Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: MTW-O § 8 Abs. 4 Satz 1 1 idF ÄnderungsTV Nr. 11/Nr. 12 v. /; MTW-O § 33 Abs. 1 Satz 1 1 idF ÄnderungsTV Nr. 11/Nr. 12 v. /; MTW-O § 34 Abs. 1 Unterabs. 1 idF ÄnderungsTV Nr. 11/Nr. 12 v. /; MTW-O § 75 idF des ÄnderungsTV Nr. 14 vom
Instanzenzug: ArbG Zwickau 1 Ca 4339/01 vom
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine tarifliche Fahrzeugentschädigung.
Der Kläger ist bei dem Beklagten im Forstamt S als Waldfacharbeiter (Forstwirt) beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts für Waldarbeiter an den MTW (MTW-O) vom Anwendung. Im MTW-O idF des Änderungstarifvertrages Nr. 11 vom und idF des am in Kraft getretenen Änderungstarifvertrages Nr. 12 vom heißt es:
"§ 8
Arbeitszeit
...
(4) Die Arbeitszeit beginnt und endet an der Arbeitsstelle. ...
§ 33
Fahrzeugentschädigung
(1) Setzt der Waldarbeiter zur Erledigung eines dienstlichen Auftrages während der Arbeitszeit mit Zustimmung des Aufsichtsführenden sein Kraftfahrzeug ein, erhält er je Kilometer zurückgelegten Weges eine Kraftfahrzeugentschädigung. ...
(2) Der Waldarbeiter ist verpflichtet, im Rahmen des Zumutbaren Personen und Sachen mitzunehmen. Mit der Entschädigung nach Absatz 1 ist die Mitnahme abgegolten.
..."
Der Beklagte setzt den Kläger innerhalb der Grenzen des Forstamtes S in verschiedenen Abteilungen des Waldes ein. Er zahlt dem Kläger bei einem Wechsel des Einsatzortes während der Arbeitszeit das tarifliche Wegegeld, wenn dieser mit Zustimmung des Aufsichtsführenden mit seinem Kraftfahrzeug zum neuen Einsatzort fährt.
Der Kläger hat gemeint, ihm stehe für solche Umsetzungsfahrten die höhere tarifliche Fahrzeugentschädigung zu. Die Fahrten zum neuen Einsatzort dienten der Erledigung eines dienstlichen Auftrages. Der Beklagte schulde ihm für die Monate Juni bis Dezember 2001 über das gezahlte Wegegeld hinaus tarifliche Fahrzeugentschädigung in Höhe von 10,74 Euro.
Der Kläger hat die Klage bezüglich der für die Monate März und April 2001 geltend gemachten Ansprüche in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat mit Zustimmung des Beklagten zurückgenommen und zuletzt beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 10,74 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klageerweiterung zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageansprüche für die Monate Juni bis Dezember 2001 weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Gründe
Die Revision des Klägers hat Erfolg. Zu Unrecht haben die Vorinstanzen die Klage abgewiesen, soweit der Kläger tarifliche Fahrzeugentschädigung für die Monate Juni bis Dezember 2001 verlangt. Dem Kläger steht für diesen Zeitraum ein Differenzbetrag zwischen Wegegeld und Fahrzeugentschädigung in unstreitiger Höhe von 10,74 Euro zu.
1. Der Anspruch folgt aus § 33 Abs. 1 Satz 1 MTW-O. Nach dieser Tarifvorschrift erhält der Waldarbeiter je Kilometer zurückgelegten Weges eine Fahrzeugentschädigung, wenn er zur Erledigung eines dienstlichen Auftrages während der Arbeitszeit mit Zustimmung des Aufsichtsführenden sein Kraftfahrzeug einsetzt. Die vom Kläger im Anspruchszeitraum mit seinem Kraftfahrzeug durchgeführten Fahrten zum neuen Einsatzort erfüllen diese Voraussetzungen. Der Kläger hat die Wege während der Arbeitszeit zurückgelegt und sein Kraftfahrzeug mit Zustimmung des Aufsichtsführenden benutzt. Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts hat er sein Kraftfahrzeug auch zur Erledigung eines dienstlichen Auftrages iSv. § 33 Abs. 1 Satz 1 MTW-O eingesetzt.
a) Der Tarifbegriff "dienstlicher Auftrag" erfasst seinem Wortlaut nach, auf den es für die Tarifauslegung zunächst ankommt (st. Rspr., vgl. - AP TVG § 4 Nr. 24, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen <zVv.>, zu II 2 b aa der Gründe; - 6 AZR 209/01 - AP BAT § 29 Nr. 18, zu B II 2 a der Gründe), alle Weisungen des Arbeitgebers, die dieser dem Arbeitnehmer gemäß § 106 Satz 1 GewO zur näheren Bestimmung des Inhalts, des Ortes und der Zeit der nach dem Arbeitsvertrag geschuldeten Arbeitsleistung erteilt ( - zVv.). Dazu zählt auch eine Anordnung des Arbeitgebers gegenüber einem Waldarbeiter, eine an einem Arbeitstag an einem festgelegten Einsatzort begonnene Arbeit einzustellen und in einem anderen Abschnitt des Waldes fortzusetzen.
b) Zu Unrecht haben die Vorinstanzen angenommen, die Tarifvertragsparteien hätten in § 33 Abs. 1 Satz 1 MTW-O lediglich eine über die arbeitsvertraglich geschuldete Dienstleistung des Waldarbeiters hinausgehende Aufgabenerfüllung geregelt. Aus dem Wortlaut der Tarifbestimmung ergeben sich keine Anhaltspunkte für einen entsprechenden Willen der Tarifvertragsparteien. Die Vorschrift knüpft die Fahrzeugentschädigung bereits ihrem Wortlaut nach nicht an die Erbringung einer Leistung, die der Waldarbeiter nach seinem Arbeitsvertrag überhaupt nicht schuldet, sondern an die Erledigung eines dienstlichen und die arbeitsvertragliche Leistung konkretisierenden Auftrages. Auch der tarifliche Gesamtzusammenhang steht der Annahme der Vorinstanzen entgegen. Die Tarifvertragsparteien haben die Fahrzeugentschädigung im Abschnitt V des Tarifvertrages vereinbart, der Sondervergütungen und Aufwandsentschädigungen regelt und damit den Inhalt des Arbeitsverhältnisses ordnet.
c) Der Kläger hat sein Kraftfahrzeug eingesetzt, um an die vom Beklagten kraft seines einseitigen Bestimmungsrechts festgelegten neuen Einsatzorte zu gelangen und dort seine arbeitsvertraglich geschuldete Dienstleistung fortzusetzen. Den Anordnungen, den Einsatzort zu wechseln, hatte er nachzukommen. Ohne diese ihm im Rahmen des Direktionsrechts vom Beklagten erteilten Weisungen hätte er sein Kraftfahrzeug nicht während der Arbeitszeit einsetzen können. Die Fahrten zum neuen Einsatzort erfolgten damit zur Erledigung eines dienstlichen Auftrages. Ohne Bedeutung ist, dass der Kläger nicht verpflichtet war, zur Ausführung des Auftrages sein Kraftfahrzeug einzusetzen.
2. Entgegen der Auffassung der Revision hatte die gemäß § 1 Nr. 2 des Änderungstarifvertrages Nr. 14 vom zum MTW-O mit Wirkung ab dem außer Kraft getretene Wegegeldregelung in § 34 Abs. 1 Unterabs. 1 MTW -O bei einem vom Arbeitgeber angeordneten Wechsel des Einsatzortes während der Arbeitszeit nicht Vorrang. Diese Tarifvorschrift, die nur noch unter den Voraussetzungen des § 75 MTW-O idF des Änderungstarifvertrages Nr. 14 zum MTW-O zur Besitzstandswahrung Anwendung findet, erfasst ausschließlich vom Waldarbeiter außerhalb der Arbeitszeit zurückgelegte Wege ( - zVv.).
a) Nach § 34 Abs. 1 Unterabs. 1 MTW-O hat der Waldarbeiter für den Weg zur Arbeitsstelle ein Wegegeld erhalten, wenn der von der Mitte des Wohnortes, bei Städten und Großgemeinden von der Mitte des Ortsteiles, bei Streusiedlungen von der Wohnung des Waldarbeiters, zurückzulegende kürzestmögliche zumutbare Fahrweg (einschließlich Fußwege) bzw. Fußweg mehr als sieben Kilometer (Hin- und Rückweg) betragen hat. Den Weg zur Arbeitsstelle legt der Waldarbeiter außerhalb der Arbeitszeit zurück. Nach § 8 Abs. 4 Satz 1 MTW-O beginnt die Arbeitszeit erst an der Arbeitsstelle. Ist der Waldarbeiter an dieser angekommen, legt er keinen Weg zur Arbeitsstelle iSv. § 34 Abs. 1 Unterabs. 1 MTW-O zurück, wenn er nach dem Beginn der Arbeitszeit den Einsatzort wechselt. Die Zahlung von Wegegeld für nach dem Eintreffen an der Arbeitsstelle vom Waldarbeiter mit seinem Kraftfahrzeug während der Arbeitszeit zurückgelegten Wege ist damit nach der tariflichen Regelung ausgeschlossen ( - zVv.).
b) Das bestätigt auch der aus dem Gesamtzusammenhang der Tarifbestimmung folgende Sinn und Zweck der Regelung. Auf welche Weise ein Waldarbeiter den Weg zur Arbeitsstelle zurücklegt, obliegt allein seiner Entscheidung. Deshalb hatten die Tarifvertragsparteien den Anspruch auf Wegegeld im Gegensatz zur Kraftfahrzeugentschädigung auch nicht an eine Zustimmung des Aufsichtsführenden knüpfen können. Auf dem Weg zur Arbeitsstelle vor Beginn der Arbeitszeit untersteht der Waldarbeiter keiner Aufsicht. Der Arbeitgeber kann kraft seines Direktionsrechts (§ 106 Satz 1 GewO) nur die Arbeitsstelle bestimmen, indem er anordnet, an welchem Ort sich der Waldarbeiter zur Arbeitsaufnahme einzufinden hat ( - AP TVG § 1 Tarifverträge: Waldarbeiter Nr. 4, zu 4 der Gründe). Das kann ein Sammelplatz sein, von dem aus die jeweiligen Waldabschnitte angefahren werden, aber auch ein vom Arbeitgeber als Einsatzort des Waldarbeiters festgelegter Abschnitt des Waldes. Bei der Vereinbarung eines Wegegeldes für die Hin- und Rückwege zu den bzw. von den bei Waldarbeitern typisch wechselnden Arbeitsstellen haben die Tarifvertragsparteien einen Aufwand bis zur Grenze von sieben Kilometern ohne finanziellen Ausgleich für zumutbar gehalten. Einen darüber hinaus gehenden Aufwand sollte das tarifliche Wegegeld abgelten.
c) Demgegenüber erfasst die tarifliche Fahrzeugentschädigung nach § 33 Abs. 1 Satz 1 MTW-O ausdrücklich nur innerhalb der Arbeitszeit und damit nach dem Erreichen der Arbeitsstelle vom Waldarbeiter zurückgelegte Wege. Auf welche Weise ein Waldarbeiter bei einem vom Arbeitgeber angeordneten Wechsel des Einsatzortes während der Arbeitszeit zum neuen Einsatzort gelangt, obliegt anders als beim Weg zur Arbeitsstelle nicht der Entscheidung des Waldarbeiters. Der Einsatz seines Kraftfahrzeuges bedarf der Zustimmung des Aufsichtsführenden. Der Arbeitgeber kann für erforderliche Umsetzungsfahrten von einer Abteilung des Waldes zu einer anderen während der Arbeitszeit auch einen Sammeltransport mit betriebseigenen Fahrzeugen organisieren und anordnen. Macht er davon oder anderen Möglichkeiten des Transports keinen Gebrauch, sondern stimmt der Aufsichtsführende dem Einsatz des Kraftfahrzeuges des Waldarbeiters zu, erhält dieser die in § 33 Abs. 1 Satz 2 MTW-O geregelte Fahrzeugentschädigung. Diese war im Gegensatz zum tariflichen Wegegeld nicht an einen zurückgelegten Weg von mindestens sieben Kilometern gebunden und im Anspruchszeitraum um 0,20 DM pro Kilometer höher als das Wegegeld. Daraus wird das von den Tarifvertragsparteien mit der in § 33 Abs. 1 MTW-O getroffenen Regelung verfolgte Ziel deutlich. Hat der Waldarbeiter Aufwendungen für Fahrten mit seinem Kraftfahrzeug, die nicht wie beim Weg zur Arbeitsstelle durch seine allgemeine Lebensführung, sondern durch die Erledigung eines dienstlichen Auftrages verursacht sind, und erspart er dem Arbeitgeber dadurch Transportkosten für Personen und Sachen, die er nach § 33 Abs. 2 Satz 1 MTW-O im Rahmen des Zumutbaren ohne zusätzliche Entschädigung (§ 33 Abs. 2 Satz 2 MTW-O) mitzunehmen hat, soll die Fahrzeugentschädigung seine im Interesse des Arbeitgebers aufgewandten Fahrtkosten abgelten. Dabei ermöglicht das Erfordernis der Zustimmung des Aufsichtsführenden im Interesse des Arbeitgebers einen effektiven Einsatz der Kraftfahrzeuge von Waldarbeitern bei der Erledigung dienstlicher Aufgaben und eine Begrenzung der damit verbundenen Kostenbelastung.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BAAAB-94546
1Für die Amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein