BAG Urteil v. - 2 AZR 21/05

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: KSchG § 1 Abs. 2; KSchG § 9 Abs. 1 Satz 2; BGB § 241 Abs. 2; BGB § 314 Abs. 2; GG Art. 5 Abs. 1; GG Art. 5 Abs. 2

Instanzenzug: ArbG Stuttgart 2 Ca 13023/02 vom vom

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung und einen von der Beklagten hilfsweise gestellten Auflösungsantrag.

Der am geborene, verheiratete und drei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist seit dem bei der Beklagten beschäftigt. Er war zuletzt als Maschinenbediener im Stammwerk tätig. Der Kläger ist Mitglied der IG Metall und gewerkschaftlicher Vertrauensmann im Betrieb. Er ist ferner Mitglied des Solidaritätskreises "Einer für Alle - Alle für Einen".

Am erschien in der Ausgabe Nr. 13 der "Von Kollegen für Kollegen bei P herausgegebenen Zeitung ,Motor", die sich mit den Vorgängen um den Arbeitnehmer R K (im Folgenden: K) befasste, ua. ein Artikel, in dem ausgeführt wird, dass der "Personalchef P (im Folgenden: P) mit der zweiten angekündigten Abmahnung ... für K ... seine Rede auf der Betriebsversammlung selbst als Lüge entlarvt (hat), wonach K nicht wegen seines Beitrags auf der Betriebsversammlung gekündigt werde, sondern wegen seiner Krankheitstage. Die Geschäftsleitung versucht auf kalten Wege einen kritischen Kollegen auszuschalten und gleichzeitig die Belegschaft einzuschüchtern. Politische Angriffe auf Beschäftigte ... und Entlassungsdrohungen gegen aktive Betriebsräte sind offene Angriffe auf die gesamte Belegschaft und müssen von der gesamten Belegschaft zurückgewiesen werden. ... Politische Maulkörbe können wir nicht dulden! Wir brauchen das Recht überall unsere Meinung sagen zu können.

Sofortige Weiterbeschäftigung des Kollegen K und Entschuldigung der Personalabteilung.

Sofortige Rücknahme der Abmahnung des Kollegen H (im Folgenden: H).

Die Vertrauensleuteversammlung hat sich auf eine Unterschriftensammlung zur Solidarität mit K geeinigt, die über die Vertrauenskörperleitung koordiniert wird. Sie ist ein erster wichtiger Schritt für die Durchsetzung unserer demokratischen Rechte im Betrieb."

In einem weiteren Artikel dieser Ausgabe mit der Überschrift "Warum belügt uns P?" ist ua. ausgeführt:

"... Der Kollege ist nicht der Blaumacher oder Drückeberger, als den ihn Herr P mit seinen bewusst verleumderischen und gegen geltendes Recht verstoßenden Äußerungen auf der Betriebsversammlung hinstellen wollte. Das glaubte schon niemand, dass die Kündigung exakt am Tag nach der Betriebsversammlung nichts mit dem Redebeitrag zu tun hatte.

Warum kommt jemand kerngesund zum Arbeiten zu P und ist nach 6 Jahren schwerbehindert? Bei K waren es Arbeitsunfälle, arbeitsbedingte Erkrankungen, Mobbing, Operationen, Kuren und Reha-Maßnahmen. Das wurde von Herrn P bewusst verschwiegen, um Vorbehalte von Kollegen zu schüren.

Wir sprechen darüber hinaus der Geschäftsführung jegliches Recht ab, über die Anzahl von Krankheitstagen zu urteilen! Dafür haben wir doch schließlich Ärzte.

Schon mehr Kollegen sind schließlich zu sog. Krankenrückkehrgesprächen zitiert worden.

Sofortiger Rücktritt des Herrn P für seine bewusst gelogenen und rechtswidrigen Äußerungen auf der Betriebsversammlung!"

Als Verantwortlicher im Sinne des Presserechts ist im "Motor" P. B angegeben.

Die Ausgabe des Motors (Nr. 14) vom enthält unter der Überschrift "Offensiv für politische Rechte und gegen Verschärfung der Arbeitshetze" einen Artikel zu den Vorgängen um den Arbeitnehmer K, in dem ua. ausgeführt ist, dass die "Geschäftsleitung ... weiter an der Ratio-Schraube (dreht) und ihre Erpressungsversuche durchzieht ... und ... die Unruhe gegen die ständige Verschärfung der Ausbeutung (wächst)".

In einem weiteren Artikel unter der Überschrift "Die Lügengeschichten des Herrn P (Teil 2)" wird ua. ausgeführt:

"Wegen eines Redebeitrags auf einer Betriebsversammlung gibt es keine Abmahnung. - Gelogen: Als er bezahlt von der Arbeit frei gestellt wurde, bekommt er (K) gesagt, dass eine Abmahnung ausdrücklich wegen seiner Rede auf der Betriebsversammlung ist.

...

Wohl um seine Lügen doch noch zu retten, sind offenbar Abteilungsleiter und Meister ausgerichtet worden, sich an der Hetzkampagne zu beteiligen. Leider folgen manche diesen Anweisungen. Sie sollten sich überlegen, ob sie es nicht sind, die sich das Vertrauensverhältnis der Belegschaft verspielen, nachdem immer mehr die Wahrheit ans Licht kommt. Auch wenn P nur vom Vorstand vorgeschickt sein sollte, ist er doch für die Belegschaft untragbar. Er muss weg!"

Im Anschluss an einen weiteren Artikel, der Angabe des Termins des nächsten Treffs des Solidaritätskreises und Hinweis auf den Verantwortlichen im Sinne des Presserechts B ist ein Aufruf abgedruckt:

"Für die Rücknahme der Freistellung und Kündigungsandrohung gegen den Kollegen K

Dem Kollegen K wurde ab Montag, das Betreten des Werksgeländes verboten. Sein Werkausweis wurde eingezogen. Er wurde gegen seinen Willen unter Fortzahlung seines Lohnes von der Arbeit freigestellt.

Die Geschäftsleitung begründet ihr Vorgehen mit einem "gestörten Vertrauensverhältnis". Auf der letzten Betriebsversammlung wurde ihm die Kündigung angedroht.

Tatsache ist, dass der Kollege K auf 2 Betriebsversammlungen seine Meinung äußerte.

Wir können diesen Angriff auf das Rederecht auf Betriebsversammlungen nicht hinnehmen! Wir fordern die sofortige Rücknahme der Freistellung und der Kündigungsandrohung! Heute er - morgen wir! Einer für Alle - Alle für Einen!

Name Unterschrift"

In der Ausgabe Nr. 15 des "Motors" vom wird unter der Überschrift "Jetzt offensiv für unsere Rechte kämpfen: Sofortige Weiterbeschäftigung von K"

der Fall K erneut aufgegriffen und ua. ausgeführt:

"...

Wie schon aus den letzten Ausgaben bekannt, lässt P nichts unversucht, um den kritischen Kollegen K loszuwerden. Der wachsende Unmut in der Belegschaft und die klare Forderung nach sofortiger Weiterbeschäftigung auch im Vertrauenskörper führten zu hektischen Aktivitäten der Geschäftsführung. Auf einem kurzfristig anberaumten "Anhörungstermin" zu Beginn der Werksferien bei der Integrationsstelle für Behinderte ... wurde unter deren Mithilfe K regelrecht dazu erpresst, einen Aufhebungsvertrag zu unterschreiben.

...

Der Solidaritätskreis hat sich gebildet, um die Solidarität mit K im und auch über den Betrieb hinaus zu organisieren. Da es sich um einen Angriff stellvertretend auf alle kämpferischen Kollegen handelt, wird er nicht ruhen, bis die schmutzige Vorgehen der Geschäftsleitung überall öffentlich angeprangert wird und die Forderung nach sofortiger Wiedereinstellung erfüllt ist. Er organisiert auch die Unterschriftensammlung, die wir auf der Rückseite noch mal abdrucken ..."

Im Anschluss an den Artikel und den Hinweis auf den presserechtlich Verantwortlichen P. B ist erneut eine Forderungs- und Unterschriftenliste mit folgendem Inhalt abgedruckt:

"Für die Rücknahme der Freistellung und Kündigungsandrohung gegen den Kollegen K

Dem Kollegen K wurde ab Montag, das Betreten des P-Werkgeländes verboten. Sein Werksausweis wurde eingezogen. Er wurde gegen seinen Willen unter Fortzahlung seines Lohnes von der Arbeit freigestellt.

Die Geschäftsleitung begründet ihr Vorgehen mit einem "gestörten Vertrauensverhältnis". Auf der letzten Betriebsversammlung wurde ihm die Kündigung angedroht.

Tatsache ist, dass der K auf 2 Betriebsversammlungen seine Meinung äußerte.

Wir können diesen Angriff auf das Rederecht auf Betriebsversammlungen nicht hinnehmen! Wir fordern die sofortige Rücknahme der Freistellung und der Kündigungsandrohung!

Heute er - morgen wir! Einer für Alle - Alle für Einen!

Name: Anschrift: Unterschrift:"

Dieser Aufruf endet mit der Angabe des Namens, der Anschrift und der E-Mail-Adresse des Klägers als Kontaktadresse für den Solidaritätskreis K.

Am erschien in der "Rote(n) Fahne", Wochenzeitung der MLPD, ua. ein Artikel mit dem Titel "Von P in die Zange genommen". Darin wird über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses von K sowie über die Forderung des Solidaritätskreises berichtet. Der Bericht endet mit dem Namen D J.

Unter dem Bericht ist in einem grau unterlegten Feld angegeben:

"Protest- und Solidaritätserklärung an:

P

Fax:

Kopien bitte an: Solidaritätskreis, c/o X Name des Klägers, Anschrift und E-Mail-Adresse des Klägers sowie an die "Rote Fahne".

Am erschien das "Solidaritätskreis-Info" Nr. 1 des "Solidaritätskreises Einer für Alle - Alle für Einen". In dem Informationsblatt ist ua. ausgeführt, dass der Solidaritätskreis

"den Kampf von K ... gegen die politische Maßregelung durch die P-Geschäftsleitung zu seiner Sache (mache).

...

Der Solidaritätskreis wendet sich an die breite Öffentlichkeit in der Gewissheit, dass die Kollegen breite Unterstützung erfahren. Politische Maßregelung im Zusammenhang mit der Tarifrunde - damit sollen kämpferische Kollegen mundtot gemacht werden. Jagd auf Kranke, Einschüchterung und Verweigerung des demokratischen Rechts auf freie Meinungsäußerung - das sind weitverbreitete Methoden der Herrschenden. Im Betrieb werden Gerüchte verbreitet. Das spaltet die Arbeitereinheit. Anlass genug, selbst aktiv zu werden. Gemeinsam sind wir stark".

Nach einem Artikel zum Thema "Abmahnung, weil man die Wahrheit sagt" und einer Erklärung von K "Weshalb ich um meine Beschäftigung kämpfe" enthält das Info-Blatt den Aufruf:

"Keine Maßregelungen von den P-Kollegen K und H in Zusammenhang mit der Tarifrunde 2002

Die kämpferische Tarifrunde hat K ermutigt, seinen Fall, Druck auf Kranke und Schwerbehinderte nicht länger als persönliches Schicksal anzusehen, sondern öffentlich und zur Sache der gesamten Belegschaft zu machen. In Verbindung damit hat er sich auf der Betriebsversammlung in der Tarifrunde für einen richtigen Streik ausgesprochen. Nach dieser Versammlung wurde ihm die Kündigung angedroht.

Als er sich bei einem Besuch an Angela Merkel wandte, wurde er am nächsten Tag bezahlt beurlaubt, erhielt Hausverbot und die fristlose Kündigung wurde beim Landeswohlfahrtsverband Integrationsamt beantragt. Dort unterschrieb er unter massivem Druck einen Aufhebungsvertrag. Die Unterschrift widerrief er innerhalb von 2 Stunden. Zur Annullierung der Vereinbarung sind juristische Schritte in die Wege geleitet.

H wurde abgemahnt, weil er das Einkommen der Arbeiter und Angestellten den Bezügen des Vorstandsvorsitzenden gegenüberstellte und damit die Wahrheit verbreitete.

Wir organisieren eine Arbeit gegen die politischen Maßregelungen von K und H. Die Gewerkschaften zu Kampforganisationen zu machen, wie in der Tarifrunde, muss sich weiter durchsetzen. In der Wirtschaftskrise hatten sich die Arbeiter gegen Schröders-Forderung, vor der Bundestagswahl Ruhe zu bewahren, entschieden. Die Richtung wird angegriffen.

An dieser Sache richten wir uns an die Arbeiter und die breite Bevölkerung.

- Wir greifen die verschärfte Ausbeutung an und weisen die Angriffe auf die politische und gewerkschaftliche Rechte zurück

- Wir lehnen die menschenverachtende Jagd auf Kranke ab

- Wir setzen uns ein für das Recht auf freie politische und gewerkschaftliche Betätigung im Betrieb und die Rücknahme der politischen Maßregelung nach der Tarifrunde

- Für die Weiterbeschäftigung von K

Für die Rücknahme der Abmahnung von H

Name: Adresse: Unterschrift:

Kontaktadresse: Name, Adresse und E-Mail-Anschrift des Klägers".

Am fand ein Personalgespräch mit dem Personalleiter P, Herrn Dr. I (Referat Grundsatz und Arbeitsrecht), dem Betriebsratsmitglied A und dem Kläger statt. Dem Kläger wurden die genannten Artikel vorgehalten. Ihm wurde erläutert, es bestehe der Verdacht, dass er sich maßgeblich an der Kampagne gegen die Beklagte beteiligt habe. Der Kläger erklärte, er kenne zwar Frau J, er könne sich aber nicht erklären, wie sein Name, seine Adresse nebst Faxnummer in die Zeitung "Rote Fahne" geraten sei. Mit Schreiben vom wandte sich der Kläger an die Redaktion der "Roten Fahne" und verwahrte sich gegen die Nennung seines Namens sowie seiner Anschrift als Kontaktadresse für den Solidaritätskreis. Mit Schreiben vom bestätigte ihm die Redaktionsleitung der "Rote(n) Fahne", seinen Namen und seine Anschrift als Kontaktadresse ohne sein Wissen und ohne seine Kenntnis veröffentlicht zu haben. Man werde seinen Wunsch respektieren und künftig von einer Veröffentlichung seines Namens und seiner Anschrift absehen.

Am berichtete die Betriebszeitung "Für die Kollegen der D-Werksteile - "Stoßstange" über die Vorgänge bei der Beklagten im Zusammenhang mit K. In dem Artikel ist ua. am Ende angegeben, Kopien seien an den "Solidaritätskreis c/o U S" zu richten.

Am fand in gleicher Besetzung ein weiteres Personalgespräch bei der Beklagten statt. Dem Kläger wurde seine Beteiligung an der Entstehung des "Solidaritätskreis-Infos" und der "Stoßstange" vorgehalten. Er räumte ein, sich an der Diskussion über den Inhalt des Aufrufs des Informationsblattes beteiligt zu haben.

Mit Schreiben vom informierte die Beklagte den Betriebsrat über die beabsichtigte Kündigung des Klägers. Der Betriebsrat widersprach mit Schreiben vom dem Kündigungsbegehren.

Mit Schreiben vom , dem Kläger am zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum .

Mit seiner Kündigungsschutzklage hat sich der Kläger gegen die Kündigung gewandt und seine Weiterbeschäftigung begehrt.

Vor dem arbeitsgerichtlichen Gütetermin erschien die Ausgabe Nr. 17 des "Motor", die sich ua. mit der Kündigung des Klägers auseinander setzte. In einer weiteren Ausgabe des "Motor" (Nr. 19) vom wird auf den Kammertermin vor dem Arbeitsgericht hingewiesen und ua. ausgeführt:

"Wie er (der Vorstandsvorsitzende W) sich das praktisch vorstellt, zeigt der Skandal der politischen Entlassung des Vertrauensmannes U S. Weil er die Solidarität des gemaßregelten Kollegen K unterstützte, soll ihm und damit seiner Familie - gegen den ausdrücklichen Willen von Betriebsrat und Vertrauenskörper - die Zukunft entzogen werden. Wenn es nach der Geschäftsleitung geht, ist kommender Montag der letzte Arbeitstag. Dieses Vorgehen steht in einer Reihe mit Angriffen und Diffamierungen gegen die kämpferische Gewerkschaftsorganisation insgesamt, wie sie in den letzten Monaten Mode geworden ist. Doch auch hier gilt: Wer einen von uns angreift, greift uns alle an. In diesem Sinn muss das gewerkschaftliche Recht der Solidarität durchgesetzt werden und die Weiterbeschäftigung des Vertrauensmannes U S."

Der Kläger hat zur Begründung seines Klageantrags ausgeführt: Es liege kein verhaltensbedingter Kündigungsgrund vor. Er habe seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht verletzt. Er habe die Texte im "Motor", der "Stoßstange" oder in der "Rote(n) Fah-ne" weder verfasst noch verbreitet. Er habe bis Oktober 2002 lediglich als "Sammelstelle" für die Unterschriften des Solidaritätskreises zur Verfügung gestanden. Wie die Verantwortlichen von "Motor" bzw. der "Rote(n) Fahne" seinen Namen und seine Anschrift erhalten hätten, wisse er nicht. Seine Beteiligung am Solidaritätskreis könne jedenfalls die Kündigung nicht rechtfertigen. Im Übrigen seien die ihm zugeschriebenen Äußerungen noch vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom nicht aufgelöst worden ist,

2. die Beklagte zu verurteilen, ihn arbeitsvertragsgemäß bis zur rechtskräftigen Entscheidung im vorliegenden Verfahren wie bisher weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt

die Klage abzuweisen,

hilfsweise

das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Abfindung aufzulösen.

Sie hat vorgetragen: Die Kündigung sei aus verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt. Der Kläger habe seine arbeitsvertraglichen Pflichten schwer verletzt. Insbesondere durch die verbalen Entgleisungen im "Motor", in der "Stoßstange" und in der "Rote(n) Fahne" seien die Beklagte und die Vorgesetzten des Klägers, insbesondere Herr P, schwer beleidigt worden. Herr P sei mit dem Hinweis auf dessen angebliche "Lügengeschichten" bewusst verleumdet und einer organisierten Hetzkampagne ausgesetzt worden. Aus der Gesamtschau aller Veröffentlichungen ergebe sich, dass der Kläger nicht nur an der Entstehung des Informationsblattes des Solidaritätskreises maßgeblich beteiligt gewesen sei, sondern auch an den anderen Artikeln mitgewirkt habe. Insbesondere die Solidaritätsaufrufe ließen sich von den redaktionellen Beiträgen mit dem beleidigenden Inhalt nicht trennen. Es sei lebensfremd anzunehmen, die Artikel und der Solidaritätsaufruf hätten nichts miteinander zu tun. Sie seien deshalb vom Kläger mitzuverantworten. Der Kläger habe zunächst auch nichts gegen die Verwendung seines Namens unternommen. Seine Einlassung zu der ihm unbekannten Namensverwendung sei nicht glaubhaft. Vor Ausspruch der Kündigung habe es keiner Abmahnung bedurft, weil für den Kläger ohne weiteres erkennbar gewesen sei, dass durch die Veröffentlichungen das Persönlichkeitsrecht anderer erheblich beeinträchtigt, die Beklagte erheblich in Misskredit gebracht und Unruhe in der Belegschaft gestiftet werde. Jedenfalls bestehe der hinreichende Tatverdacht, dass sich der Kläger an der systematischen Verleumdungskampagne beteiligt habe. Das Arbeitsverhältnis sei zumindest gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen. Durch sein Tun sei die Vertrauensgrundlage für seine Weiterbeschäftigung unwiederbringlich zerstört worden. Der Kläger habe die Vorwürfe gegen die Beklagte nach der Kündigung aufrechterhalten und im "Motor" sogar erneuert.

Der Kläger hat beantragt,

den hilfsweisen Auflösungsantrag zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, es liege kein Auflösungsgrund vor. In den von ihm verteilten Ausgaben des "Motor" (Nr. 17 und 19) sei nur über seinen eigenen Prozess berichtet worden. Damit habe er nur seine berechtigten Interessen verfolgt.

Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage und dem Weiterbeschäftigungsantrag stattgegeben. Den Auflösungsantrag hat es abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.

Gründe

Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Kündigung vom sozial ungerechtfertigt ist, weil sie nicht durch Gründe im Verhalten des Klägers iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist. Es liegt auch kein Grund zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses vor (§ 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG).

A. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner der Klage stattgebenden Entscheidung ausgeführt, die ordentliche Kündigung sei weder als Tat- noch als Verdachtskündigung sozial gerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG. Der Inhalt der "Rote(n) Fahne", der "Stoßstange" und der verschiedenen Ausgaben des "Motor" seien dem Kläger nicht zuzurechnen. Er habe die Artikel weder geschrieben noch sei er presserechtlich für sie verantwortlich. Aus der Angabe seines Namens und seiner Adresse bzw. seiner E-Mail-Anschrift als Kontaktadresse für die Solidaritätsbekundungen könne nicht geschlossen werden, er habe den gesamten Inhalt der entsprechenden Veröffentlichungen gekannt und inhaltlich gebilligt und dadurch seine Pflichten verletzt. Etwas anderes folge hingegen aus dem Solidaritätskreis-Info vom . Zwar enthalte diese Veröffentlichung keine Persönlichkeitsverletzungen. Soweit dort von einer "Jagd auf Kranke, Einschüchterung und Verweigerung des demokratischen Rechts auf freie Meinungsäußerung" die Rede sei, handele es sich lediglich um eine allgemein wertende Analyse von Herrschaftsmethoden, was Teil der grundgesetzlich geschützten Meinungs- und Gedankenfreiheit sei. Allerdings richte sich der Inhalt dieses Infoblattes tendenziell gegen die Beklagte, indem dort die Fälle der Mitarbeiter K und H dargestellt würden und zur Solidarität aufgerufen werde, ohne den tatsächlichen Hintergrund beider Fälle im Detail objektiv aufzuarbeiten und damit dem Leser eine eigene Meinungsbildung zu ermöglichen. Daraus ergebe sich ein "illoyales" Verhalten gegenüber dem Arbeitgeber, das sich mit dem anschließenden Aufruf "Keine Maßregelung von den P-Kollegen K und H im Zusammenhang mit der Tarifrunde 2002" fortsetze. Dabei würden Tatsachen, die offensichtlich nicht der Wahrheit entsprächen, verbreitet, um das Ansehen der Beklagten und ihrer Repräsentanten herabzusetzen. Wenn der Text auch zunächst nur polemisierend und überspitzt die Fälle K und H schildere, überschritten die sich an die breite Bevölkerung richtenden Aufrufe - "Wir greifen die verschärfte Ausbeutung an und weisen die Angriffe auf die politischen und gewerkschaftlichen Rechte zurück" - den Schutzbereich des Grundrechts auf freie politische Meinungsäußerung des Art. 5 Abs. 1 GG. Diese Aussagen über Praktiken der Beklagten im Betrieb seien ehrabschneidend und verließen die Grenzen gerechtfertigter objektiver Kritik. Damit werde der soziale Achtungsanspruch der Beklagten und ihrer Repräsentanten eindeutig verletzt. Der Kläger verstoße deshalb gegen seine Loyalitäts- und Rücksichtsnahmepflichten gegenüber der Beklagten, wenn er in Kenntnis des Inhalts des Aufrufs seinen Namen und seine Anschrift als Kontaktadresse zur Verfügung stelle. Dennoch sei die Kündigung nicht sozial gerechtfertigt. Die Beklagte hätte den Kläger zunächst abmahnen müssen. Dies folge vor allem aus § 314 Abs. 2 BGB, der auch für die soziale Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung gelte. Eine Abmahnung sei vorliegend nicht entbehrlich gewesen (§ 314 Abs. 2 Nr. 2, § 323 Abs. 2 BGB). Das für die Vertragserfüllung erforderliche Vertrauensverhältnis sei noch nicht so nachhaltig erschüttert gewesen, dass eine Wiederherstellung nicht mehr in Betracht gekommen wäre. Der Kläger habe vielmehr den Eindruck vermittelt, sein Verhalten im Betrieb zu ändern. Da die nachgewiesene Pflichtwidrigkeit sich aber am Rande der Bagatellität bewegt und im Betrieb keine nachhaltigen Wirkungen gezeigt habe und auch die Repräsentanten der Beklagten weder in ihrer persönlichen Ehre verletzt worden seien noch das dem Kläger zur Last gelegte Verhalten sich bei der Erbringung seiner Arbeitsleistung nachteilig ausgewirkt habe, sei auch nach Auffassung des Gerichts eine zukünftige gedeihliche Zusammenarbeit noch zu erwarten gewesen. Andere betriebliche Auswirkungen habe die Beklagte nicht substanziiert dargelegt.

Die Kündigung sei auch nicht nach den Grundsätzen einer Verdachtskündigung sozial gerechtfertigt. Konkrete Anhaltspunkte, der Kläger habe die entsprechenden Informationen für die zahlreichen Artikel in den verschiedenen Veröffentlichungen geliefert, lägen nicht vor. Die bloße Angabe seines Namens in den Veröffentlichungen könnten einen solchen Verdacht nicht begründen.

Der zulässige Auflösungsantrag der Beklagten sei unbegründet. Der die Kündigung nicht rechtfertigende Sachverhalt stehe einer weiteren gedeihlichen Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht entgegen. Zum einen sei eine mögliche Persönlichkeitsverletzung und Rufschädigung der Beklagten und ihrer Repräsentanten nicht besonders schwerwiegend und nachhaltig. Zum anderen sei der Anlass für den Kündigungsausspruch - die Solidaritätsbekundungen für den bei der Beklagten ausgeschiedenen Arbeitnehmer K - mittlerweile bedeutungslos geworden. Dessen Feststellungs- und Weiterbeschäftigungsklage sei rechtskräftig abgewiesen worden. Mit ähnlichen Solidaritätsaktionen sei deshalb in Zukunft nicht mehr zu rechnen. Zudem sei der Kläger auch ab August 2003 bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht politisch nicht mehr in Erscheinung getreten und habe im Betrieb auch nicht gegen die Beklagte agitiert. Das von ihm verteilte Flugblatt vom stehe im nahen zeitlichen Zusammenhang mit der Kündigung seines Arbeitsverhältnisses und könne ihm deshalb nicht angelastet werden. Mit der Mobilisierung der Öffentlichkeit für seinen Fall habe er ein legitimes Eigeninteresse verfolgt. Dieses Flugblatt enthalte keine Ehrverletzungen oder Aufrufe zu strafbarem Verhalten. Dass der Kläger weiter Mitglied des Solidaritätskreises "Einer für Alle - Alle für Einen" geblieben sei, spiele für den Auflösungsantrag keine Rolle, auch wenn dessen Mitglieder offensichtlich eine klassenkämpferische und eher negative Einstellung gegenüber Kapitalgesellschaften zu pflegen schienen.

B. Dem folgt der Senat im Ergebnis und in wesentlichen Teilen der Begründung.

I. Bei der Frage der Sozialwidrigkeit einer Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden kann, ob das Landesarbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatsachengericht ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist (st. Rspr. des Senats, beispw. - 2 AZR 472/01 - BAGE 103, 111; - 2 AZR 63/03 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 49 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 65).

II. Unter Zugrundelegung dieses eingeschränkten Überprüfungsmaßstabs hält die angefochtene Entscheidung einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund iSv. § 1 Abs. 2 KSchG liegt nach den tatsächlichen und von der Revision nicht mit Revisionsrügen angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht vor.

Dabei kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob das Landesarbeitsgericht bei seiner Prüfung der Arbeitsvertragspflichtverletzung den Rechtsbegriff des verhaltensbedingten Kündigungsgrundes zutreffend bestimmt hat. Das Landesarbeitsgericht hat jedenfalls zu Recht angenommen, dass die verhaltensbedingte Kündigung im Streitfall schon deshalb sozial ungerechtfertigt ist, weil die Beklagte - selbst bei Annahme einer arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung - den Kläger zunächst hätte abmahnen müssen.

1. Eine Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers iSv. § 1 Abs. 2 KSchG ist sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer mit dem ihm vorgeworfenen Verhalten eine Vertragspflicht - schuldhaft - verletzt, das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit einer anderen Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint (Senat - 2 AZR 30/81 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 5 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 10; - 2 AZR 287/92 - RzK I 5 i Nr. 81; - 2 AZR 62/02 - EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59; - 2 AZR 63/03 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 49 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 63). Dabei spielt vor allem die Qualität der Vertragsverletzung eine erhebliche Rolle (Stahlhacke/Preis/Vossen Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 9. Aufl. Rn. 626). Als verletzte Vertragspflicht kommt im Arbeitsverhältnis, wie in jedem Schuldverhältnis, auch eine Verletzung der Rücksichtnahmepflicht in Betracht. Die Vertragspartner sind zur Rücksichtnahme und zum Schutz bzw. zur Förderung des Vertragszwecks verpflichtet (siehe jetzt § 241 Abs. 2 BGB; zusammenfassend: Stahlhacke/Preis/Vossen aaO Rn. 661; - aaO).

a) Das Landesarbeitsgericht hat zunächst zu Recht angenommen, der Kläger habe im Hinblick auf die veröffentlichten Artikel und Beiträge in der "Rote(n) Fahne" vom , im "Motor" vom 18. Juli, 22. Juli und sowie in der "Stoßstange" vom seine vertragliche Rücksichtnahmepflicht nicht verletzt. Es stehe weder fest, dass er die Artikel geschrieben oder sie veranlasst habe, noch zeichne er für sie verantwortlich oder habe sich durch den Verkauf oder das Verteilen der Zeitschriften und Flugblätter den Inhalt dieser Veröffentlichungen zueigen gemacht. Die Beklagte hat dagegen keine Revisionsrügen erhoben und im Übrigen auch nicht schlüssig dargelegt, dass diese Artikel dem Kläger anzulasten sind. Es kann dahingestellt bleiben, ob und in welchem Umfang diese Artikel einen beleidigenden Inhalt - insbesondere bezüglich des Personalleiters P - haben und nicht mehr vom Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt sind.

b) Entgegen der Auffassung der Revision lässt sich auch aus dem Umstand, dass in der "Rote(n) Fahne" vom , in der "Stoßstange" vom und im "Motor" vom im Zusammenhang mit den Aufrufen zur Solidarität und zur Unterschriftsleistung der Name und die Anschrift des Klägers aufgeführt ist, nicht auf eine Pflichtverletzung des Klägers schließen.

aa) Die darlegungspflichtige Beklagte konnte schon nicht den Einwand des Klägers widerlegen, er wisse nicht, wie sein Name und seine Adresse unter diese Veröffentlichungen komme. Dies gilt insbesondere für die "Rote Fahne" vom .

bb) Das Landesarbeitsgericht hat weiter zutreffend ausgeführt, aus der Angabe des Namens und der Anschrift des Klägers in den genannten Veröffentlichungen könne nicht der Schluss gezogen werden, der Kläger habe sich damit den gesamten Inhalt der Veröffentlichungen zueigen machen wollen und sie gebilligt. Hiergegen hat die Beklagte keine relevanten Revisionsangriffe erhoben. Ihr bloßer Hinweis auf die "Lebenserfahrung", nur in Kenntnis und bei Billigung des Inhalts der redaktionellen Artikel gebe ein Betroffener seinen Namen und seine Anschrift für eine Solidaritäts- und Unterschriftsaktion her, reicht zur Begründung des von ihr postulierten Ergebnisses nicht aus. Es spricht insoweit keine Vermutung oder gar Lebenserfahrung dafür, dass ein Arbeitnehmer, dessen Name im Zusammenhang mit einer Veröffentlichung erwähnt wird, diese Stellungnahmen bzw. Veröffentlichungen veranlasst oder auch nur gebilligt hat (siehe auch - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 18 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 20). Es sind vielfältige Erklärungen und Umstände denkbar, warum ein Name mit einem bestimmten Artikel in Verbindung gebracht werden kann.

cc) Der weitere Einwand der Revision, es sei zu formal, den Solidaritätsaufruf von den vorausstehenden Artikeln abzukoppeln und ihn damit zu verharmlosen, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Eine Äußerung, die ggf. eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung darstellt, muss - auch in Anbetracht des Art. 5 Abs. 1 GG - nicht nur vom Wortlaut betrachtet, sondern in den Kontext gestellt werden, in dem sie steht (vgl. - ua. BVerfGE 93, 266; Senat - 2 AZR 584/04 -). Einer Äußerung darf kein Sinn beigelegt werden, den sie nicht besitzt. Die Aufrufe zur Solidarität einerseits und die redaktionellen Beiträge andererseits sind nicht nur optisch - durch einen dicken Strich - getrennt. Sie werden auch durch die Namenszusätze (bspw. Verantwortlicher im Sinne des Presserechts) unterschieden, so dass sie sich auch für einen unbefangenen Leser durchaus nicht zwingend als Einheit darstellen und auf eine einheitliche Urheberschaft schließen lassen.

c) Es begegnet schließlich Bedenken, allein in der Veröffentlichung des "Solidaritätskreis-Info(s) Nr. 1" vom ein "illoyales Verhalten" des Klägers zu sehen und daraus folgend eine Vertragspflichtverletzung anzunehmen.

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats können grobe Beleidigungen des Arbeitgebers und seiner Vertreter oder Repräsentanten einerseits oder von Arbeitskollegen andererseits, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den bzw. die Betroffenen bedeuten, einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine vertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) darstellen und eine Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen gemäß § 1 Abs. 2 KSchG an sich sozial rechtfertigen ( - 2 AZR 63/03 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 49 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 65; - 2 AZR 418/01 - EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 1; - 2 AZR 927/98 -; KR-Fischermeier 7. Aufl. § 626 BGB Rn. 117).

bb) Bei der Konkretisierung der vertraglichen Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) und ihrer möglichen Verletzung sind jedoch die grundrechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere das Grundrecht auf Meinungsfreiheit, zu beachten ( - aaO und - 2 AZR 584/04 -).

Dabei besteht der Grundrechtsschutz unabhängig davon, ob eine Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos ist, ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten wird ( - AP BGB § 611 Abmahnung Nr. 24 = EzA BGB § 611 Abmahnung Nr. 40). Der Grundrechtsschutz bezieht sich sowohl auf den Inhalt als auch auf die Form der Äußerung. Auch eine polemische oder verletzende Formulierung entzieht einer Äußerung noch nicht den Schutz der Meinungsfreiheit ( - BVerfGE 92, 266; - 1 BvR 1685/92 - aaO).

cc) Hiervon ausgehend unterfallen die Äußerungen in der Veröffentlichung des Solidaritätskreis-Infos ohne Zweifel - was auch das Berufungsgericht angenommen hat - dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, auch wenn sie zum Teil polemisch und überspitzt formuliert sind.

Allerdings wird das Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG nicht schrankenlos gewährt, sondern durch die allgemeinen Gesetze und das Recht der persönlichen Ehre (Art. 5 Abs. 2 GG) beschränkt. Deshalb muss es in ein ausgeglichenes Verhältnis mit diesen gebracht werden ( - ua. aaO; - 1 BvR 1531/96 - BVerfGE 99, 185; zuletzt - aaO). Die Verfassung gibt das Ergebnis einer solchen Abwägung nicht vor. Dies gilt insbesondere, wenn auch auf Seiten des Arbeitgebers verfassungsrechtlich geschützte Positionen in Betracht kommen. Dazu gehören nicht nur die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) und das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG). Durch Art. 12 GG wird auch die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit des Arbeitgebers, die insbesondere durch eine Störung des Arbeitsablaufs und des Betriebsfriedens berührt werden kann, geschützt ( - BVerfGE 93, 352). Auch gehört die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme auf die Interessen der anderen Vertragspartei (§ 241 Abs. 2 BGB) zu den allgemeinen Gesetzen (Art. 5 Abs. 2 GG). Zwischen der Meinungsfreiheit und dem beschränkenden Gesetz findet eine Wechselwirkung statt. Insbesondere die Regelung des § 241 BGB muss ihrerseits der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts in einem freiheitlich-demokratischen Staat Rechnung tragen. Dem besonderen Wertgehalt des Art. 5 Abs. 1 GG, der ebenfalls eine Ausprägung der Menschenwürde und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellt und für eine grundsätzliche Freiheit der Meinungsäußerung streitet, muss die gebührende Beachtung geschenkt werden. Die diesem Grundrecht schrankensetzenden Regelungen und gegenläufigen verfassungsrechtlich geschützten Positionen müssen deshalb ihrerseits aus der Erkenntnis der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit ausgelegt und so in ihrer dieses Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden (so schon - BVerfGE 7, 198, seither st. Rspr., bspw. - 1 BvR 71/73 - BVerfGE 42, 133; - 1 BvR 1762/95 - BVerfGE 102, 347).

Dementsprechend ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine Abwägung zwischen den Belangen der Meinungsfreiheit und den Rechtsgütern, in deren Interesse das Grundrecht der Meinungsfreiheit eingeschränkt werden soll, vorzunehmen. Dabei wird das Grundrecht der Meinungsfreiheit regelmäßig zurücktreten müssen, wenn sich die Äußerung als Angriff auf die Menschenwürde oder als Formalbeleidigung oder als eine Schmähung darstellt (KR-Fischermeier 7. Aufl. § 626 BGB Rn. 117; KDZ-Däubler KSchR 6. Aufl. Art. 5 GG Rn. 5 ff.; APS-Dörner 2. Aufl. § 626 BGB Rn. 220 f.; Stahlhacke/Preis/Vossen Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 9. Aufl. Rn. 272 ff., 705 ff.).

dd) Ob unter Berücksichtigung dieses Maßstabs die Beurteilung des Landesarbeitsgerichts zutreffend erscheint, ist zweifelhaft, da nicht alle relevanten Aspekte zur Konkretisierung der Vertragspflicht und ihrer Verletzung ausreichend berücksichtigt worden sind.

Die unsachlichen Äußerungen im "Solidaritäts-Info" enthalten weder eine Formalbeleidigung noch stellen sie eine Schmähung oder einen Angriff auf die Menschenwürde eines der Repräsentanten der Beklagten dar. Die polemischen Äußerungen und überspitzten Kritiken an dem Unternehmen der Beklagten haben keinen konkreten Bezug zu Personen oder Repräsentanten der Beklagten. Eine allgemeine Kritik an den allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen einerseits und am Arbeitgeber und den betrieblichen Verhältnissen andererseits ist, auch wenn sie - etwa in Betriebsversammlungen - überspitzt und polemisch ausfällt, noch vom Grundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt und kann deshalb nicht die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht verletzen. Dies gilt umso mehr, wenn die Meinungsäußerung im Rahmen einer öffentlichen Auseinandersetzung erfolgt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts soll dann grundsätzlich eine Vermutung zu Gunsten der Freiheit der Äußerung sprechen ( - 1 BvR 1555/88 -BVerfGE 85, 1; - 1 BvR 1423/92 - NJW 1994, 2943; - 1 BvR 590/96 - NJW 1999, 22, 62; - AP KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 49 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 65).

2. Ob unter Berücksichtigung der vorstehenden Aspekte der Kläger seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag schuldhaft verletzt hat, konnte aber dahingestellt bleiben. Die Kündigung ist, wie das Landesarbeitsgericht zu Recht erkannt hat, schon deshalb unwirksam ist, weil die Beklagte den Kläger zunächst hätte abmahnen müssen.

a) Für eine verhaltensbedingte Kündigung gilt das sog. Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht Sanktion für eine Vertragspflichtverletzung, sondern eine Vermeidung von weiteren Vertragspflichtverletzungen. Die eingetretene Pflichtverletzung muss sich auch für die Zukunft noch belastend auswirken ( - AP BGB § 626 Nr. 130 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 50; ErfK/Ascheid 6. Aufl. § 1 KSchG Rn. 296). Eine negative Prognose liegt vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag auch nach Androhung einer Kündigung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen (ErfK/Ascheid aaO § 1 KSchG Rn. 297). Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus. Sie dient der Objektivierung der negativen Prognose (Staudinger/Preis § 626 BGB Rn. 103). Liegt eine ordnungsgemäße Abmahnung vor und verletzt der Arbeitnehmer erneut seine arbeitsvertraglichen Pflichten, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen (ErfK/Ascheid aaO § 1 KSchG Rn. 300; Staudinger/Preis § 626 BGB Rn. 106). Die Abmahnung ist insoweit notwendiger Bestandteil des Prognoseprinzips. Sie ist zugleich aber auch Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsprinzips (Staudinger/Preis § 626 BGB Rn. 105; Schlachter NZA 2005, 433, 435). Nach § 1 Abs. 2 KSchG muss die Kündigung durch das Verhalten des Arbeitnehmers bedingt sein. Eine Kündigung ist hiernach nicht gerechtfertigt, wenn es andere geeignete mildere Mittel gibt, um eine Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Dieser Aspekt hat durch die Regelung des § 314 Abs. 2 BGB eine gesetzgeberische Bestätigung erfahren (Staudinger/Preis § 626 BGB Rn. 105; Stahlhacke/Preis/Vossen Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 9. Aufl. Rn. 1172; Gotthardt Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform Rn. 204 ff.; Kleinebrink FA 2002, 226 ff.; Schlachter NZA 2005, 433, 437). Nach dieser Norm ist bei einer Vertragspflichtverletzung eine Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach einer erfolglosen Abmahnung zulässig.

Eine vorherige Abmahnung ist unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ausnahmsweise entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartet werden kann ( - AP BPersVG § 108 Nr. 3 = EzA BGB § 611 Abmahnung Nr. 31) oder es sich um eine solch schwere Pflichtverletzung handelt, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und bei der eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen werden kann ( - BAGE 91, 30; - 2 AZR 676/98 - AP BBiG § 15 Nr. 11 = EzA BBiG § 15 Nr. 13; siehe auch Gotthardt aaO Rn. 207; Staudinger/Preis § 626 BGB Rn. 118).

b) Bei Anwendung dieses Maßstabs ist kein revisionsrechtlich relevanter Fehler erkennbar, wenn das Landesarbeitsgericht die Kündigung wegen fehlender Abmahnung als unwirksam angesehen hat.

aa) Ein möglicher einmaliger Pflichtenverstoß des Klägers im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Solidaritätskreis-Infos rechtfertigt noch keine negative Prognose, der Kläger werde auch zukünftig seine vertragliche Rücksichtsnahmepflicht nicht beachten. Dies gilt umso mehr, als das Landesarbeitsgericht festgestellt hat, der Kläger könne nach den Personalgesprächen nicht mehr mit solchen Veröffentlichungen in Zusammenhang gebracht werden.

bb) Die mögliche Pflichtverletzung des Klägers ist - was das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat - nicht so schwer, dass dem Kläger die Rechtswidrigkeit seines Tuns ohne weiteres erkennbar gewesen wäre und es schon deshalb keiner Abmahnung bedurfte. Dies gilt umso mehr, als auch die Grenzen der vertraglichen Rücksichtnahmepflicht unter Berücksichtigung des grundrechtlichen Rahmens nicht ohne weiteres auf der Hand liegen, sondern das Ergebnis einer umfassenden Abwägung sind.

3. Die Kündigung ist auch nicht als Verdachtskündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt. Es liegt kein dringender Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung vor.

Die Beklagte hat schon keinen hinreichenden, auf objektive Umstände gegründeten dringenden Tatverdacht vorgetragen und ihre zumutbaren Aufklärungsbemühungen ausreichend dargelegt (zu den Anforderungen siehe ua. - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 27 = EzA BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7; - 2 AZR 923/98 - BAGE 92, 184; - 2 AZR 743/98 - BAGE 93, 1). Zu den notwendigen Aufklärungsbemühungen liegt - mit Ausnahme des Hinweises auf die beiden Personalgespräche - kein Sachvortrag vor (zB Erkundigungen bei den presserechtlichen Verantwortlichen etc.). Bloße Mutmaßungen reichen zur Begründung eines dringenden Tatverdachts nicht aus.

III. Der hilfsweise gestellte Auflösungsantrag ist unbegründet.

1. Stellt das Gericht in einem Kündigungsrechtsstreit fest, das Arbeitsverhältnis sei nicht durch die Kündigung aufgelöst worden, hat es nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung aufzulösen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen.

Auch insoweit geht es um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs. Die Wertung, ob im Einzelfall die Auflösung gerechtfertigt ist, obliegt deshalb in erster Linie dem Tatsachengericht. Das Revisionsgericht kann nur nachprüfen, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen für den Auflösungsantrag verkannt und bei der Prüfung der vorgetragenen Auflösungsgründe alle wesentlichen Umstände vollständig und widerspruchsfrei gewürdigt hat (Senat - 2 AZR 21/81 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 10 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 15; zuletzt - 2 AZR 256/04 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 52).

2. Das angefochtene Urteil hält diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab stand. Es hat alle wesentlichen Umstände berücksichtigt. Die vorgenommene Würdgung ist in sich widerspruchsfrei.

a) Nach der Grundkonzeption des Kündigungsschutzgesetzes führt eine sozialwidrige Kündigung zu deren Rechtsunwirksamkeit und zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Das Kündigungsschutzgesetz ist vorrangig ein Bestandsschutz- und kein Abfindungsgesetz (Senat - 2 AZR 402/75 - BAGE 28, 196; zuletzt - 2 AZR 256/04 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 52). Bezogen auf den Auflösungsantrag des Arbeitgebers wird dieser Grundsatz durch § 9 KSchG unter der Voraussetzung durchbrochen, dass eine Vertrauensgrundlage für eine sinnvolle Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr besteht (vgl. schon Begründung Reg.-Entwurf vom zu § 7 KSchG in RdA 1951, 58, 64; KR-Spilger 7. Aufl. § 9 KSchG Rn. 9; Stahlhacke/Preis/Vossen Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 9. Aufl. Rn. 1968). Da hiernach eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nur ausnahmsweise in Betracht kommt, sind an die Auflösungsgründe strenge Anforderungen zu stellen (Senat - 2 AZR 158/01 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 42 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 45; - 2 AZR 343/92 - EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 39; APS-Biebl 2. Aufl. § 9 KSchG Rn. 49; Keßler NZA-RR 2002, 1, 7). Eine Auflösung kommt vor allem in Betracht, wenn während eines Kündigungsschutzprozesses zusätzliche Spannungen zwischen den Parteien auftreten, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sinnlos erscheinen lassen (Senat - 2 AZR 21/81 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 10 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 15; - 2 AZR 294/86 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 18 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 20; - 2 AZR 256/04 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 52).

b) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer noch oder nicht mehr zu erwarten ist, ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (Senat - 2 AZR 158/01 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 42 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 45 und - 2 AZR 256/04 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 52). Der Auflösungsantrag ist trotz seiner nach § 9 Abs. 2 KSchG gesetzlich angeordneten Rückwirkung auf den Kündigungszeitpunkt zukunftsgerichtet. Das Gericht hat eine Vorausschau anzustellen. Im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag ist zu fragen, ob auf Grund des Verhaltens des Arbeitnehmers in der Vergangenheit in Zukunft noch mit einer den Betriebszwecken dienenden weiteren Zusammenarbeit der Parteien zu rechnen ist (Senat - 2 AZR 158/01 - aaO und - 2 AZR 256/04 - aaO).

Wegen dieses Beurteilungszeitpunktes ist es denkbar, dass mögliche Auflösungsgründe ihr Gewicht wieder verlieren, weil die tatsächlichen oder rechtlichen Umstände sich im Zeitpunkt der abschließenden Entscheidung geändert haben. Hierdurch wird die den Auflösungsantrag stellende Partei, die auf die Dauer eines Kündigungsschutzverfahrens nur begrenzten Einfluss hat, nicht ungerechtfertigt benachteiligt (Senat - 2 AZR 256/04 - aaO).

c) Als Auflösungsgründe für den Arbeitgeber gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG kommen solche Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien nicht erwarten lassen, müssen allerdings nicht im Verhalten, insbesondere nicht in einem schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Vielmehr kommt es darauf an, ob die objektive Lage beim Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz beim Arbeitgeber die Besorgnis aufkommen lassen kann, dass die weitere Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer zukünftig gefährdet ist (Senat - 2 AZR 158/01 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 42 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 45 und - 2 AZR 256/04 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 52; KR-Spilger 7. Aufl. § 9 KSchG Rn. 57 mwN).

Als Auflösungsgrund geeignet sind etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen ( - AP KSchG § 1 Nr. 56; - 2 AZR 256/04 - aaO; KR-Spilger 7. Aufl. § 9 KSchG Rn. 56; Keßler NZA-RR 2002, 1, 9).

d) Einer Überprüfung nach diesen Grundsätzen hält die angefochtene Entscheidung stand.

Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, es lägen keine Umstände vor, die einer weiteren gedeihlichen Zusammenarbeit zwischen den Parteien entgegenstehen. Zu diesem Ergebnis ist das Landesarbeitsgericht sogar gekommen, obwohl es eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung des Klägers angenommen hatte. Es hat dabei vertretbar darauf abgestellt, dass der Kläger keinen Repräsentanten der Beklagten konkret beleidigt oder persönlich angegriffen hat.

Auch die Veröffentlichung im "Motor" vom kann den Auflösungsantrag nicht rechtfertigen. Die Ausführungen in dieser Veröffentlichung beziehen sich allein auf den anhängigen Prozess des Klägers. Er hat insoweit nur seine berechtigten Interessen wahrgenommen. Zu berücksichtigen ist auch, dass seine Äußerungen eine Reaktion auf die von der Beklagten ausgesprochene und sozial ungerechtfertigten Kündigung sind.

Weiterhin konnte das Landesarbeitsgericht bei einer zukunftsorientierten Betrachtung des Auflösungsgrundes auch berücksichtigen, dass der Anlass für die vorangegangenen "Solidaritätsbekundungen" der Fall K war, der nunmehr rechtskräftig abgeschlossen ist. Eine Wiederholungsgefahr für eine weitere Solidarisierungswelle mit dem früheren Mitarbeiter K war deshalb nicht mehr wahrscheinlich.

Schließlich hat das Landesarbeitsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise darauf hingewiesen, die Mitgliedschaft des Klägers in dem Solidaritätskreis "Einer für Alle - Alle für Einen" sei kein Umstand, der berechtigte Zweifel an einer den Betriebszwecken dienlichen weiteren Zusammenarbeit zwischen den Arbeitsvertragsparteien zukünftig habe aufkommen lassen können.

Weitere Auflösungsaspekte hat die Beklagte nicht substanziiert dargetan. Soweit sie pauschal anführt, das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien sei unwiederbringlich zerstört, genügt dieser pauschale Vortrag nicht, eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG zu rechtfertigen ( - BAGE 28, 196; - 2 AZR 294/86 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 18 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 20; - 2 AZR 399/91 - AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 30 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 39).

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Fundstelle(n):
DB 2006 S. 1567 Nr. 29
NJW 2006 S. 2348 Nr. 32
OAAAB-93642

1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein