Leitsatz
[1] Ein Verband zur Verfolgung gewerblicher Interessen i.S. von § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG ist in der Regel ebenso wie ein Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung in der Lage, einen Prozeßbevollmächtigten am Sitz des Prozeßgerichts schriftlich zu instruieren. Beauftragt der Verband dennoch einen auswärtigen Rechtsanwalt mit der Prozeßführung, sind dessen im Zusammenhang mit der Reise zum Prozeßgericht entstandene Auslagen im allgemeinen keine notwendigen Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung.
Gesetze: ZPO § 91 Abs. 2 Satz 1
Instanzenzug: LG Köln
Gründe
I. Der Verfügungskläger ist der in Berlin ansässige Verein Sozialer Wettbewerb e.V., zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Einhaltung der Regeln des lauteren Wettbewerbs, gehört. In einem wettbewerbsrechtlichen Streit mit dem Verfügungsbeklagten beauftragte der Verfügungskläger die Rechtsanwälte einer in Berlin ansässigen Sozietät, die für ihn beim Landgericht Bonn eine Beschlußverfügung erwirkten und nach Widerspruch den Verhandlungstermin vor dem Landgericht wahrnahmen. Im Termin erkannte der Verfügungsbeklagte die gegen ihn ergangene einstweilige Verfügung als endgültige und abschließende Regelung an. Das Landgericht erlegte ihm daraufhin die weiteren Kosten des Verfügungsverfahrens auf.
Im Kostenfestsetzungsverfahren hat der Verfügungskläger beantragt, auch die Kosten der Reise seines Berliner Prozeßbevollmächtigten zum Verhandlungstermin in Bonn sowie ein Tage- und Abwesenheitsgeld festzusetzen. Das Landgericht hat diesem Antrag entsprochen. Auf die sofortige Beschwerde des Verfügungsbeklagten hat das Oberlandesgericht die begehrte Festsetzung - abzüglich eines Anteils ersparter Kosten für eine schriftliche Unterrichtung eines Bonner Prozeßbevollmächtigten - abgelehnt.
Hiergegen richtet sich die - vom Beschwerdegericht zugelassene - Rechtsbeschwerde des Verfügungsklägers, mit der er seinen Kostenfestsetzungsantrag hinsichtlich der genannten Positionen weiterverfolgt.
II. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Mit Recht hat das Beschwerdegericht die Mehrkosten, die im Streitfall durch die Beauftragung eines Berliner statt eines Bonner Rechtsanwalts entstanden sind, als nicht erstattungsfähig angesehen.
Die Erstattungsfähigkeit der im Streit befindlichen Reisekosten hängt davon ab, ob es für den Verfügungskläger notwendig war, einen Rechtsanwalt mit der Prozeßvertretung zu beauftragen, der nicht am Ort des Prozeßgerichts, sondern in Berlin ansässig ist (§ 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO). Diese Frage hat das Beschwerdegericht zutreffend verneint.
1. Allerdings handelt es sich - wie der Bundesgerichtshof entschieden hat - im allgemeinen um notwendige Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung, wenn eine vor einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei einen an ihrem Wohn- oder Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragt (, NJW 2003, 898, 900 f.; Beschl. v. - I ZB 29/02, WRP 2003, 391, 392 - Auswärtiger Rechtsanwalt I; Beschl. v. - I ZB 36/02, GRUR 2003, 725 f. = WRP 2003, 894 - Auswärtiger Rechtsanwalt II; Beschl. v. - VII ZB 45/02, BGH-Rep 2004, 70, 71; Beschl. v. - I ZB 21/03, Umdruck S. 4 - Auswärtiger Rechtsanwalt III). Eine Ausnahme besteht indessen, wenn schon im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts feststeht, daß ein eingehendes Mandantengespräch für die Prozeßführung nicht erforderlich sein wird. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unter anderem regelmäßig dann der Fall, wenn es sich bei der fraglichen Partei um ein gewerbliches Unternehmen handelt, das über eine eigene, die Sache bearbeitende Rechtsabteilung verfügt (BGH NJW 2003, 898, 901; GRUR 2003, 725, 726 - Auswärtiger Rechtsanwalt II; Beschl. v. - I ZB 21/03, Umdruck S. 5 - Auswärtiger Rechtsanwalt III). In einem solchen Fall ist davon auszugehen, daß der Rechtsstreit durch die sachkundigen Mitarbeiter der Rechtsabteilung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vorbereitet und die Partei daher in der Lage sein wird, einen am Sitz des Prozeßgerichts ansässigen Prozeßbevollmächtigten umfassend schriftlich zu instruieren. Ein eingehendes persönliches Mandantengespräch ist unter diesen Voraussetzungen weder zur Ermittlung des Sachverhalts noch zur Rechtsberatung erforderlich. Nach der schriftlichen Übermittlung der erforderlichen Informationen können Beratung und Abstimmung des prozessualen Vorgehens ebenfalls schriftlich oder telefonisch erfolgen. Diese Grundsätze gelten auch für das Verfügungsverfahren (BGH GRUR 2003, 725, 726 - Auswärtiger Rechtsanwalt II).
2. Ein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen, der sich - wie der Verfügungskläger - damit befaßt, Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht zu verfolgen (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG), ist wie ein Unternehmen mit einer eigenen Rechtsabteilung zu behandeln. Ein solcher Verband muß personell und sachlich so ausgestattet sein, daß er das Wettbewerbsgeschehen beobachten und bewerten kann; er muß auch ohne anwaltlichen Rat in der Lage sein, typische und durchschnittlich schwer zu verfolgende Wettbewerbsverstöße zu erkennen und abzumahnen (vgl. , GRUR 1984, 691, 692 = WRP 1984, 405 - Anwaltsabmahnung; BGHZ 126, 145, 147 - Verbandsausstattung II; Urt. v. - I ZR 287/97, GRUR 2000, 1093, 1094 = WRP 2000, 1275 - Fachverband). Dies bedeutet nicht, daß ein solcher Verband einen Mitarbeiter beschäftigen muß, der über eine juristische Ausbildung verfügt. Auch ein juristischer Laie kann sich im Rahmen seiner beruflichen Praxis die erforderlichen Kenntnisse der Regeln des lauteren Geschäftsverkehrs aneignen, um den Tätigkeitsbereich des Verbands betreffende, durchschnittlich schwierige Wettbewerbsverstöße zu erkennen und gegebenenfalls selbst abzumahnen (vgl. BGH GRUR 2000, 1093, 1095 - Fachverband).
Ein Wettbewerbsverband, der über eine diesen Anforderungen genügende persönliche Ausstattung verfügt, ist ebenso wie ein Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung regelmäßig in der Lage, einen Prozeßbevollmächtigten am Sitz des Prozeßgerichts schriftlich zu instruieren. Dabei ist zu berücksichtigen, daß es in den von einem Wettbewerbsverband aufgegriffenen Fällen typischerweise um die rechtliche Beurteilung einer Werbemaßnahme geht, die im Tatsächlichen unstreitig ist und die sich normalerweise auch unschwer dokumentieren läßt. Diese Beurteilung des Regelfalls schließt es nicht aus, die Mehrkosten, die durch die Zuziehung eines am Sitz des Verbandes ansässigen Rechtsanwalts entstehen, ausnahmsweise dann als notwendig anzuerkennen, wenn dargetan wird, daß zum Zeitpunkt der Beauftragung des Anwalts eine persönliche Kontaktaufnahme unverzichtbar erschien.
3. Die im Zusammenhang mit der Reise zum Prozeßgericht entstandenen Auslagen des Berliner Prozeßbevollmächtigten sind danach im Streitfall keine notwendigen Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung. Der Verfügungskläger hätte einen Bonner Rechtsanwalt beauftragen und ihm die erforderlichen Informationen schriftlich zukommen lassen können. Besonderheiten des Sachverhalts, die ein persönliches Gespräch des Mandanten mit dem Prozeßbevollmächtigten erfordert hätten, sind nicht ersichtlich.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2004 S. 575 Nr. 11
HAAAB-96540
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja