BFH Urteil v. - II R 13/04

Objektive Bereicherung bei Gewährung eines zinslosen Darlehens

Leitsatz

Eine Bereicherung i. S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG muss (objektiv) unentgeltlich sein. Der Erwerb eines zugewendeten Gegenstands, auf den kein Rechtsanspruch besteht, ist (objektiv) unentgeltlich, wenn er nicht rechtlich abhängig ist von einer den Erwerb ausgleichenden Gegenleistung des Erwerbers. Als rechtliche Abhängigkeit, welche die Unentgeltlichkeit ausschließt und Entgeltlichkeit begründet, kommen Verknüpfungen sowohl nach Art eines gegenseitigen Vertrags (synallagmatische Verknüpfung) als auch durch Setzung einer Bedingung (konditionale Verknüpfung) oder eines entsprechenden Rechtszwecks (kausale Verknüpfung) in Betracht. Die Gewährung eines Darlehens führt nicht zu einer (objektiven) Bereicherung des Darlehensempfängers, wenn sie zwar zinslos, aber nicht (objektiv) unentgeltlich erfolgt, weil sie rechtlich mit einer in Geld veranschlagbaren Gegenleistung (hier: Einräumung eines An- und Vorkaufsrechts an einem Grundstück) verknüpft ist.

Gesetze: ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) und ihr Ehemann erhielten 1993 von Frau B ein zinsloses Darlehen in Höhe von 350 000 DM. Zur Sicherung der Darlehensforderung bestellten sie für B eine brieflose Hypothek zu Lasten eines ihnen gehörenden Grundstücks sowie des an diesem Grundstück bestehenden Erbbaurechts. B wurde ferner an dem Grundstück ein An- und Vorkaufsrecht eingeräumt. Das Darlehen war durch B jederzeit unter Einhaltung einer Frist von 12 Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahres, nicht aber vor dem ordentlich kündbar. Für den Fall, dass die Klägerin und ihr Ehemann über den Grundbesitz ohne B´s vorherige Zustimmung verfügten oder es belasteten, war das Darlehen rückwirkend zum zu verzinsen, hatte B ein fristloses Kündigungsrecht und konnte ihr Ankaufsrecht ausüben. Gleiches galt bei Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Klägerin oder ihres Ehemannes sowie bei Einleitung eines Zwangsversteigerungs- oder Zwangsverwaltungsverfahrens in das Grundstück oder das Erbbaurecht. Das Vorkaufsrecht galt unabhängig hiervon für jeden ersten Verkaufsfall. Die Klägerin machte geltend, die Gestaltung sei gewählt worden, weil B ein Interesse daran gehabt habe, eine (Teil-)Veräußerung des Grundstücks der Klägerin zu verhindern und den baulichen Zustand dieses Grundstücks unverändert zu erhalten.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) sah in der zinslosen Überlassung des Darlehens eine Schenkung zu Gunsten der Klägerin und setzte mit Bescheid vom Schenkungsteuer in Höhe von 20 760 DM fest.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 1164 abgedruckt ist, sah in der zinslosen Überlassung des Darlehenskapitals eine freigebige Zuwendung, der eine in Geld veranschlagbare, berücksichtigungsfähige Gegenleistung nicht gegenüber stehe.

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin. Sie beantragt die Aufhebung der Vorentscheidung und sinngemäß Aufhebung des Steuerbescheids vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom .

Das FA ist der Revision entgegengetreten und beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung war aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Das FG hat die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) verkannt; im Streitfall liegt eine in Geld veranschlagbare Gegenleistung vor. Die Gewährung des Rechts, das als zinsloses Darlehen überlassene Kapital zu nutzen, hat nicht zu einer (objektiven) Bereicherung der Klägerin geführt; sie erfolgte nicht (objektiv) unentgeltlich.

1. Der Schenkungsteuer unterliegt als Schenkung unter Lebenden (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG; vgl. auch § 516 Abs. 1 des Bürgerlichen GesetzbuchsBGB—).

a) Die Bereicherung muss (objektiv) unentgeltlich sein. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Erwerb eines zugewendeten Gegenstandes, auf den kein Rechtsanspruch besteht, (objektiv) unentgeltlich, wenn er nicht rechtlich abhängig ist von einer den Erwerb ausgleichenden Gegenleistung des Erwerbers (, BFH/NV 2001, 1407).

Als rechtliche Abhängigkeit, welche die Unentgeltlichkeit ausschließt und Entgeltlichkeit begründet, kommen Verknüpfungen sowohl nach Art eines gegenseitigen Vertrages (synallagmatische Verknüpfung) als auch durch Setzung einer Bedingung (konditionale Verknüpfung) oder eines entsprechenden Rechtszwecks (kausale Verknüpfung) in Betracht (vgl. grundlegend , BFHE 173, 432, BStBl II 1994, 366, sowie , BFH/NV 2006, 63).

b) Die Gewährung des Darlehens durch B hat nicht zu einer (objektiven) Bereicherung der Klägerin geführt; sie erfolgte zwar zinslos, aber nicht (objektiv) unentgeltlich, weil sie rechtlich mit einer in Geld veranschlagbaren Gegenleistung verknüpft war.

aa) Zwar erfährt der Empfänger eines zinslosen Darlehens durch die Gewährung des Rechts, das als Darlehen überlassene Kapital unentgeltlich zu nutzen, eine entsprechende Vermögensmehrung (vgl. zuletzt , BFHE 210, 459, BStBl II 2005, 800). Aus dem zwischen den Beteiligten geschlossenen Vertrag ergibt sich aber, dass B das Darlehen trotz Zinslosigkeit nicht (objektiv) unentgeltlich gewährt hat. Denn die Klägerin hat B im Gegenzug ein unbedingtes Vorkaufsrecht für den ersten Verkaufsfall sowie ein Ankaufsrecht, das unter den gleichen Voraussetzungen ausgeübt werden kann, bei denen auch die Zinslosigkeit des von B gewährten Darlehens entfällt, eingeräumt. Um den Eintritt dieser Voraussetzungen zu vermeiden, hatte sich die Klägerin jeglicher Verwertung des Grundstücks zu enthalten. Sie hat sich damit als Miteigentümerin des Grundstücks erheblichen, gegenwärtigen Einschränkungen unterworfen, die sich bei ihr als Vermögensnachteil niedergeschlagen und bei B zu einer entsprechenden Vermögensmehrung geführt haben. Denn hätte B ihr Grundstück nach Abschluss der Vereinbarung mit der Klägerin und ihrem Ehemann veräußert, hätte sie wegen der Zugriffsmöglichkeiten auf das Nachbargrundstück am Markt einen höheren Kaufpreis erzielt als vor dem Abschluss der Verträge.

bb) Anhaltspunkte dafür, dass sich Zuwendung und Gegenleistung nicht ausgleichen und objektiv ein grobes Missverhältnis besteht (MünchKommBGB/Kollhoser, 4. Aufl., § 516 Rdnr. 26), sind nicht erkennbar. Dabei ist davon auszugehen, dass vernünftige Vertragsparteien in der Regel die Wertverhältnisse richtig einschätzen (MünchKommBGB/Kollhoser, 4. Aufl., § 516 Rdnr. 27) und vorhandene Interessengegensätze in den Vereinbarungen ihren Niederschlag gefunden und durch die Zinslosigkeit des Darlehens einerseits sowie die Übernahme der Verfügungsbeschränkungen andererseits zum Ausgleich gelangten.

c) Da das FG den Wortlaut und den Regelungszusammenhang der vertraglichen Regelungen unter Verstoß gegen die gesetzlichen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) nicht hinreichend und zutreffend berücksichtigt hat, ist der BFH an das Vertragsverständnis des FG nicht gebunden (, BFHE 170, 29, BStBl II 1993, 228, und vom X R 12/02, BFHE 205, 451, BStBl II 2004, 722).

d) Für die Anwendung des § 7 Abs. 3 ErbStG besteht nach alledem kein Raum, da eine in Geld veranschlagbare Gegenleistung vorliegt. Da das FG dies verkannt hat, war die Vorentscheidung aufzuheben.

2. Die Sache ist spruchreif. Die Zinslosigkeit des Darlehens hat im Streitfall nicht zu einer (objektiven) Bereicherung der Klägerin geführt; sie erfolgte nicht (objektiv) unentgeltlich, weil sie rechtlich mit einer in Geld veranschlagbaren Gegenleistung verknüpft war. Der Klage war daher stattzugeben.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 1665 Nr. 9
HFR 2006 S. 1239 Nr. 12
NWB-Eilnachricht Nr. 34/2006 S. 2832
JAAAB-90508