BFH Beschluss v. - X B 39/06

Eine verweigerte Bescheinigung kann nicht über das in § 86 Abs. 3 FGO geregelte Verfahren der Urkundenvorlage erzwungen werden

Gesetze: FGO § 86 Abs. 3; EStG § 7h Abs. 2

Instanzenzug: Niedersächsisches FG Beschlüsse vom 1 K 350/05, 1 K 24/06

Gründe

I. Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) sind miteinander verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erwarben im Jahre 1998 ein Einfamilienhaus, für das sie in den Veranlagungszeiträumen 2002 und 2003 die Begünstigung nach § 10f des Einkommensteuergesetzes (EStG) beantragten. Weil die zuständige Stadt die dafür nach § 7h Abs. 2 EStG erforderliche Bescheinigung nicht ausgestellt hatte, lehnte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) die begehrte Begünstigung ab, zuletzt mit der Einspruchsentscheidung vom .

Daraufhin beantragten die Antragsteller beim Finanzgericht (FG) mit Schreiben vom „in dem finanzverwaltungsrechtlichen selbständigen Feststellungsantragsverfahren gemäß § 86 Abs. 3 Satz 1 FGO”, dass das FG feststellt, „ob die Verweigerung der Erteilung der Bescheinigung nach § 7h Abs. 2 Satz 1 EStG…durch die Stadt rechtmäßig ist”. Zugleich beanstandeten sie, dass das FA von dem ihm ihrer Ansicht nach gemäß R 83a Abs. 4 Satz 4 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) zustehenden Remonstrationsrecht gegenüber der Stadt nicht Gebrauch gemacht habe.

Das FG lehnte den Antrag durch Beschluss ab, soweit er darauf gerichtet war, das FA zur Remonstration gegenüber der Gemeindebehörde zu verpflichten. Hinsichtlich der Versagung der Bescheinigung nach § 7h EStG verwies das FG den Rechtsstreit durch Beschluss gemäß § 17a Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) an das zuständige Verwaltungsgericht.

Mit Schreiben vom haben die Antragsteller

die beiden Beschlüsse des FG —wiederum— „in dem finanzverwaltungsrechtlichen selbständigen Feststellungsantragsverfahren gemäß § 86 Abs. 3 Satz 1 FGO” dem Bundesfinanzhof (BFH) zur „rechtsstaatlichen Überprüfung vorgelegt”, wodurch nach ihrer Auffassung „der verfassungsgemäß gebotenen Vorlagepflicht gemäß der neu gefassten Vorschrift des § 86 Abs. 3 Satz 1 FGO entsprochen” werde.

II. Das Schreiben der Antragsteller ist als Beschwerde gegen die Beschlüsse des FG zu verstehen, weil sie insoweit um „rechtsstaatliche Überprüfung” nachsuchen. Zugleich enthält das Schreiben der Sache nach den Antrag, der BFH möge ein Verfahren i.S. des § 86 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durchführen.

1. Soweit sich die Beschwerde gegen den richtet, ist sie offensichtlich unbegründet. Zu Recht hat das FG den Antrag vom abgelehnt. Die Vorschrift des § 86 Abs. 3 FGO bietet für das Begehren der Antragsteller offenkundig keine Handhabe.

a) Nach § 86 Abs. 1 FGO in der ab geltenden Fassung sind Behörden grundsätzlich zur Vorlage von Urkunden und Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Nach Abs. 2 der Vorschrift kann die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung elektronischer Dokumente und die Erteilung von Auskünften verweigert werden, wenn die Vorgänge aus bestimmten Gründen geheim gehalten werden müssen. Nach Abs. 3 der Vorschrift stellt der BFH auf Antrag eines Beteiligten in den Fällen der Abs. 1 und 2 ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss fest, ob die Verweigerung der Vorlage der Urkunden oder Akten, die Übermittlung elektronischer Dokumente oder die Verweigerung der Erteilung von Auskünften rechtmäßig ist. Der Antrag ist bei dem für die Hauptsache zuständigen Gericht zu stellen. Auf Aufforderung des BFH hat die oberste Aufsichtsbehörde die verweigerten Dokumente oder Akten vorzulegen oder zu übermitteln oder ihm die verweigerten Auskünfte zu erteilen.

b) Die Regelung des § 86 Abs. 3 FGO setzt voraus, dass das FG im finanzgerichtlichen Verfahren die Vorlage der betreffenden (bereits vorhandenen) Urkunden und Akten, die Übermittlung elektronischer Dokumente oder Erteilung von Auskünften angeordnet hatte und die ersuchte Behörde sich daraufhin geweigert hat, dieser Aufforderung nachzukommen (vgl. , BFH/NV 2001, 1366, m.w.N.). Daran hat sich durch die Neufassung der Vorschrift mit Wirkung ab nichts geändert.

Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall offensichtlich nicht vor. Vielmehr geht es den Antragstellern darum, die Ablehnung der Erteilung einer Bescheinigung nach § 7h EStG auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen und das FA insoweit zur Einwirkung auf die zuständige Gemeindebehörde zu veranlassen („Remonstration”). Für ein solches selbständiges Verfahren bietet § 86 Abs. 3 FGO ersichtlich keine Rechtsgrundlage.

2. Soweit sich die Beschwerde gegen den Verweisungsbeschluss des richtet, ist sie unstatthaft, weil dieser Beschluss gemäß § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG —mangels Zulassung der Beschwerde durch das FG— unanfechtbar ist.

3. Auch der in dem Schreiben vom enthaltene gesonderte Antrag an den BFH, er möge ein Verfahren gemäß § 86 Abs. 3 FGO durchführen, ist aus den vorstehenden Gründen offenkundig unbegründet. Dessen Voraussetzungen liegen im Streitfall augenscheinlich nicht vor. Den Antragstellern geht es nicht darum, die Vorlage einer bereits vorhandenen Urkunde zu erzwingen. Vielmehr ist es ihr Ziel, eine Bescheinigung zu erreichen, deren Erteilung die dafür zuständige Behörde abgelehnt hat. Dafür bietet § 86 Abs. 3 FGO —wie bereits ausgeführt— keine Handhabe.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 1697 Nr. 9
CAAAB-92113