Leitsatz
[1] Seit der zum in Kraft getretenen Änderung des Beschwerderechts kann das Landesarbeitsgericht auch im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren die Rechtsbeschwerde gegen verfahrensbegleitende Beschlüsse jedenfalls dann zulassen, wenn es als Rechtsmittelgericht über eine sofortige Beschwerde nach § 78 ArbGG iVm. § 83 Abs. 5 ArbGG entscheidet.
Gesetze: ArbGG § 78; ArbGG § 83 Abs. 5; ArbGG § 72 Abs. 2; ArbGG § 90 Abs. 3; ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 2
Instanzenzug: ArbG Duisburg 3 BV 25/00 vom LAG Düsseldorf 7 Ta 303/02 vom
Gründe
A. Die Beteiligten streiten über ein gegen die Arbeitgeberin festgesetztes Ordnungsgeld.
Die Arbeitgeberin/Schuldnerin betreibt ein Krankenhaus mit etwa 1.100 Mitarbeitern. Am schloß sie zur Erledigung eines arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahrens vor dem Arbeitsgericht Duisburg einen Vergleich, in dem es ua. heißt:
"Die Antragsgegnerin verpflichtet sich, es zu unterlassen, im Bereich des Klinikums Mehrarbeit anzuordnen oder duldend entgegenzunehmen ohne vorherige ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrates gem. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG oder Ersetzung der Zustimmung durch die Einigungsstelle gem. § 87 Abs. 2 BetrVG.
Ausgenommen von dieser Regelung sind arbeitskampfbedingte Anordnungen von Mehrarbeit und solche Fälle, die von der Betriebsvereinbarung über die Anordnung von nicht geplanten Überstunden erfasst werden."
Am wurde dem Betriebsrat/Gläubiger eine vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs erteilt. Am wurde der Vergleich der Arbeitgeberin zugestellt. Auf Antrag des Betriebsrats drohte das Arbeitsgericht Duisburg mit Beschluß vom - 3 BV 25/00 - der Arbeitgeberin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen ihre Verpflichtung aus dem Vergleich vom - das Datum "" im arbeitsgerichtlichen Beschluß beruht auf einem offensichtlichen Schreibversehen - ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 20.000,00 DM an.
Im Februar 2002 kam es in der Küche des Krankenhauses bei mehreren Arbeitnehmern zu Abweichungen von der regelmäßigen Arbeitszeit, bzw. dem Dienstplan. So arbeitete die stellvertretende Küchenleiterin am 19. und jeweils zwei Stunden länger. Am 4., 21. und überschritt der Küchenleiter die regelmäßige Arbeitszeit und nahm als Ausgleich am dienstfrei. Ferner arbeiteten vier weitere Mitarbeiter jeweils an einem im Dienstplan als frei aufgeführten Tag und erhielten dafür an einem anderen Tag dienstfrei. Die Arbeitgeberin machte dem Betriebsrat von diesen Abweichungen keine Mitteilung.
Der Betriebsrat hat daraufhin am einen Bestrafungsantrag gegen die Arbeitgeberin gestellt, weil diese gegen die in dem Vergleich übernommene Unterlassungsverpflichtung verstoßen habe. Die von der Arbeitgeberin zur Rechtfertigung ihres Verhaltens angeführte Betriebsvereinbarung über Mehrarbeit in Eilfällen sei nicht in Kraft getreten, da sie nicht unterschrieben sei. Im übrigen habe es sich bei den Abweichungen vom Dienstplan nicht um Eilfälle gehandelt. Die Arbeitgeberin hat die Bestimmtheit der im Vergleich titulierten Verpflichtung bezweifelt und ein vorwerfbares Verhalten bestritten. Sie habe die Betriebsvereinbarung über Mehrarbeit in Eilfällen den Abteilungsleitern und Stationsleitungen zur Kenntnis gebracht und diese ausdrücklich gebeten, entsprechend zu verfahren. Erst durch den Bestrafungsantrag habe die Geschäftsleitung Kenntnis von den Dienstplanabweichungen in der Küche erlangt.
Das Arbeitsgericht hat gegen die Arbeitgeberin ein Ordnungsgeld in Höhe von 3.000,00 Euro festgesetzt. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde unter Hinweis auf § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zugelassen. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt die Arbeitgeberin die Aufhebung des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts, die Abänderung des arbeitsgerichtlichen Beschlusses sowie die Abweisung des Bestrafungsantrags.
B. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet. Die Vorinstanzen haben dem Antrag des Betriebsrats auf Festsetzung eines Ordnungsgelds gegen die Arbeitgeberin zu Unrecht entsprochen.
I. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.
1. Sie ist gemäß § 83 Abs. 5, § 78 Satz 1 und 2, § 72 Abs. 2 ArbGG (nF) iVm. § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO (nF) statthaft.
a) § 78 Satz 1 ArbGG verweist lediglich auf die für die Beschwerde gegen Entscheidungen der Amtsgerichte maßgebenden Vorschriften der ZPO und enthält - anders als § 77 Satz 4 ArbGG für die Revisionsbeschwerde - keine ausdrückliche Verweisung auf die Vorschriften über die Rechtsbeschwerde. Nach § 78 Satz 2 ArbGG gilt aber für die Zulassung der Rechtsbeschwerde § 72 Abs. 2 ArbGG entsprechend. Diese Verweisung zeigt, daß nunmehr auch im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren die Zulassung der durch das ZPO-Reformgesetz vom (BGBl. I S 1887) neu eingeführten Rechtsbeschwerde gegen Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts zumindest dann vorgesehen ist, wenn dieses als Beschwerdegericht tätig wird (vgl. - AP KSchG 1969 § 5 Nr. 14., zu B I 2 c bb der Gründe mwN).
b) Auf Grund der Verweisung in § 83 Abs. 5 ArbGG gilt dies auch für das arbeitsgerichtliche Beschlußverfahren. Die Verweisung bezieht sich nicht nur auf den Satz 1 des § 78 ArbGG, sondern auf die gesamte Vorschrift und damit auch auf die aus § 78 Satz 2 ArbGG folgende Möglichkeit der Zulassung der Rechtsbeschwerde. Durch die pauschale Verweisung in § 83 Abs. 5 ArbGG soll das Recht der Beschwerde gegen nicht verfahrensbeendende Beschlüsse im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren erkennbar ebenso ausgestaltet sein wie das Beschwerderecht im Urteilsverfahren. Etwas anderes folgt auch nicht aus § 90 Abs. 3 ArbGG. Allerdings findet danach gegen Beschlüsse und Verfügungen des Landesarbeitsgerichts oder seines Vorsitzenden kein Rechtsmittel statt. Der Gesetzgeber hat diese Bestimmung anders als die bis für das Urteilsverfahren geltende entsprechende Vorschrift des § 70 ArbGG nicht gestrichen. Ob es sich hierbei um ein Redaktionsversehen handelt (so etwa ErfK/Eisemann 3. Aufl. § 90 ArbGG Rn. 3), kann vorliegend dahinstehen. § 90 Abs. 3 ArbGG regelt nur die Fälle, in denen das Landesarbeitsgericht als Ausgangsgericht - im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nach §§ 87 ff. ArbGG - tätig wird, und nicht die Fälle, in denen es als Rechtsmittelgericht über eine sofortige Beschwerde nach § 78 ArbGG iVm. § 83 Abs. 5 ArbGG entscheidet. Dies zeigt insbesondere die systematische Stellung der Vorschrift. Sie befindet sich im Dritten Teil, Zweiter Abschnitt, Zweiter Unterabschnitt des Arbeitsgerichtsgesetzes (§§ 87 bis 91 ArbGG), der das Beschwerdeverfahren gegen verfahrensbeendende Beschlüsse im Beschlußverfahren regelt. Hätte der Gesetzgeber die Möglichkeit eines weiteren Rechtsmittels auch für das Beschwerdeverfahren nach § 78 ArbGG iVm. § 83 Abs. 5 ArbGG ausschließen wollen, hätte es sich aufgedrängt, dies durch eine entsprechende Ergänzung des § 83 Abs. 5 ArbGG zu tun. Dies ist nicht geschehen.
2. Das Landesarbeitsgericht hat die Rechtsbeschwerde zugelassen. Hieran ist das Bundesarbeitsgericht gebunden (§ 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO). Es kann die Rechtsbeschwerde auch dann nicht als unzulässig verwerfen, wenn die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG nicht vorliegen.
3. Die Rechtsbeschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 575 Abs. 1 bis 3 ZPO).
II. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die gemäß § 85 Abs. 1 Satz 3, § 78 ArbGG, §§ 793, 569 ZPO statthafte und auch im übrigen zulässige sofortige Beschwerde der Arbeitgeberin zu Unrecht als unbegründet zurückgewiesen. Die Voraussetzungen für die Festsetzung eines Ordnungsgelds liegen nicht vor.
1. Gemäß § 890 ZPO iVm. § 85 Abs. 1 Satz 3 ArbGG kann gegen einen Schuldner ein Ordnungsgeld festgesetzt werden, wenn dieser der Verpflichtung zuwiderhandelt, eine Handlung zu unterlassen. Als Vollstreckungstitel kommen gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1 ArbGG nicht nur rechtskräftige Beschlüsse der Arbeitsgerichte, sondern auch gerichtliche Vergleiche in Betracht, durch die einem Beteiligten eine Verpflichtung auferlegt wird. Voraussetzung für die Festsetzung eines Ordnungsgelds ist ein vollstreckungsfähiger Inhalt des Vergleichs. Die Verpflichtung des Schuldners muß darin hinreichend bestimmt sein. Der Schuldner muß zuverlässig erkennen können, welche Handlungen ihm verboten sind. Er muß bereits aus rechtsstaatlichen Gründen wissen, in welchen Fällen er durch Verhängung eines Ordnungsgelds bestraft werden kann ( - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 41 = EzA BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 40, zu B I 1 der Gründe). Unklarheiten über den Inhalt der Verpflichtung dürfen nicht aus dem Erkenntnisverfahren ins Vollstreckungsverfahren verlagert werden. Dessen Aufgabe ist es zu klären, ob der Schuldner einer festgesetzten Verpflichtung nachgekommen ist, nicht aber, worin diese besteht ( - nv., zu B 1 der Gründe).
2. Die Verpflichtung aus dem Vergleich vom ist wegen der in ihm enthaltenen Ausnahmeregelung für eine Zwangsvollstreckung nicht hinreichend bestimmt. Von der Verpflichtung aus dem Vergleich sollen ausgenommen sein "solche Fälle, die von der Betriebsvereinbarung über die Anordnung von nicht geplanten Überstunden erfaßt werden". Um welche konkreten Fallgestaltungen es sich hierbei handeln soll, wird in dem Vergleich nicht beschrieben. Damit ergibt sich aus dem Vollstreckungstitel nicht, in welchen Fällen die Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Unterlassung nicht bestehen soll. Die Unbestimmtheit der von der Verpflichtung ausgenommenen Fallgestaltungen hat zugleich die Unbestimmtheit der von ihr erfaßten Fälle zur Folge. Der Umfang der in dem Vergleich titulierten Verpflichtung läßt sich auch nicht durch Heranziehung der dort in Bezug genommenen "Betriebsvereinbarung" - gemeint ist wohl die nicht unterzeichnete "Betriebsvereinbarung über Mehrarbeit in Eilfällen" vom - bestimmen. Zur Feststellung des Inhalts eines Vollstreckungstitels kann grundsätzlich nur auf diesen selbst, nicht dagegen auf andere Schriftstücke zurückgegriffen werden (vgl. etwa Thomas/Putzo ZPO 24. Aufl. Vorbem. § 704 Rn. 16; Zöller/Stöber ZPO 23. Aufl. § 794 Rn. 14 a mwN). Es ist nicht Aufgabe des Vollstreckungsverfahrens, den Inhalt einer in einem Vergleich in Bezug genommenen Betriebsvereinbarung zu ermitteln. Die insoweit ggf. erforderliche Auslegung hätte im Erkenntnisverfahren zu erfolgen. Dies gilt umso mehr, als der Betriebsrat selbst geltend macht, die in dem Vergleich in Bezug genommene Betriebsvereinbarung sei mangels Unterschrift nicht wirksam zustande gekommen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BB 2003 S. 1072 Nr. 20
DB 2003 S. 1068 Nr. 19
FAAAB-93376
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