Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: BUrlG § 7 Abs. 1; BUrlG § 7 Abs. 4; BUrlG § 3; BGB § 133; BGB § 157; BGB § 362 Abs. 1
Instanzenzug: ArbG München 12 Ca 22678/02 vom LAG München 9 Sa 653/04 vom
Tatbestand
Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltungsansprüche des Klägers aus dem Jahre 2002. Der Kläger war seit dem , zuletzt als Regionalvertriebsleiter, bei der Beklagten beschäftigt. Mit Schreiben vom kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgerecht zum . In dem Kündigungsschreiben heißt es ua.:
"Bis zur Beendigung des Anstellungsverhältnisses werden Sie unter Fortzahlung der Bezüge und unter Anrechnung noch offener Urlaubsansprüche sowie noch nicht abgegoltener Zeitguthaben von der Arbeitsleistung freigestellt."
Der Kläger erhob gegen diese Kündigung vor dem Arbeitsgericht München Kündigungsschutzklage. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am schlossen die Parteien einen Vergleich und vereinbarten die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Grund ordentlicher betrieblich veranlasster Arbeitgeberkündigung zum . In Ziff. 2 des Vergleichs verpflichtete sich die Beklagte zur Zahlung einer Abfindung iHv. 10.000,00 Euro und in Ziff. 3 zur Zahlung einer Beteiligung am Betriebserfolg für das Geschäftsjahr 2001/2002. In Ziff. 4 des Vergleichs heißt es:
"Die Parteien sind sich darüber einig, dass mit Erfüllung der Verpflichtungen aus diesem Vergleich zwischen Ihnen aus dem Arbeitsverhältnis und anlässlich dessen Beendigung keinerlei finanzielle Ansprüche, gleich aus welchem Rechtsgrund, mehr bestehen."
Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom machte der Kläger die Abgeltung von 26 Urlaubstagen iHv. 386,40 Euro je Tag geltend. Darüber hinaus verlangte er die Zahlung zusätzlichen Urlaubsgeldes iHv. täglich 124,14 Euro. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom eine Zahlung ab und berief sich auf die Ausgleichsklausel im gerichtlichen Vergleich.
Nach erstinstanzlicher Klageabweisung hat der Kläger in der Berufungsinstanz nur noch die Abgeltung und das zusätzliche Urlaubsgeld iHd. gesetzlichen Mindesturlaubs von 20 Urlaubstagen weiterverfolgt.
Er hat die Auffassung vertreten, sein Urlaubsanspruch sei nicht durch die Freistellung im Kündigungsschreiben vom erfüllt, weil die Freistellung nicht unwiderruflich erfolgt sei.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.210,80 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz gemäß § 1 DÜG seit dem zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Urlaubsansprüche des Klägers seien durch die Freistellung im Kündigungsschreiben erfüllt worden. Zumindest seien sie auf Grund der Ausgleichsklausel im gerichtlichen Vergleich vom erloschen.
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Landesarbeitsgerichts zurückgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Zahlungsansprüche weiter.
Gründe
A. Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat weder Anspruch auf Abgeltung bestehenden Resturlaubs noch auf Zahlung zusätzlichen Urlaubsgeldes.
I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach § 7 Abs. 4 BUrlG.
Danach ist der Urlaub abzugelten, wenn er wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Das setzt voraus, dass bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch ein Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers bestanden hat. Daran fehlt es hier. Die Beklagte hatte den Urlaubsanspruch des Klägers für das Jahr 2002 mit der Arbeitsbefreiung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfüllt. Der Urlaubsanspruch des Klägers für das Jahr 2002 war deshalb gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Urlaubsanspruch ein durch das BUrlG bedingter Freistellungsanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, von den nach dem Arbeitsverhältnis bestehenden Arbeitspflichten befreit zu werden, ohne dass die Pflicht zur Zahlung des Arbeitentgelts berührt wird. Die zur Erfüllung des Anspruchs erforderliche Erklärung des Arbeitgebers muss hinreichend deutlich erkennen lassen, dass eine Befreiung von der Arbeitspflicht zur Erfüllung des Anspruchs auf Urlaub gewährt wird. Andernfalls ist nicht bestimmbar, ob der Arbeitgeber als Schuldner des Urlaubsanspruchs die geschuldete Leistung bewirkt (§ 362 Abs. 1 BGB) oder als Gläubiger der Arbeitsleistung auf deren Annahme verzichtet (§ 615 BGB) ( - 9 AZR 312/92 - BAGE 75, 294 mwN). Der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers kann wie hier auch dadurch erfüllt werden, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Anrechnung auf den Urlaubsanspruch von der Arbeit freistellt (ständige Rechtsprechung seit - 8 AZR 481/84 - BAGE 54, 59).
2. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht eine Urlaubsgewährung nach § 7 BUrlG darin gesehen, dass die Beklagte den Kläger im Kündigungsschreiben vom "unter Anrechnung noch offener Urlaubsansprüche" von der Arbeit freistellte.
a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, durch diese Erklärung werde hinreichend erkennbar, dass die Arbeitsbefreiung erfolge, um den noch offenen Urlaubsanspruch zu erfüllen. Diese Auslegung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es handelt sich um eine nichttypische Willenserklärung. Die Auslegung solcher Erklärungen ist regelmäßig den Tatsachengerichten vorbehalten. Revisionsrechtlich ist die Auslegung nur eingeschränkt dahin gehend zu überprüfen, ob das Landesarbeitsgericht Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) verletzt, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungsgesetze verstoßen oder Umstände, die für die Auslegung von Bedeutung sein können, außer Betracht gelassen hat (Senat - 9 AZR 922/98 - mwN).
b) Aus dem Wortlaut der schriftlichen Erklärung der Beklagten im Schreiben vom musste der Kläger erkennen, dass er auch zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs von der Arbeit freigestellt werden sollte. Es wird dort ausdrücklich erklärt, dass der Kläger unter Anrechnung auf seinen Urlaubsanspruch von der Arbeit freigestellt werde (vgl. hierzu - 8 AZR 481/84 - BAGE 54, 59; und zu einer vergleichbaren Erklärung eines Arbeitgebers, Senat - 9 AZR 295/04 - AP InsO § 55 Nr. 12 = EzA InsO § 209 Nr. 5).
c) Gegen diese Freistellung erhob der Kläger keinen Widerspruch. Mit einer vom Arbeitnehmer akzeptierten Freistellung unter Anrechnung auf Urlaub wird der Freistellungsanspruch zur Erfüllung von Urlaubsansprüchen erfüllt ( - BAGE 111, 80).
3. Entgegen der Auffassung der Revision steht der Erfüllung des Urlaubsanspruchs nicht entgegen, dass die Beklagte nicht ausdrücklich die Unwiderruflichkeit der Befreiung von der Arbeitspflicht hervorgehoben hatte.
a) Die Erfüllung von Urlaubsansprüchen durch den Arbeitgeber bedarf der unwiderruflichen Befreiung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht. Nur dann ist es dem Arbeitnehmer möglich, anstelle der geschuldeten Arbeitsleistung die ihm auf Grund des Urlaubsanspruchs zustehende Freizeit uneingeschränkt zu nutzen. Das ist nur dann gewährleistet, wenn der Arbeitnehmer während der Freistellung nicht damit rechnen muss, zur Arbeit gerufen zu werden.
b) Die Erklärung, die Freistellung erfolge unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche bewirkt, dass für die Dauer der Freistellung die urlaubsrechtlichen Folgen eintreten, wie zB Urlaubsvergütung, zusätzliches Urlaubsgeld und Unwiderruflichkeit der Arbeitsbefreiung.
Nach dem BUrlG besteht kein Anspruch des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer, den gewährten Urlaub abzubrechen oder zu unterbrechen (Senat - 9 AZR 405/99 - BAGE 95, 104). Hat der Arbeitgeber die Leistungszeit bestimmt, in der der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers iSv. § 362 Abs. 1 BGB erfüllt werden soll, und sie dem Arbeitnehmer auch mitgeteilt, hat er als Schuldner des Urlaubsanspruchs die für die Erfüllung dieses Anspruchs erforderliche Leistungshandlung iSv. § 7 Abs. 1 BUrlG vorgenommen. An den Inhalt dieser Erklärung ist er gebunden (Senat - 9 AZR 405/99 - aaO). Diese Bindung muss nicht durch eine gesonderte Erklärung der Unwiderruflichkeit deklaratorisch wiederholt werden. Sie ist Voraussetzung einer wirksamen Urlaubserteilung. Ergibt allerdings die Auslegung der Freistellungserklärung, dass der Arbeitgeber sich den Widerruf der Urlaubsgewährung vorbehalten hat, ist eine zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs notwendige Befreiungserklärung nicht gegeben. Für einen derartigen Widerrufsvorbehalt ergeben sich hier keine Anhaltspunkte.
4. Der Erfüllung des Urlaubsanspruchs steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte Beginn und Ende des Urlaubs nicht konkret bestimmt hat. Als Schuldner des Urlaubsanspruchs obliegt es dem Arbeitgeber nach § 7 Abs. 1 BUrlG, den Urlaubszeitraum festzulegen. Wenn der Arbeitgeber wie im Streitfalle die genaue zeitliche Lage des Urlaubs und die Zahl der Urlaubstage nicht festlegt, kann der Arbeitnehmer daraus regelmäßig entnehmen, entweder gewähre der Arbeitgeber ihm die gesamte Zeit der Kündigungsfrist als Urlaub oder der Arbeitgeber überlasse es ihm zumindest, die zeitliche Lage der ihm zustehenden Urlaubstage innerhalb des vorbehaltlos gewährten Freistellungszeitraums zu bestimmen. In beiden Fällen ist für den Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar, dass er während der restlichen Dauer seines Arbeitsverhältnisses nicht mehr damit rechnen muss, eine Arbeitsleistung erbringen zu müssen (Senat - 9 AZR 922/98 -).
Durch die Freistellung des Klägers über den Zeitraum von mehr als einen Monat hat die Beklagte den vom Kläger geltend gemachten Urlaubsanspruch mit der gesetzlichen Mindestdauer (§ 3 BUrlG) von 24 Werktagen erfüllt. Der Urlaubsanspruch des Klägers ist deshalb gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen.
II. Dem Kläger steht auch kein zusätzliches Urlaubsgeld zu.
1. Das Landesarbeitsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Beklagte das zusätzliche Urlaubsgeld für mindestens 20 Urlaubstage im Freistellungszeitraum gezahlt hat. Nicht erfüllte Urlaubsgeldansprüche sind auf Grund des gerichtlichen Vergleichs vom erloschen.
a) Das ergibt die Auslegung der im gerichtlichen Vergleich vom vereinbarten Ausgleichsklausel.
aa) Das Landesarbeitsgericht hat die Ausgleichsklausel nicht ausgelegt. Das kann der Senat nachholen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob Prozessvergleiche regelmäßig sog. typische Verträge sind, die wie Rechtsnormen auszulegen sind ( - AP BGB § 611 Konkurrenzklausel Nr. 48 = EzA HGB § 74 Nr. 64), oder ob es sich um nichttypische Verträge handelt, deren Auslegung grundsätzlich dem Tatsachengericht obliegt ( - AP BGB § 157 Nr. 29 = EzA BGB 2002 § 779 Nr. 1). Eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht, um den Parteien Gelegenheit zu weiterem tatsächlichen Vorbringen zu geben, ist nicht erforderlich. Die Beklagte stützt ihre Auffassung vom vermeintlichen Erlöschen aller Ansprüche durch den Prozessvergleich allein auf dessen Wortlaut.
bb) Das Gericht hat den Umfang einer Ausgleichsklausel nach Maßgabe der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Vorliegend ergibt sich aus dem Wortlaut der Ausgleichsklausel, dass die Parteien bis auf die Verpflichtungen zu Ziff. 2 und 3 des Vergleichs sämtliche weiteren gleich aus welchem Rechtsgrund bestehenden Ansprüche erledigen wollten. In der Regel wollen die Parteien in einem Aufhebungsvertrag das Arbeitsverhältnis abschließend bereinigen und alle Ansprüche erledigen, gleichgültig, ob sie daran dachten oder nicht (Senat - 9 AZR 612/03 - AP HGB § 75 Nr. 11 = EzA HGB § 74 Nr. 66; - BAGE 102, 103). So ist es hier. Die Parteien wollten neben der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erkennbar alle nicht im Vergleichstext genannten Ansprüche erledigen. Mit der vereinbarten Erledigung aller gegenseitigen Forderungen haben sie deshalb einvernehmlich erklärt, dass aus dem Arbeitsverhältnis keine Ansprüche mehr bestehen.
B. Der Kläger hat die Kosten der erfolglosen Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NWB-Eilnachricht Nr. 41/2006 S. 3443
NWB-Eilnachricht Nr. 48/2007 S. 4305
StuB-Bilanzreport Nr. 14/2006 S. 568
JAAAB-94902
1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein