BGH Urteil v. - I ZR 325/02

Leitsatz

[1] Bei einem multimodalen Transport unter Einschluss einer Seestrecke endet diese zumindest dann, wenn insoweit keine besonderen Umstände gegeben sind, nicht schon mit dem Löschen der Ladung, sondern erst mit der Verladung des Gutes auf das Transportmittel, mit dem es aus dem Hafen entfernt werden soll.

Gesetze: HGB § 452; HGB § 452a; HGB § 606 Satz 2

Instanzenzug: OLG Celle 11 U 281/00 vom LG Hannover 22 O 4990/99 vom

Tatbestand

Die Klägerin, ein Versicherungsunternehmen, nimmt die Beklagte, ein Speditionsunternehmen, das von der ebenso wie die Parteien in Deutschland ansässigen Versicherungsnehmerin der Klägerin (im Weiteren: Versicherungsnehmerin) am mit dem Rücktransport eines geophysikalischen Feldlabors von Tunis nach Garbsen zu fixen Kosten beauftragt worden war, aus abgetretenem und übergegangenem Recht der Versicherungsnehmerin auf Ersatz eines Transportschadens in Anspruch.

Das in einen 30-Fuß-Spezialcontainer eingebaute Feldlabor wurde aufgrund des Transportauftrags auf dem Seeweg von Tunis nach Genua befördert, wo es am eintraf und von der Streithelferin am zum Rücktransport per Lkw nach Garbsen übernommen wurde. Der Container wies bei seinem Wiedereintreffen auf dem Betriebsgelände der Versicherungsnehmerin am bereits äußerlich gut sichtbare Schäden auf; seine Inneneinrichtung war weitgehend zerstört.

Die Klägerin hat geltend gemacht, dass der Schadensort unbekannt sei und die Beklagte daher für den Schaden nach dem für die Klägerin günstigsten Haftungsregime einzustehen habe. Haftungsbegrenzungen kämen der Beklagten nicht zugute, weil wegen der Vielfalt denkbarer Geschehensabläufe keine zureichenden Anknüpfungspunkte für die Prüfung des Verschuldensgrades vorlägen. Die Höhe des an dem Feldlabor entstandenen Schadens hat die Klägerin auf 255.562 DM beziffert und mit der Klage die Bezahlung dieses Betrags sowie der Kosten der Begutachtung in Höhe von 2.944,01 DM nebst Zinsen verlangt.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Das Landgericht hat der Klage mit Ausnahme eines Teils der Zinsen stattgegeben, das Berufungsgericht sie bis auf einen - von der Beklagten mit der Berufung nicht angegriffenen - Betrag von 22.144,50 € (= 43.310,88 DM) abgewiesen (OLG Celle TranspR 2003, 253).

Mit ihrer (vom Senat zugelassenen) Revision verfolgt die Klägerin ihren in der Berufung erfolglosen Klageantrag in Höhe von 110.027,52 € nebst Zinsen weiter. Die Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Gründe

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

Der Klägerin stehe über den die begrenzte Haftung nach Seefrachtrecht ausfüllenden Teil der landgerichtlichen Entscheidung, der unangegriffen geblieben sei, hinaus kein weiterer Anspruch zu. Gemäß der Vermutung des Art. 28 Abs. 4 EGBGB sei davon auszugehen, dass der zugrunde liegende Güterbeförderungsvertrag die engsten Beziehungen zu Deutschland aufweise und daher das deutsche materielle Recht anzuwenden sei. Die danach gemäß §§ 453 ff. HGB für speditionelles Verschulden und, da die Beklagte die Besorgung des Transports zu fixen Kosten übernommen habe, zudem nach den frachtrechtlichen Bestimmungen bestehende Haftung werde allerdings durch § 452 HGB überlagert, da es sich um einen multimodalen Transport zur See und auf der Straße gehandelt habe.

Die Beklagte hafte danach nach Seehandelsrecht. Sie habe bewiesen, dass der Schaden an dem Container im Rahmen des Rücktransports schon vor dem Verladen auf den Lkw und damit auf der Seestrecke, zu der neben dem Löschen auch etwaige Ein- und Umlagerungen im Hafenbereich rechneten, eingetreten sei. Die Klägerin habe nicht dargetan, dass die für eine unbeschränkte Haftung erforderlichen erhöhten subjektiven Voraussetzungen erfüllt gewesen seien. Ebensowenig bestünden Anhaltspunkte für eine verschärfte Haftung der Beklagten wegen Verletzung ihrer speditionellen Pflichten.

II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

1. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, für die Anwendbarkeit des deutschen Rechts spreche angesichts dessen, dass sowohl die Versicherungsnehmerin als auch die Beklagte ihren Sitz in Deutschland hätten und sich dort auch der Entladeort befunden habe, die durch die übrigen Umstände nicht entkräftete Vermutung des Art. 28 Abs. 4 EGBGB (vgl. Herber, TranspR 2005, 59, 61 f.). Im Übrigen spricht danach auch nichts dagegen, dass der Vertrag die engsten Verbindungen mit Deutschland aufweist und schon aus diesem Grund gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 1 EGBGB dem deutschen Recht unterliegt.

2. Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass sich die Haftung der Beklagten für den eingetretenen Transportschaden nach den Bestimmungen über die Seefracht richtet.

a) Das Berufungsgericht hat es aufgrund der Einvernahme des Zeugen L. , der als Fahrer der Streithelferin den Rücktransport mit dem Lkw durchgeführt hat, und unter Berücksichtigung weiterer Indizien als erwiesen angesehen, dass der Schaden an dem Container bereits eingetreten war, als dieser auf dem Rücktransport in Genua auf den Lkw verladen wurde. Diese Beurteilung wird von der Revision nicht angegriffen.

b) Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Seestrecke in Genua erst mit dem Verladen des Containers auf den Lkw geendet hat.

