BAG Urteil v. - 6 AZR 512/03

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BAT-O § 29 Buchst. B Abs. 4; BAT-O § 36 Abs. 1; BAT-O § 70; EStG § 64; EStG § 65; BKGG § 3; BKGG § 4

Instanzenzug: ArbG Potsdam 8 Ca 3846/02 vom LAG Brandenburg 3 Sa 95/03 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der kinderbezogene Teil des Ortszuschlags der Vergütung der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum verfallen ist.

Die Klägerin ist bei der Hochschule für Film und Fernsehen des beklagten Landes beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der BAT-O kraft Tarifbindung Anwendung.

Die Klägerin teilte am der Bezügestelle des beklagten Landes mit, ihre Tochter habe am die Schule abgebrochen und sei beim Arbeitsamt als ausbildungswilliges Kind gemeldet. Gleichzeitig bat sie, das Kindergeld ab dem nicht mehr zu zahlen, da das Einkommen ihrer Tochter aus Nebenjobs "schwer zu kontrollieren sei". Dementsprechend wurde die Zahlung des Kindergeldes und des kinderbezogenen Teils des Ortszuschlags mit Ablauf des Dezembers 1999 eingestellt. Bei einer erneuten Prüfung zum Anspruch auf Kindergeld durch die Beklagte durch Übersendung eines Fragebogens unter dem Datum vom teilte die Klägerin am mit, ihre Tochter befinde sich seit September 2000 in einer Berufsausbildung. Den Berufsausbildungsvertrag reichte sie am ein. Mit Bescheid vom wurde ihr Kindergeld rückwirkend ab Januar 2000 gewährt.

Mit Schreiben vom verlangte die Klägerin den kinderbezogenen Teil des Ortszuschlags für den Zeitraum vom bis zum . Darauf hin berief sich das beklagte Land gemäß § 70 BAT-O auf den Verfall der Ansprüche.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, der kinderbezogene Teil des Ortszuschlags sei erst mit der Bewilligung des Kindergeldes durch den Bescheid vom fällig geworden und damit rechtzeitig geltend gemacht.

Die Klägerin hat beantragt

das beklagte Land zu verurteilen, an sie 670,46 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 288 BGB seit dem zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter. Das beklagte Land beantragt die Zurückweisung der Revision.

Gründe

Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat gegen das beklagte Land keinen Anspruch auf den kinderbezogenen Teil ihres Ortszuschlags gemäß § 29 Buchst. B Abs. 4 BAT-O für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum . Der Anspruch ist gemäß § 70 BAT-O verfallen.

1. Nach § 70 BAT-O verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit vom Angestellten und vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden, soweit tarifvertraglich nichts anderes bestimmt ist. Die Vergütungsansprüche der Klägerin für die Monate Januar bis August 2000 waren jeweils am 15. des betreffenden Monats fällig. Gemäß § 36 Abs. 1 BAT-O in der bis zum geltenden Fassung sind die Bezüge für den Kalendermonat zu berechnen und am 15. eines jeden Monats für den laufenden Monat auf ein vom Angestellten eingerichtetes Konto im Inland zu zahlen. Die Bezüge iSd. § 36 BAT-O setzen sich aus der Grundvergütung und dem Ortszuschlag zusammen (§ 26 BAT-O). Dazu zählt auch der kinderbezogene Teil des Ortszuschlags nach § 29 Buchst. B Abs. 4 BAT-O.

2. Einen anderen Fälligkeitstermin gibt diese Tarifvorschrift nicht vor. Nach § 29 Buchst. B Abs. 4 BAT-O erhalten Angestellte der Stufe 1, denen Kindergeld nach dem EStG oder nach dem BKGG zusteht oder ohne Berücksichtigung des § 64 oder § 65 EStG oder des § 3 oder § 4 BKGG zustehen würde, zusätzlich zum Ortszuschlag der Stufe 1 den Unterschiedsbetrag zwischen Stufe 2 und der Stufe, die der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder entspricht. Dafür kommt es weder darauf an, ob ein formeller Verwaltungsakt über die Gewährung von Kindergeld vorliegt noch ob Kindergeld tatsächlich gezahlt wird.

a) Das folgt bereits aus dem Wortlaut der Bestimmung, auf den es für die Tarifauslegung zunächst ankommt (st. Rspr. - AP BAT § 29 Nr. 18, zu A II 2 a der Gründe; - 6 AZR 378/01 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Musiker Nr. 18, zu A IV 1 der Gründe). Danach haben die Tarifvertragsparteien den Anspruch des Angestellten auf den kinderbezogenen Teil des Ortszuschlags nicht daran geknüpft, ob er Kindergeld erhält oder der Anspruch durch Bescheid festgestellt ist, sondern daran, ob ihm ein Anspruch auf Kindergeld nach dem EStG oder dem BKGG zusteht. Mit dieser Wortwahl haben sie deutlich gemacht, dass es für den kinderbezogenen Teil des Ortszuschlags allein auf die Anspruchsberechtigung nach dem EStG oder dem BKGG ankommt, unabhängig davon, ob ein Antrag auf Gewährung von Kindergeld überhaupt gestellt oder über einen solchen Antrag eine Entscheidung ergangen ist.

b) Dieses Auslegungsergebnis wird gestützt durch den tariflichen Zusammenhang. Nach § 29 Buchst. B Abs. 4 zweiter Halbsatz BAT-O besteht ein Anspruch auf den kinderbezogenen Teil des Ortszuschlags auch in den Fällen, in denen der Anspruch auf Zahlung von Kindergeld an den in den §§ 64, 65 EStG oder §§ 3, 4 BKGG geregelten Sachverhalten scheitert, jedoch ansonsten bestehen würde. Damit bleibt nach dem Willen der Tarifvertragsparteien der Anspruch auf den kinderbezogenen Teil des Ortszuschlags auch dann erhalten, wenn aus den in dieser Vorschrift geregelten Sachverhalten kein Kindergeld bewilligt werden kann (vgl. Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann/Dassau BAT Stand September 2004 § 29 Erl. 9).

3. Diesem Auslegungsergebnis steht das Urteil des erkennenden Senats vom (- 6 AZR 321/00 - AP BAT § 29 Nr. 16) nicht entgegen. Danach ist eine Entscheidung der Kindergeldkasse über die materiellen Voraussetzungen des Kindergeldes ohne weiteres auch für den Vergütungsanspruch maßgebend. Das beruht auf der förmlichen Art der Entscheidung, die einen öffentlichen Arbeitgeber daran hindern soll, sich auf das Fehlen der Anspruchsberechtigung zu berufen, obwohl hierüber ein positiver Verwaltungsakt einer öffentlich-rechtlichen Stelle ergangen ist. Das wirkt sich auf die Fälligkeit des darauf bezogenen Vergütungsanspruchs nicht aus. Diese richtet sich allein nach den Grundsätzen des 36 Abs. 1 aF BAT-O.

4. Nach § 70 BAT-O sind "Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis" grundsätzlich alle denkbaren Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen (für tarifliche Ausschlussfristen: - BAGE 37, 344, 347). Insoweit kommt es nur darauf an, ob der betreffende Lebensvorgang eine enge Verknüpfung mit dem Arbeitsverhältnis aufweist. Dies ist vorliegend gegeben. Der gesamte Vergütungsanspruch der Klägerin war jeweils am 15. des betreffenden Monats fällig. Auf die Fälligkeit des Anspruchs kommt es für die ordnungsgemäße Geltendmachung eines Anspruchs an. Sinn und Zweck der Tarifbestimmung des § 70 BAT-O bestätigen dies. Die Ausschlussfrist soll die Parteien des Arbeitsverhältnisses zur alsbaldigen Geltendmachung und Klärung ihrer Ansprüche veranlassen (Scheuring/Lang/ Hoffmann BMT-G Stand September 2004 § 63 Erl. 1; vgl. auch Clemens/Scheuring/ Steingen/Wiese BAT Stand Oktober 2004 § 70 Erl. 1). Ausschlussfristen dienen der Rechtssicherheit ( - AP BAT-O § 70 Nr. 1, zu VI 2 b bb der Gründe). Sie bezwecken, dass sich der Anspruchsgegner auf die aus Sicht des Anspruchsstellers noch offene Forderungen rechtzeitig einstellt. Der öffentliche Arbeitgeber soll zudem in der Lage sein, notwendige Haushaltsmittel so zu veranschlagen, dass Nachforderungen in engen Grenzen gehalten werden können.

5. Nach diesen Grundsätzen hat die Klägerin ihre Ansprüche nicht rechtzeitig geltend gemacht. Der Anspruch der Klägerin für den letzten Monat des streitbefangenen Zeitraums wurde am fällig. Dieser Anspruch ist mit dem verfallen. Sämtliche von der Klägerin in Betracht gezogenen Schreiben datieren später. Ihr Anspruch ist auch bei Annahme einer Geltendmachung im Fragebogen vom verfallen.

6. Entgegen der Revision kann die Klägerin ihren Anspruch nicht auf den Gleichbehandlungsgrundsatz stützen. Trotz einer anderen Regelung für die Beamten des beklagten Landes in Fällen einer verspäteten Beantragung von Kindergeld ist eine Gleichbehandlung nicht geboten. Angestellte im öffentlichen Dienst sind wegen des unterschiedlichen rechtlichen Status nicht mit der Gruppe der Beamten vergleichbar ( - AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 105 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 55; - 6 AZR 633/01 - AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 185 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

Fundstelle(n):
BAAAB-94520

1Für die Amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein