OFD Frankfurt/M. - S 0284 A - 21 - St II 4.04

Öffentliche Zustellung

Durch das Gesetz zur Novellierung des Verwaltungszustellungsrechts vom , BStBl 2005 I S. 855, wurde das Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) neu gefasst. Es ist am in Kraft getreten.

Die Öffentliche Zustellung – bisher § 15 VwZG – wird im § 10 VwZG neu geregelt.

1. Allgemeines

Die öffentliche Zustellung als besondere Form der Zustellung ist nur zulässig, wenn alle Möglichkeiten erschöpft sind, das Schriftstück dem Empfänger in anderer Weise zu übermitteln (vgl. BStBl 2000 II S. 560).

An die Anordnung einer öffentlichen Zustellung sind strenge Anforderungen zu stellen. Es ist sorgfältig zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 VwZG vorliegen, da durch die öffentliche Zustellung der Empfänger nur selten tatsächlich Kenntnis vom Inhalt des Verwaltungsakts erhält, er diesen aber durch die öffentliche Zustellung gegen sich gelten lassen muss. Eine unter Verstoß gegen die Voraussetzungen des § 10 VwZG durchgeführte öffentliche Zustellung verstößt gegen das Verfassungsgebot des rechtlichen Gehörs ( NJW 1992, 2280) und ist daher unwirksam.

2. Öffentliche Zustellung bei unbekanntem Aufenthaltsort des Empfängers, wenn auch eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 VwZG)

Der Aufenthaltsort des Empfängers ist nicht schon deshalb unbekannt, weil das FA seine Anschrift im Zeitpunkt der beabsichtigten Bekanntgabe nicht kennt oder Briefe als unzustellbar zurückkommen. Die Anschrift muss vielmehr allgemein unbekannt sein ( BFH/NV 1987, 98). Dies ist durch eine Bescheinigung der zuständigen Meldebehörde oder auf andere Weise zu belegen. Die bloße Abmeldung bei der Meldebehörde ist hierzu nicht ausreichend.

Das FA muss daher vor der öffentlichen Zustellung die nach Sachlage gebotenen und zumutbaren Ermittlungen nach dem Aufenthaltsort des Empfängers anstellen. Dazu gehören Nachforschungen bei der zuletzt zuständigen Meldebehörde, unter Umständen aber auch die Befragung von Angehörigen oder des bisherigen Vermieters (vgl. EFG 1996, 515). Mutmaßlichen Aufenthaltsorten des Empfängers muss durch Rückfragen bei der zuständigen Meldebehörde bzw. anderen Einrichtungen oder Personen nachgegangen werden. Die bloße Vermutung, dass eine Adresse, an die sich der Zustellungsempfänger bei der Meldebehörde abgemeldet hat, eine Scheinadresse ist, rechtfertigt keine öffentliche Zustellung. Erforderlich sind vielmehr Tatsachen, die von vornherein als ausgeschlossen erscheinen lassen, dass der Zustellungsempfänger unter der von ihm genannten Anschrift wohnt (vgl. BStBl 2000 II S. 560).

Bei einer auf Verheimlichung des Aufenthaltsorts gerichteten Handlungsweise eines Zustellungsempfängers erscheint es unbillig und ungerechtfertigt, besonders eingehende Ermittlungen des Zustellenden zu fordern. Befindet sich ein Steuerpflichtiger auf der Flucht, um sich einer Strafverfolgung (wegen Steuerhinterziehung) zu entziehen, erfüllt das FA seine Verpflichtung zu prüfen, ob der Aufenthalt des Steuerpflichtigen allgemein unbekannt ist, wenn es versucht, die Anschrift des Steuerpflichtigen durch die Meldebehörde oder die Polizei zu ermitteln und sich ggf. beim Bevollmächtigten des Steuerpflichtigen erkundigt ( BFH/NV 2005 S. 998).

Ist das FA seiner Ermittlungspflicht nachgekommen, ist die öffentliche Zustellung zulässig, auch wenn das Ergebnis der Ermittlungshandlungen, z.B. infolge unrichtiger Auskunft, falsch war ( BFH/NV 1991 S. 13). Verletzt das FA seine Ermittlungspflicht, ist die öffentliche Zustellung unwirksam. Die Heilung des Zustellungsmangels nach § 8 VwZG durch die Übersendung einer Fotokopie des Schriftstücks an den Empfänger bzw. dessen Bevollmächtigten ist aber möglich (vgl. BStBl 2000 II S. 560).

3. Öffentliche Zustellung bei Unzustellbarkeit im Ausland (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 VwZG)

Nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 VwZG kommt eine öffentliche Zustellung trotz bekanntem Aufenthaltsort des Empfängers dann in Betracht, wenn die Zustellung im Ausland nach § 9 VwZG unausführbar ist oder zumindest keinen Erfolg verspricht. Die Zustellung im Ausland ist unausführbar, soweit es in dem betroffenen Gebietsteil an geordneten staatlichen Einrichtungen fehlt. Eine Auslandszustellung verspricht dann keinen Erfolg, wenn sie an sich möglich wäre, ihre Durchführung aber etwa wegen Kriegs, Abbruchs der diplomatischen Beziehungen, Verweigerung der Amts- oder Rechtshilfe, mangels bestehender Auslandsvertretung oder unzureichender Vornahme durch die örtlichen Behörden nicht zu erwarten ist (vgl. BStBl 2000 II S. 560).

Soweit die ausländische Adresse des Empfängers bekannt ist und eine Postverbindung besteht, muss dem Empfänger durch einfachen Brief die öffentliche Zustellung sowie der Tag der Zustellung mitgeteilt und eine Kopie des Verwaltungsakts mit der Belehrung über den Beginn der Rechtsbehelfsfrist (§§ 355, 108 AO i.V.m. § 10 Abs. 2 Satz 3 und 4 VwZG) übersandt werden. Es ist zweckmäßig, den Brief bereits abzusenden, wenn die Benachrichtigung nach § 10 Abs. 2 Satz 1 VwZG ausgehängt wird. Diese Benachrichtigung ist gegenüber allen Staaten zulässig, da es sich hierbei mangels rechtlicher Regelung nicht um einen Verwaltungsakt handelt.

4. Durchführung der öffentlichen Zustellung

a) Aushang

§ 10 Abs. 2 VwZG gilt für jede öffentliche Zustellung. Die Vorschrift differenziert nicht nach Inhalt oder Form des zuzustellenden Verwaltungsakts bzw. Dokuments.

Nach § 10 Abs. 2 Satz 1 VwZG erfolgt die öffentliche Zustellung durch Bekanntmachung einer Benachrichtigung an einer von der Behörde hierfür allgemein bestimmten Stelle (Tafel für öffentliche Bekanntmachungen), oder durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger oder im elektronischen Bundesanzeiger. Da die letztgenannten Möglichkeiten der Veröffentlichung kostenpflichtig sind, bittet die OFD ausschließlich von der Bekanntmachung durch Aushang Gebrauch zu machen. Hierfür ist die Vorlage Nr. 13 30 02 0 zu verwenden.

Die Möglichkeit, das zuzustellende Dokument direkt bekannt zu machen, ist aufgrund datenschutzrechtlicher Erwägungen nicht mehr gegeben.

Die Benachrichtigung soll weitgehend einen neutralen Inhalt haben. Sie muss die Behörde, für die zugestellt wird, den Namen und die letzte Anschrift des Zustellungsadressaten, das Datum und das Aktenzeichen des Dokuments, sowie die Stelle, wo das Dokument eingesehen werden kann, erkennen lassen (§ 10 Abs. 2 Satz 2 VwZG).

Die ausgehängte Benachrichtigung hat die Funktion einer Erklärung, die die Zustellung beurkundet. Aus ihr muss sich das öffentlich zugestellte Dokument bzw. der öffentlich zugestellte Steuerbescheid in einer Weise ergeben, dass keine Zweifel an der Nämlichkeit aufkommen können ( BStBl 1996 II S. 301). In der Benachrichtigung ist deshalb darauf zu achten, dass das zuzustellende Dokument hinreichend konkretisiert wird.

Bei Steuerbescheiden sind neben dem Aktenzeichen und dem Datum auch die Steuerart und der Zeitraum des Bescheids anzugeben. Ggf. ist auch eine Unterscheidung zwischen dem erstmaligen und dem geänderten Bescheid vorzunehmen (z.B. durch die Angabe: „Änderungsbescheid zur Einkommensteuer für 2000 vom ”). Hat das Dokument oder der Bescheid ausnahmsweise kein Datum, muss die Konkretisierung in anderer Weise vorgenommen werden.

Die Benachrichtigung muss ferner den Hinweis erhalten, dass das Dokument öffentlich zugestellt wird und Fristen in Gang gesetzt werden können, nach deren Ablauf Rechtsverluste eintreten können (§ 10 Abs. 2 Satz 3 VwZG). Bei der Zustellung einer Ladung muss die Benachrichtigung den Hinweis erhalten, dass das Dokument eine Ladung zu einem Termin enthält, dessen Versäumung Rechtsnachteile zur Folge haben kann (§ 10 Abs. 2 Satz 4 VwZG).

Die Anordnung der Zustellung ist mangels eigenen Regelungsgehalts kein Verwaltungsakt und daher nicht rechtsbehelfsfähig ( BFH/NV 1991, 335; BStBl 2000 II S. 520).

b) Beurkundung der öffentlichen Zustellung

Auf der Benachrichtigung sind der Tag des Aushängens und der Tag der Abnahme zu vermerken. Nach § 10 Abs. 2 Satz 5 VwZG ist in den Akten zu vermerken, wann und in welcher Weise die Benachrichtigung bekannt gegeben wurde.

Nach dem (BStBl 1985 II S. 597) ist die Wirksamkeit einer öffentlichen Zustellung nur dann gegeben, wenn der Vermerk über die Zeitpunkte des Aushängens und der Abnahme auf der Benachrichtigung mit dem vollen Namen des zuständigen Beamten unterzeichnet ist. Sind demnach Datumsvermerke nur mit einem Namenszeichen versehen, ist die Zustellung unwirksam.

Es ist deshalb sicherzustellen, dass der zuständige Bearbeiter auf der Benachrichtigung (Vorlage Nr. 13 30 02 0) in dem dafür vorgesehenen Feld sowohl bei dem Datum des Aushanges als auch bei dem der Abnahme seinen vollständigen Namenszug (Unterschrift) anbringt.

c) Dauer des Aushangs

Die Benachrichtigung muss stets bis zu dem Zeitpunkt ausgehängt werden, zu dem die Zustellung nach § 10 Abs. 2 Satz 6 VwZG als bewirkt anzusehen ist. Das gilt auch dann, wenn der Empfänger vor Fristablauf beim FA erscheint und ihm das zuzustellende Dokument ausgehändigt wird. Die Aushändigung ist auf dem Aushang zu vermerken. Auch in diesen Fällen verbleibt es bei dem durch § 10 Abs. 2 Satz 6 VwZG bestimmten Zustellungstag. Ein Aushang über die Frist hinaus ist unschädlich.

5. Tag der Zustellung

Das Dokument gilt nach § 10 Abs. 2 Satz 6 VwZG an dem Tag als zugestellt, an dem seit dem Tag der Bekanntmachung der Benachrichtigung zwei Wochen vergangen sind.

Die Fristen des § 10 Abs. 2 Satz 6 VwZG bestimmen sich nach § 108 Abs. 1 AO i.V. mit §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB. Danach ist bei der Berechnung der Aushangsfrist der Tag des Aushangs nicht mitzurechnen. Die Frist endet mit Ablauf des Tages, der dem Aushängetag kalendermäßig entspricht. Am darauf folgenden Tag gilt die Zustellung als bewirkt.

Fällt das Ende der Frist auf einen Samstag, Sonntag oder einen gesetzlichen Feiertag, so ist § 108 Abs. 3 AO entsprechend dem BStBl 2003 II S. 898, anwendbar. Die Frist endet dann mit Ablauf des nächstfolgenden Werktags.

OFD Frankfurt/M. v. - S 0284 A - 21 - St II 4.04

Fundstelle(n):
AAAAB-84553