Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StPO § 142 Abs. 1 Satz 3; StPO § 349 Abs. 4; BtMG § 31
Instanzenzug:
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen mehrerer Betäubungsmitteldelikte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
Die Revision beanstandet zu Recht, dass der Angeklagte in der Hauptverhandlung ausschließlich durch den zum Pflichtverteidiger bestellten, vorher als Wahlverteidiger tätigen Rechtsanwalt M. verteidigt worden ist. Dessen Bestellung stand ein wichtiger Grund im Sinne des § 142 Abs. 1 Satz 3 StPO entgegen. Rechtsanwalt M. hatte vor Beginn des Strafverfahrens gegen den Angeklagten die Zeugin E. in einer Strafsache verteidigt. Die rechtskräftig verurteilte Zeugin hatte in ihrem Verfahren - nach Beratung durch Rechtsanwalt M. - im Hinblick auf die Vergünstigung des § 31 BtMG Angaben zu anderen Tatbeteiligten gemacht und unter anderem auch den Angeklagten erheblich belastet. In vier der dem Angeklagten zur Last liegenden fünf Straftaten war sie im Wesentlichen das einzige Beweismittel, sodass ihre Aussage für die Überführung des bestreitenden Angeklagten von ausschlaggebender Bedeutung war. Bei diesem Sachverhalt durfte die Vorsitzende der Strafkammer, der diese Umstände bekannt waren, weil sie auch in der Verhandlung gegen die Zeugin E. den Vorsitz innehatte, Rechtsanwalt M. wegen der konkreten Gefahr einer Interessenkollision nicht zum Verteidiger des Angeklagten bestellen (vgl. BGHSt 48, 170). Ob dem Angeklagten die mögliche Interessenkollision erst später bekannt geworden ist oder er sie schon gekannt hatte, als er den Wunsch auf Bestellung von Rechtsanwalt M. als Pflichtverteidiger äußerte, kann dahingestellt bleiben, weil die Vorsitzende die hier gebotene Anhörung von Verteidiger und Angeklagten (vgl. BGHSt aaO, S. 174) nicht durchgeführt hat. Dieser Anhörung bedarf es, weil in dem Spannungsfeld zwischen dem Erfordernis einer effektiven Verteidigung einerseits und dem grundsätzlich bestehenden Recht des Angeklagten auf Bestellung des Verteidigers seines Vertrauens zum Pflichtverteidiger andererseits, eine sachgerechte Entscheidung erst möglich ist, wenn das Ausmaß der drohenden Interessenkollision festgestellt und wenn geklärt ist, ob sich der Angeklagte ihrer Tragweite bewusst ist und in diesem Bewusstsein an seinem Wunsch festhält, von diesem Rechtsanwalt verteidigt zu werden.
Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Schuldspruch und die ihn tragenden Feststellungen auf dem Verfahrensfehler beruhen, kann das Urteil keinen Bestand haben. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
Die rechtliche Würdigung zu Fall II. 2. des angefochtenen Urteils gibt Anlass zu dem Hinweis, dass die Annahme vollendeten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nahe liegen könnte (vgl. , zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
wistra 2006 S. 149 Nr. 4
CAAAB-95467
1Nachschlagewerk: nein