Leitsatz
[1] Die Kosten der Sequestration können im Kostenfestsetzungsverfahren aufgrund der Kostengrundentscheidung des Verfahrens festgesetzt werden, in dem die Sequestration angeordnet worden ist.
Instanzenzug: LG Frankfurt (Oder) 18 O 326/01 vom OLG Brandenburg 6 W 21/05 vom
Gründe
I. Die Antragstellerin erwirkte eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Frankfurt (Oder), durch die der Antragsgegnerin aufgegeben wurde, die in ihrem Besitz befindlichen und auf ihrem Betriebsgrundstück in B. lagernden Bierfässer, die mit "S. " gekennzeichnet waren, an einen Gerichtsvollzieher als Sequester herauszugeben.
Am übergab der mit der Durchführung der Zwangsvollstreckung beauftragte Gerichtsvollzieher die Fässer an einen Gerichtsvollzieher als Sequester. Dieser lagerte die Fässer bei einem Speditionsunternehmen ein.
Die Antragstellerin hat die Festsetzung der Kosten des Sequesters einschließlich der Lagerkosten beantragt.
Das Landgericht hat die von der Antragsgegnerin an die Antragstellerin zu erstattenden Kosten auf 4.923,35 € festgesetzt. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Beschwerdegericht den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss aufgehoben und den Kostenfestsetzungsantrag der Antragstellerin zurückgewiesen (OLG Brandenburg Rpfleger 2006, 101).
Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragstellerin.
II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
1. Die Frage, ob eine Partei die Kosten der Sequestration als Kosten der Zwangsvollstreckung zur Erstattung im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103, 104 ZPO festsetzen lassen kann, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten.
a) Zum Teil wird angenommen, die Kosten der Sequestration könnten nicht im Kostenfestsetzungsverfahren angemeldet werden, weil die Vollziehung des Vollstreckungstitels mit der Übergabe an den Sequester beendet sei. Die Kosten beruhten auf einem privatrechtlichen Sequestrationsvertrag und die Sequestration sei keine Maßnahme der Zwangsvollstreckung. Es sei eine materiell-rechtliche Frage, wer die Kosten der Sequestration zu tragen habe, für deren Entscheidung das Kostenfestsetzungsverfahren nicht vorgesehen sei (OLG Koblenz MDR 1981, 855; Rpfleger 1991, 523; OLG Schleswig SchlHA 1993, 124; JurBüro 1996, 89, 90; OLG Hamm JurBüro 1997, 160; Wieczorek/Schütze/Thümmel, ZPO, 3. Aufl., § 938 Rdn. 15). Dieser Ansicht hat sich das Beschwerdegericht angeschlossen.
b) Dagegen wird zu Recht die Ansicht vertreten, die Kosten der Sequestration könnten im Kostenfestsetzungsverfahren aufgrund der Kostengrundentscheidung des Verfahrens festgesetzt werden, in dem Sequestration angeordnet worden sei (OLG Karlsruhe Rpfleger 1981, 157; OLG Düsseldorf JurBüro 1989, 550; 1996, 89; MünchKomm.ZPO/Heinze, 2. Aufl., § 938 Rdn. 25; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 22. Aufl., § 938 Rdn. 22; Schuschke in Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 3. Aufl., § 938 Rdn. 25; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 938 Rdn. 10).
aa) Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren. Hat das Gericht eine Sequestration angeordnet, rechnen hierzu die mit der Durchführung der Sequestration verbundenen notwendigen Kosten.
Dem steht nicht entgegen, dass die Sequestration auf einem privatrechtlichen Vertrag mit dem Sequester beruht und der Sequester kein Vollstreckungsorgan im Sinne der Zivilprozessordnung ist (BGHZ 146, 17, 20). Die Erstattung der Kosten der Rechtsverfolgung ist nicht von der Natur des Rechtsverhältnisses abhängig, von dem die Kosten herrühren. Zu den Kosten, die im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht werden können, zählen etwa auch Kosten für Detektivermittlungen, für Testkäufe und für Nachforschungen im Zusammenhang mit Patentstreitigkeiten (vgl. , GRUR 2006, 439 Tz 11 = WRP 2006, 237 - Geltendmachung der Abmahnkosten), die ebenfalls auf der Grundlage zivilrechtlicher Verträge entstehen.
bb) Für die Festsetzung der Kosten der Sequestration im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103, 104 ZPO sprechen zudem Gründe der Prozesswirtschaftlichkeit, weil in dem die Sequestration anordnenden Verfahren regelmäßig eine Kostengrundentscheidung ergangen ist. Mit dem Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103, 104 ZPO steht ein gegenüber der Geltendmachung im Klagewege einfacheres Verfahren zur Verfügung, um dem Gläubiger einen Vollstreckungstitel über die Sequestrationskosten an die Hand zu geben. Schutzwürdige Belange des Schuldners werden hierdurch nicht betroffen. Soweit diesem Einwendungen gegen die Verpflichtung zur Tragung der Sequestrationskosten dem Grunde oder der Höhe nach zustehen, die im Kostenfestsetzungsverfahren nicht berücksichtigt werden können, kann er diese ohne die Beschränkung des § 767 Abs. 2 ZPO im Wege der Vollstreckungsabwehrklage nach §§ 795, 794 Abs. 1 Nr. 2, § 767 Abs. 1 ZPO geltend machen (vgl. BGHZ 3, 381, 382; Schuschke in Schuschke/Walker aaO § 767 Rdn. 35; Zöller/Herget aaO § 104 Rdn. 21, Stichwort "Vollstreckungsgegenklage").
2. Die Sache war zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, weil die Antragsgegnerin die Notwendigkeit der Kosten der Sequestration bestritten und das Beschwerdegericht - von seinem Standpunkt folgerichtig - hierüber keine Entscheidung getroffen hat.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW 2006 S. 3010 Nr. 41
VAAAB-96505
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja