Leitsatz
[1] Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands gelten nach § 12a Abs. 2 TVG auch dann als ein Auftraggeber, wenn geprüft wird, ob eine für sie als freie Mitarbeiterin tätige Person wirtschaftlich abhängig und vergleichbar einem Arbeitnehmer sozial schutzbedürftig ist.
Gesetze: TVG § 12a; Bestandsschutz TV i. d. F. des TV vom § 1; Bestandsschutz TV i. d. F. des TV vom § 13 Abs. 6; Protokollnotiz zu § 13 Abs. 6
Instanzenzug: ArbG Frankfurt am Main 10 Ca 10056/01 vom
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen noch ein Dauerrechtsverhältnis nach dem "Tarifvertrag über die Gewährung von Bestandsschutz" (Bestandsschutz TV) besteht. Der Beklagte hat geltend gemacht, dieses Rechtsverhältnis habe mit Ablauf des Jahres 2000 geendet.
Der Bestandsschutz TV wurde ausweislich seiner Einleitungsformel von den Tarifvertragsparteien
"... in Erfüllung der sich aus § 5 des Rahmentarifvertrages vom ergebenden Verpflichtung ... geschlossen ..."
und hatte im Jahre 2000 (damals zuletzt geändert durch Tarifvertrag vom ) auszugsweise folgenden Wortlaut:
"§ 1
Geltungsbereich
1. Der Geltungsbereich dieses Tarifvertrages ist auf diejenigen Personen beschränkt, die
a) als freie Mitarbeiter auf Grund von Dienst- oder Werkverträgen für den Hessischen Rundfunk persönlich tätig sind,
b) dem Hessischen Rundfunk überwiegend ihre Arbeitskraft widmen,
c) vom Hessischen Rundfunk mehr als die Hälfte des Entgelts, das sie für ihre Erwerbstätigkeit insgesamt erzielen, und
d) zum Hessischen Rundfunk in einem Dauerrechtsverhältnis stehen.
...
§ 2
Begriff des Dauerrechtsverhältnisses Das Dauerrechtsverhältnis überlagert die zwischen dem Hessischen Rundfunk und dem freien Mitarbeiter im Einzelfall abgeschlossenen Dienst- oder Werkverträge und umfasst alle diejenigen gegenseitigen Rechte und Pflichten, die sich für den Hessischen Rundfunk und den freien Mitarbeiter aus den zu § 12a TVG abgeschlossenen Tarifverträgen, aus dem vorliegenden Tarifvertrag oder unmittelbar aus Gesetzen und Verordnungen ergeben. ...
§ 3
Entstehung des Dauerrechtsverhältnisses Das Dauerrechtsverhältnis wird durch einen privatrechtlichen Vertrag begründet, der auf Antrag zwischen dem Hessischen Rundfunk und dem freien Mitarbeiter abgeschlossen wird. Der Vertrag bedarf der Schriftform. ...
§ 7
Beschäftigungsanspruch Die in einem Dauerrechtsverhältnis zum Hessischen Rundfunk stehenden Mitarbeiter haben einen Anspruch auf Beschäftigung in dem Umfange, daß das ihnen für ihre Tätigkeit vom Hessischen Rundfunk gewährte Entgelt im Kalenderjahr den dem betreffenden freien Mitarbeiter zustehenden Bestandsschutz erreicht.
§ 8
Höhe des Bestandsschutzes 1. Bei Begründung des Dauerrechtsverhältnisses ist die Höhe des Bestandsschutzes festzulegen. ...
§ 10
Ausfallhonorare 1. Erreicht das einem freien Mitarbeiter vom Hessischen Rundfunk für seine Tätigkeit gewährte Entgelt nicht die Höhe des ihm zustehenden Bestandsschutzes, so hat der freie Mitarbeiter Anspruch auf Zahlung eines Ausfallhonorars in Höhe des Differenzbetrages. ...
§ 11
Beendigung eines unbefristeten
Dauerrechtsverhältnisses 1. Ein unbefristetes Dauerrechtsverhältnis kann beiderseits aufgekündigt werden. 2. Die Aufkündigungsfrist beträgt ... 4. Ohne Einhaltung der in Abs. 2 festgelegten Aufkündigungsfristen kann ein Dauerrechtsverhältnis beiderseits nur aus wichtigem Grund aufgekündigt werden. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn es dem Hessischen Rundfunk oder dem freien Mitarbeiter unter Abwägung aller Umstände nicht zugemutet werden kann, das Dauerrechtsverhältnis auch nur noch für die Dauer der Ankündigungsfrist fortzusetzen. 5. Nach einer Dauer von mehr als 15 Jahren kann der Hessische Rundfunk das Dauerrechtsverhältnis nur noch nach Absatz 4 aufkündigen.
Protokollnotiz zu § 11 Abs. 4 Die Tarifparteien stimmen darin überein, daß ein wichtiger Grund zur Aufkündigung eines Dauerrechtsverhältnisses mit einem freien Mitarbeiter für den Hessischen Rundfunk u.a. dann vorliegt, wenn es der freie Mitarbeiter beharrlich ablehnt, ihm angebotene zumutbare Aufträge zu übernehmen. Der Hessische Rundfunk wird jedoch den freien Mitarbeiter vorher schriftlich abmahnen und hiervon dem Personalrat Kenntnis geben. ...
§ 12
Gründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung der Rechtssache an das Berufungsgericht.
A. Die in der Revisionserwiderung geäußerten Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage greifen nicht durch. Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung des weiteren Bestands des geltend gemachten tariflichen Dauerrechtsverhältnisses (§ 256 Abs. 1 ZPO).
Die Rechtsprechung erkennt aus Gründen der Prozessökonomie für gegenwartsbezogene Statusklagen generell ein alsbaldiges Feststellungsinteresse an ( - AP ZPO 1977 § 256 Nr. 26 = EzA ZPO § 256 Nr. 43; - 5 AZR 275/98 - AP ZPO 1977 § 256 Nr. 53 = EzA ZPO § 256 Nr. 50). Das gilt auch dann, wenn - wie hier - über den weiteren Bestand des Dauerrechtsverhältnisses einer arbeitnehmerähnlichen Person gestritten wird. Das Feststellungsinteresse entfällt entgegen der Ansicht des Beklagten nicht schon dann, wenn ungewiss ist, ob und welche Ansprüche im Verlaufe des weiteren Bestehens des Dauerrechtsverhältnisses fällig werden. Die Statusfrage ist nämlich die Grundfrage, von deren Beantwortung die tariflich geregelten Ansprüche abhängen. Sie ist deshalb vorab zu beantworten ( - AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 20 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 6).
B. Das Dauerrechtsverhältnis der Parteien ist nicht mit Ablauf des Jahres 2000 erloschen. Ob es zur Zeit noch fortbesteht, kann der Senat nicht entscheiden. Insoweit ist der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
I. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts und der Revisionserwiderung hat ein Wegfall der Voraussetzungen in § 1 Abs. 1 Buchst. a bis c Bestandsschutz TV in der im Jahre 2000 geltenden Fassung nicht das Ende eines Dauerrechtsverhältnisses zur Rechtsfolge.
1. Der Wortlaut des Tarifvertrages ist nicht eindeutig. Eine ausdrückliche Regelung, wonach das Dauerrechtsverhältnis bei Wegfall der in § 1 Abs. 1 Buchst. a bis c Bestandsschutz TV geregelten Voraussetzungen erloschen sein soll, enthält er nicht.
2. Die tarifliche Systematik spricht gegen die Auslegung des Beklagten.
a) In § 1 Abs. 1 des Bestandsschutz TV sind vier Voraussetzungen für den "Geltungsbereich" des Bestandsschutz TV aufgestellt. Die unter Buchst. a bis c geregelten Voraussetzungen betreffen die Tätigkeit eines freien Mitarbeiters für den Beklagten und den Anteil seiner Einnahmen, die er vom Beklagten erhalten muss. Als vierte Voraussetzung wird in Buchst. d) verlangt, dass er in einem Dauerrechtsverhältnis zum Beklagten steht. Die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens eines Dauerrechtsverhältnisses ist demnach Tatbestandsmerkmal der den Geltungsbereich regelnden Tarifvorschrift. Der Geltungsbereich des Tarifvertrages hängt damit vom Bestehen des Dauerrechtsverhältnisses ab, nicht umgekehrt. Dieselbe Systematik findet sich auch in § 1 Abs. 1 der sonstigen in Ausführung des Rahmentarifvertrages geschlossenen Tarifverträge.
Dazu passt, dass der Bestandsschutz TV in § 3 eine Regel über das Entstehen des Dauerrechtsverhältnisses enthält. Würde § 1 Abs. 1 Bestandsschutz TV eine abschließende Bestimmung darüber enthalten, auf welchen Personkreis die tariflichen Vorschriften anwendbar sind, könnte ein solches Dauerrechtsverhältnis nach der tariflichen Systematik nie entstehen. Auch dies deutet darauf hin, dass die Regelung in § 1 Abs. 1 Bestandsschutz TV keine Aussagen über den Bestand des Dauerrechtsverhältnisses enthält.
b) Der Bestandsschutz TV enthält in den §§ 11 bis 13 eine umfassende Regelung der Fallkonstellationen, die nach dem Willen der Tarifvertragsparteien unmittelbar auf Grund des Tarifvertrages und ohne eine einseitige Erklärung einer der Parteien zur Beendigung des Dauerrechtsverhältnisses führen sollen. Gründe der Rechtssicherheit sprechen dagegen, die dort von den Tarifvertragsparteien aufgeführten Beendigungstatbestände im Wege der Auslegung zu ergänzen. Gegen diese Erweiterung der Beendigungsgründe spricht insbesondere die Bestimmung in § 17 Bestandsschutz TV. Danach kann der Intendant in begründeten Einzelfällen zugunsten des freien Mitarbeiters Ausnahmen von den Vorschriften des Tarifvertrages bestimmen, also auch ein Dauerrechtsverhältnis aufrechterhalten. Damit ist es nicht vereinbar, automatisch, dh., ohne dass es einer Entscheidung des Beklagten bedarf, das Dauerrechtsverhältnis beenden zu lassen, sobald die vom Tarifvertrag für seinen Geltungsbereich vorgesehenen Beschäftigungsvoraussetzungen nicht mehr erfüllt sind. Eine derartige Auslegung würde es dem Intendanten nämlich erschweren, zugunsten des freien Mitarbeiters dessen Dauerrechtsverhältnis fortzusetzen.
c) Etwas anderes folgt nicht aus der Überschrift "Geltungsbereich" in § 1 Bestandsschutz TV, § 1 des Rahmentarifvertrages und des jeweiligen § 1 Abs. 1 der weiteren in Umsetzung dieses Tarifvertrages geschlossenen Tarifverträge.
Durch die Bestimmung des tariflichen Geltungsbereichs - einschließlich der insoweit getroffenen Voraussetzung, dass ein Dauerrechtsverhältnis zu bestehen hat - wird festgelegt, welcher Personenkreis Leistungsansprüche, insbesondere Ausfallhonorare nach § 10 Bestandsschutz TV, aus diesem Tarifvertrag geltend machen kann. Dabei ist hinsichtlich der Voraussetzungen von § 1 Abs. 1 Buchst. b und c des Tarifvertrages, wie das Landesarbeitsgericht insoweit zu Recht angenommen hat, mit § 10 Abs. 1 Bestandsschutz TV auf das Kalenderjahr abzustellen. Nur wenn der freie Mitarbeiter tatsächlich zeitlich und finanziell überwiegend für den Beklagten tätig war und damit nicht anderweitig durch seine Tätigkeit sozial abgesichert ist, gibt es - soweit ein Dauerrechtsverhältnis vereinbart wurde - einen Anspruch auf das Bestandsschutzentgelt. Ebenso ist § 1 Abs. 1 der sonstigen in Ausführung des Rahmentarifvertrages geschlossenen Tarifverträge jeweils zu verstehen.
3. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts gebietet die "Funktion" des Dauerrechtsverhältnisses keine andere Auslegung. Die Tarifvertragsparteien haben nämlich nach dem Bestandsschutz TV ein Modell des sozialen Schutzes freier Mitarbeiter geschaffen (vgl. - AP BGB § 611 Rundfunk Nr. 37 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 84). Damit ist es vereinbar, unter den tariflich genannten Voraussetzungen dem freien Mitarbeiter zwar ein Recht auf Beschäftigung (§ 7 Bestandsschutz TV), aber keine Pflicht zur Beschäftigung einzuräumen. Der Status als freier Mitarbeiter legt es sogar nahe, wenn der tarifliche Sozialschutz nicht entfällt, falls der freie Mitarbeiter vorübergehend anderweitig tätig wird. Der Beklagte ist ausreichend durch die Aufkündigungsmöglichkeit der Protokollnotiz zu § 11 Abs. 4 Bestandsschutz TV geschützt. Danach kann er sich von freien Mitarbeitern, die die Durchführung zumutbarer Aufträge ablehnen, einseitig trennen.
4. Diese Auslegung ist auch mit § 12a TVG vereinbar.
Nach Ansicht des Vierten Senats des Bundesarbeitsgerichts ( - 4 AZR 106/90 - BAGE 66, 95) dürfen die Tarifvertragsparteien nur solche Beschäftigte in den Geltungsbereich eines auf arbeitnehmerähnliche Personen anzuwendenden Tarifvertrag einbeziehen, die die Voraussetzungen des § 12a TVG erfüllen. Entgegenstehende tarifliche Regelungen sind danach unwirksam, soweit sie den Anwendungsbereich der Vorschrift erweitern. Es kann dahingestellt bleiben, ob dieser Rechtsprechung uneingeschränkt zuzustimmen ist oder ob den Tarifvertragsparteien bei der Bestimmung des persönlichen Geltungsbereichs der Tarifverträge zumindest ein Gestaltungsspielraum zukommt (so Däubler/Reinecke TVG § 12a Rn. 28 ff.). Hinsichtlich der Klägerin wurde der Anwendungsbereich des § 12a TVG nicht erweitert. Sie erfüllte auch im Jahre 2000 die Voraussetzungen, die für arbeitnehmerähnliche Personen galten:
Nach § 12a Abs. 1 Nr. 1 TVG sind arbeitnehmerähnlich solche Personen, die wirtschaftlich abhängig und vergleichbar einem Arbeitnehmer sozial schutzbedürftig sind. Weitere Voraussetzungen sind, dass sie auf Grund von Dienst- oder Werkverträgen für andere Personen tätig sind, die geschuldeten Leistungen persönlich und im Wesentlichen ohne Mitarbeit von Arbeitnehmern erbringen und entweder überwiegend für eine Person tätig sind oder einen gesetzlich näher bestimmten Anteil ihres Einkommens von einer Person beziehen. Nach § 12a Abs. 2 TVG gelten mehrere Personen, für die die arbeitnehmerähnliche Person tätig ist, als eine Person ua. dann, wenn sie einer nicht nur vorübergehenden Arbeitsgemeinschaft angehören.
Die Klägerin war während des Jahres 2000 im Sinne dieser Regelung "überwiegend" für den Beklagten tätig. Dem stand ihre Beschäftigung beim Südwestfunk nicht entgegen. Dieser ist - ebenso wie der Beklagte - Mitglied der "Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands" (ARD), einer ständigen Arbeitsgemeinschaft, die nach § 12a Abs. 2 TVG als eine Person anzusehen ist (Löwisch/Rieble TVG 2. Aufl. § 12a Rn. 11). Damit steht auch die wirtschaftliche Abhängigkeit vom Beklagten fest (vgl. Kempen/Zachert TVG 3. Aufl. § 12a Rn. 13 mwN).
Die Klägerin ist auch einem Arbeitnehmer vergleichbar sozial schutzbedürftig. Das Maß der Abhängigkeit der Klägerin erreicht einen solchen Grad, wie er im Allgemeinen nur in einem Arbeitsverhältnis vorkommt. Nach ihrer soziologischen Typik sind die von ihr geleisteten Dienste denen eines Arbeitnehmers vergleichbar (vgl. - AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 31 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 21), da auch die freie Mitarbeit für Rundfunkanstalten zu einer organisatorischen Eingliederung führt. Dass die Klägerin im Jahre 2000 für mehrere Rundfunkanstalten tätig war, steht dem nicht entgegen. Entsprechend der Wertung in § 12a Abs. 2 TVG sind die Rundfunkanstalten der ARD insoweit als ein Auftraggeber zu behandeln.
Dass die Klägerin die von ihr erbrachten Dienste im Wesentlichen nicht persönlich und nicht ohne Mitarbeit von Arbeitnehmern erbracht hätte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
II. Entgegen der Ansicht des Beklagten hat auch der ÄnderungsTV vom kein Erlöschen des Dauerrechtsverhältnisses zum bewirkt.
1. Für die Auslegung eines Tarifvertrages kann auch eine spätere Tarifentwicklung herangezogen werden (Senat - 9 AZR 235/01 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 28 = EzA TVG § 4 Luftfahrt Nr. 6; - BAGE 97, 271). Ebenso wie der Gesetzgeber (dazu IVa ZR 190/81 - BGHZ 88, 296; - V ZR 77/77 - BB 1978, 933; - VI ZR 192/76 - BGHZ 69, 315) dürfen die Tarifvertragsparteien durch tarifliche Bestimmungen vorangegangene Tarifverträge authentisch interpretieren. Voraussetzung ist, dass sie den Rückwirkungsschutz beachten (vgl. - AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 8 = EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 14; - 4 AZR 114/79 -; - 3 AZR 327/00 -; vgl. für den Gesetzgeber: - BVerfGE 50, 177; - 2 BvL 17/63 - BVerfGE 18, 429).
2. Aus der Änderung kann nicht geschlossen werden, dass das Dauerrechtsverhältnis der Klägerin auch unter deren Berücksichtigung mit Ablauf des Jahres 2000 geendet hat.
Die Tarifvertragsparteien haben durch den ÄnderungsTV nicht ausdrücklich bestimmt, dass bei Nichterfüllung der Voraussetzungen von § 1 Abs. 1 Buchst. a bis c Bestandsschutz TV in einem Kalenderjahr das Dauerrechtsverhältnis endet. Sie haben sich vielmehr darauf beschränkt klarzustellen, dass die Erfüllung dieser Voraussetzungen "Geschäftsgrundlage" eines solchen Dauerrechtsverhältnisses hätte sein sollen. Damit haben sie einen Rechtsbegriff gebraucht. Im Zweifel ist dann anzunehmen, dass sie ihn in seiner juristischen Bedeutung verwendet haben (vgl. - BAGE 33, 83). Es kommt also bei der Auslegung des Bestandsschutz TV in seiner im Jahre 2000 geltenden Fassung allenfalls darauf an, ob durch die Nichterfüllung der tariflichen Voraussetzungen in § 1 Abs. 1 Buchst. a bis c Bestandsschutz TV die Geschäftsgrundlage des Dauerrechtsverhältnisses weggefallen ist und dieses dadurch beendet wurde.
Nach den Grundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage, die durch § 313 BGB ohne wesentliche Änderung zur früheren Rechtslage kodifiziert wurden (Senat - 9 AZR 401/02 - AP BGB § 119 Nr. 15 = EzA ATG § 2 Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen), ist ein Vertrag ua. dann anzupassen, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, sich als falsch herausstellen. Voraussetzung ist, dass die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie dies gewusst hätten und dass einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann (so jetzt § 313 Abs. 2 iVm. Abs. 1 BGB).
Selbst wenn man davon ausgeht, dass schon der Wegfall der Voraussetzungen der genannten tariflichen Bestimmungen innerhalb eines Kalenderjahres zu einer Störung der Geschäftsgrundlage führt, wäre es dem Beklagten nicht unzumutbar, danach zumindest für eine gewisse Zeit am Dauerrechtsverhältnis festzuhalten. Er wäre in diesem Kalenderjahr - wie dargelegt - nicht durch Leistungspflichten benachteiligt. Zumindestens ist es ihm deshalb zumutbar, die weitere Entwicklung abzuwarten und festzustellen, ob die erneute Erfüllung der Voraussetzungen nach § 1 Abs. 1 Buchst. a bis c Bestandsschutz TV nicht mehr zu erwarten ist. Soweit es dabei um Sachverhalte geht, für die die Aufkündigungsmöglichkeit der Protokollnotiz zu § 11 Abs. 4 Bestandsschutz TV in Betracht kommt, geht diese Regelung vor (vgl. zur Verdrängung der Grundsätze über die Geschäftsgrundlage durch das Kündigungsrecht: - EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 3).
III. Nach allem kommt es darauf an, welche Entwicklung das Dauerrechtsverhältnis der Parteien nach dem Jahre 2000 genommen hat. Es ist nicht auszuschließen, dass die Voraussetzungen von § 13 Abs. 6 Bestandsschutz TV in der Fassung des ÄnderungsTV danach erfüllt worden sind. Den Parteien ist Gelegenheit zu geben, im Hinblick darauf Weiteres vorzutragen. Der Rechtsstreit war deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei wird es zu berücksichtigen haben, dass das arbeitsgerichtliche Urteil bei der Wiederholung des Betrages der Bestandsschutzsumme von DM 61.000,00 in Worten die fehlerhafte Angabe "Einundsechzig Deutsche Mark" enthält.
C. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2005 S. 1972 Nr. 36
DB 2005 S. 1010 Nr. 18
MAAAB-95001
1Für die Amtliche Sammlung: ja; Für die Fachpresse: nein