Die Frage, ob der Warenumschlag in einem Seehafen-Terminal eine eigenständige Teilstrecke i.S. des § 452 Satz 1 HGB darstellt, ist gesetzlich nicht geregelt. Ihre Behandlung ist in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung wie auch im Schrifttum umstritten (die Frage für den Fall, dass die Umladephase wegen ihres besonderen Aufwands eigenes Gewicht besitzt, im Anschluss an Koller, Transportrecht, 5. Aufl., § 452 HGB Rdn. 15 und Fremuth in: Fremuth/Thume, Transportrecht, § 452a HGB Rdn. 20; bejahend OLG Hamburg TranspR 2004, 402, 403 f. = VersR 2005, 428; zustimmend Herber, TranspR 2004, 404, 405 und TranspR 2005, 59, 60 f.; die Frage wie das Berufungsgericht verneinend dagegen Drews, TranspR 2004, 450, 451-453 und Bartels, TranspR 2005, 203, 204-206). Sie ist zumindest für diejenigen Fälle zu verneinen, in denen - wie im Streitfall - in dieser Hinsicht keine besonderen Umstände gegeben sind.

Hierfür spricht zunächst einmal schon die vom Berufungsgericht angestellte Erwägung, dass das Ausladen vom Schiff und die Lagerung und etwaige Umlagerung im Hafengelände gerade charakteristisch für einen Seetransport mit bzw. in Containern sind und eine dementsprechend enge Verbindung zur Seestrecke aufweisen. Außerdem führte die gegenteilige Auffassung zu einer weitgehenden Ausschaltung der haftungsrechtlichen Vorschriften des Seehandelsrechts. Eine Kontrolle des Containers und zumal seines Inhalts erfolgt regelmäßig nicht beim Entladen aus dem Schiff, sondern frühestens zu dem Zeitpunkt, zu dem der Container aus dem Terminal entfernt werden soll; zu diesem Zeitpunkt aber wird sich vielfach nicht mehr feststellen lassen, ob ein festgestellter Schaden auf dem Schiff oder auf dem Gelände des Terminals eingetreten ist (Drews, TranspR 2004, 450 f.). Es kommt hinzu, dass der Verfrachter beim Seefrachtvertrag gemäß § 606 Satz 2 HGB die Ablieferung des Gutes schuldet und dazu regelmäßig dessen Besitz mit Zustimmung des legitimierten Empfängers aufgeben und diesen in den Stand versetzen muss, den Besitz über das Gut auszuüben (BGHZ 44, 303, 306 f.); diese Voraussetzung ist jedoch regelmäßig nicht schon mit dem Löschen der Ladung erfüllt (vgl. Rabe, Seehandelsrecht, 4. Aufl., § 606 HGB Rdn. 30-33; Drews, TranspR 2004, 450, 452).

3. Das Berufungsgericht hat auch ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Beklagte nicht gemäß § 660 Abs. 3 HGB unbeschränkt haftet.

a) Der Grundsatz, dass die beim Anspruchsteller liegende Darlegungs- und Beweislast für die besonderen Voraussetzungen der unbeschränkten Haftung des Spediteurs dadurch gemildert wird, dass dieser nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) wegen des unterschiedlichen Informationsstandes der Vertragsparteien zu den näheren Umständen aus seinem Betriebsbereich soweit möglich und zumutbar eingehend vorzutragen hat (vgl. BGHZ 127, 275, 283 f.; 129, 345, 349 f.; , TranspR 2003, 467, 469; Urt. v. - I ZR 210/01, BGH-Rep 2005, 711, 712), gilt auch im Rahmen des § 660 Abs. 3 HGB (vgl. Herber, Seehandelsrecht, § 31 IV 4, S. 333 f.; Rabe aaO § 660 Rdn. 27).

b) Dieser für Verlustfälle entwickelte Grundsatz kann allerdings nicht ohne weiteres auf diejenigen Fälle übertragen werden, in denen das beförderte Gut auf dem Transport beschädigt wurde. Soweit in dieser Hinsicht ein Organisationsverschulden des Spediteurs in Rede steht, bleibt es grundsätzlich dabei, dass der Anspruchsteller die tatsächlichen Voraussetzungen der den Anspruch begründenden Bestimmung und daher insbesondere das Vorliegen einer für den Schaden ursächlich gewordenen Pflichtverletzung darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hat (vgl. , TranspR 2002, 302, 305 = VersR 2003, 1007; Urt. v. - I ZR 275/00, TranspR 2004, 175, 176). Abweichendes gilt dann, wenn der an dem Frachtgut eingetretene Schaden auf einer unzureichenden Sicherung des Transportgutes beruht (vgl. , TranspR 2002, 408, 409 = VersR 2003, 395). Anhaltspunkte für einen Verladungsfehler sind nicht dargetan.

c) Die Beklagte hätte danach eine Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich ihres Betriebsbereichs getroffen, wenn der Schaden nach dem Vortrag der Klägerin auf einem der Beklagten gemäß § 487d HGB analog zuzurechnenden qualifizierten Verschulden ihres Geschäftsführers bei der Verladung des Feldlabors beruhte. Nach den - insoweit unangegriffen gebliebenen - Feststellungen des Berufungsgerichts ist jedoch dazu, wie der Schaden im Einzelnen eingetreten ist, nichts vorgetragen worden und lässt auch das Schadensbild keinen Rückschluss auf den für den Schadenseintritt ursächlichen Sorgfaltsmangel zu.

III. Danach war die Revision der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Fundstelle(n):
NJW-RR 2006 S. 616 Nr. 9
FAAAB-97235

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: ja; BGHR: ja