete hinreichende Rückschlüsse auf ungenügende Sicherheitsstandards, die den Schluß auf ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten, auch nach neuem Recht, rechtfertigten.
Wenn wie im Streitfall der Schadenshergang völlig ungeklärt ist und der Frachtführer sich weigert, auch nur ansatzweise zu den einzelnen Schadensfällen vorzutragen, ist der Schluß auf ein qualifiziertes Verschulden schon aufgrund einer generalisierenden Betrachtungsweise geboten, weil der Anspruchsteller von den näheren Umständen der Behandlung des Transportgutes im Gewahrsamsbereich des Fixkostenspediteurs keine Kenntnis hat und eine solche Kenntnis auch nicht haben kann, während jener nähere Informationen in zumutbarem Umfang unschwer erteilen könnte. Unterläßt er dies, ist nicht nur der Schluß auf das objektive Tatbestandsmerkmal der Leichtfertigkeit, sondern - entgegen der Auffassung der Revision - auch der Schluß auf das subjektive Erfordernis des Bewußtseins von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gerechtfertigt. Denn in einem solchen Fall ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung regelmäßig nicht nur von einer Organisation des Betriebsablaufs auszugehen, die keinen hinreichenden Schutz der zu befördernden Güter gegen ein Abhandenkommen gewährleistet und sich in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen des Vertragspartners hinwegsetzt (vgl. BGHZ 145, 170, 183), sondern auch von einer sich dem Handelnden aus seinem leichtfertigen Verhalten aufdrängenden Erkenntnis, es werde mit Wahrscheinlichkeit ein Schaden entstehen (vgl. , Umdr. S. 14).
Die Revision weist zwar zutreffend darauf hin, daß nicht mit jedem leichtfertigen Verhalten ein Bewußtsein der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts verbunden sein muß (vgl. BGHZ 74, 162, 168). Das ändert jedoch nichts daran, daß der Schluß auf das Bewußtsein der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts auch im Rahmen typischer Geschehensabläufe naheliegen kann. Von einem solchen typischen Geschehensablauf, der den Schluß auf das Bewußtsein der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zuläßt, ist auszugehen, wenn - wie im Streitfall - der Fixkostenspediteur über sichernde Maßnahmen in der Organisation seines Betriebs und zum Schadenshergang keinen Vortrag hält (vgl. , Umdr. S. 15; Herber, TranspR 2003, 164, 165 f.).
Entgegen der Auffassung der Revision widerlegt die von ihr behauptete, im Verhältnis zu der Anzahl der bei der Beklagten umgeschlagenen Pakete äußerst geringe Verlustquote für sich allein nicht die Annahme des Bewußtseins der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. Dem steht schon entgegen, daß die Beklagte verpflichtet ist, jeglichem Verlust des in ihre Obhut gelangten Gutes durch geeignete und ausreichende Sicherheitsvorkehrungen entgegenzuwirken. Aus der geringen Verlustquote ergeben sich im übrigen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, daß in der theoretischen und praktischen Durchführung der Organisation der Beklagten im hier maßgeblichen Zeitraum schwerwiegende Mängel nicht vorgelegen haben (vgl. , TranspR 1998, 262, 264 f. = VersR 1998, 657; Urt. v. - I ZR 234/00, Umdr. S. 15).
3. Entgegen der Ansicht der Revision läßt sich ein Mitverschulden der Versicherungsnehmer der Klägerin nicht damit begründen, daß sie die Geschäftsbeziehung zur Beklagten trotz der Behauptung von groben Organisationsmängeln in Vorprozessen nicht abgebrochen haben.
a) Eine Anspruchsminderung gemäß § 254 Abs. 1 BGB kann in Betracht kommen, wenn der Versender einen Spediteur mit der Transportdurchführung beauftragt, von dem er weiß oder zumindest hätte wissen müssen, daß es in dessen Unternehmen aufgrund von groben Organisationsmängeln immer wieder zu Verlusten kommt. Die Auftragserteilung beinhaltet unter solchen Umständen die Inkaufnahme eines Risikos, dessen Verwirklichung allein dem Schädiger anzulasten unbillig erscheint und mit dem der Regelung des § 254 BGB zugrundeliegenden Gedanken von Treu und Glauben unvereinbar ist (, TranspR 1999, 410, 411 = VersR 2000, 474; Urt. v. - I ZR 128/00, TranspR 2003, 255, 259 = VersR 2003, 1017).
b) Das Berufungsgericht hat ein Mitverschulden der Versender mit der Begründung verneint, der Umstand, daß die Beklagte mit zahlreichen Haftungsprozessen von der Klägerin überzogen worden sei, besage nichts zum Kenntnisstand der Versicherungsnehmer der Klägerin im Zeitpunkt der jeweiligen Auftragserteilung. Parteivortrag der Klägerin bzw. der Beklagten in diesen Verfahren könne nicht mit dem Kenntnisstand der Versicherungsnehmer der Klägerin gleichgesetzt werden, da diese vom Inhalt, Verlauf und Ergebnis der Regreßverfahren in der Regel nichts erführen. Zudem fehle in bezug auf die vorangegangenen Verfahren jegliches Vorbringen dazu, welcher konkrete Vorwurf der Beklagten wann und von wem gemacht worden sei, und ob dieser Vorwurf in einer Beweisaufnahme oder einem Urteil seine Bestätigung gefunden habe.
c) Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat das Berufungsgericht ein Mitverschulden der Versender rechtsfehlerfrei verneint. Die Revision zeigt nicht auf, daß den Versendern vor Erteilung der hier in Rede stehenden Transportaufträge bekannt war oder hätte bekannt sein müssen, daß es bei der Beklagten aufgrund von groben Organisationsmängeln wiederholt zu Verlusten gekommen war. Der Umstand, daß die Versicherungsnehmer der Klägerin die in den Vorprozessen eingeführten Unterlagen zur Verfügung gestellt haben, besagt nichts darüber, ob die Versender zum maßgeblichen Zeitpunkt der jeweiligen Auftragserteilung Kenntnis von groben Organisationsmängeln im Betrieb der Beklagten hatten. Die Kenntnis und Billigung der Transportorganisation der Beklagten reicht für sich allein zur Begründung eines Mitverschuldens ebenfalls nicht aus. Denn es ist im allgemeinen ausschließlich Sache des Fixkostenspediteurs, den Transportablauf - in den der Auftraggeber in der Regel keinen näheren Einblick hat - so zu organisieren, daß die ihm anvertrauten Güter weder Schaden nehmen noch in Verlust geraten. Die Versicherungsnehmer der Klägerin brauchten ohne besonderen Anlaß die Eignung, Befähigung und Ausstattung ihres Vertragspartners nicht in Zweifel zu ziehen und zu überprüfen (, TranspR 2002, 302, 304; BGH TranspR 2003, 255, 259).
4. Die Revision beanstandet des weiteren ohne Erfolg, daß das Berufungsgericht ein eigenes schadensursächliches Mitverschulden der Klägerin wegen unterlassener Anweisung ihrer Versicherungsnehmer, die Geschäftsbeziehung zur Beklagten abzubrechen, verneint hat.
Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, daß die Beklagte nicht vorgetragen habe, wann sich etwaige Kenntnisse der Klägerin in bezug auf ein qualifiziertes Organisationsverschulden der Beklagten derart verdichtet hätten, daß sich daraus eine Informationspflicht gegenüber ihren jeweiligen Versicherungsnehmern ergeben habe. Das läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Der Vortrag der Beklagten, die Klägerin habe in diversen Vorprozessen ihr gegenüber den Vorwurf des groben Organisationsverschuldens erhoben und dabei insbesondere Mitarbeiterdiebstähle als Verlustursache behauptet, reicht für sich allein zur Annahme einer Informationspflicht der Klägerin nicht aus. Denn es ist nicht dargetan, daß die behaupteten Mitarbeiterdiebstähle als hauptsächliche Schadensursache festgestellt worden sind.
5. Im Ergebnis ohne Erfolg wendet sich die Revision auch dagegen, daß das Berufungsgericht ein Mitverschulden der Versicherungsnehmer der Klägerin nicht darauf gestützt hat, daß diese bei den in Verlust geratenen Sendungen eine Wertdeklaration unterlassen haben.
Die Berücksichtigung eines mitwirkenden Schadensbeitrags kommt zwar grundsätzlich auch dann in Betracht, wenn dem Frachtführer ein qualifiziertes Verschulden i.S. von § 435 HGB anzulasten ist (vgl. , Umdr. S. 17).
Im vorliegenden Fall kann aber nicht davon ausgegangen werden, daß die unterlassene Wertdeklaration auf die Schadensfälle tatsächlich Auswirkungen haben konnte (vgl. dazu BGHZ 149, 337, 355; , TranspR 2003, 317, 318). Voraussetzung hierfür wäre, daß die Beklagte bei richtiger Wertangabe ihre Sorgfaltspflichten besser erfüllt hätte und es dann zumindest zu einer Verringerung des Verlustrisikos gekommen wäre (vgl. BGH TranspR 2003, 317, 318). Dazu läßt sich den Feststellungen im Berufungsurteil nichts entnehmen. Das Berufungsgericht hat einen entsprechenden Sachvortrag der Beklagten in den Tatsacheninstanzen auch nicht verfahrensfehlerhaft übergangen.
III. Danach war die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
WAAAB-97306
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein