OFD Magdeburg - S 1134 - 2 - St 251

Öffentliche Zustellung

1 Vorbemerkung

Das VwZG ist durch Artikel 1 des Gesetzes zur Novellierung des Verwaltungszustellungsrechts vom (BGBl 2005 I S. 2354; BStBl 2005 I S. 855 [Auszug]) mit Wirkung zum neu gefasst worden. Rechtsgrundlage für die öffentliche Zustellung, die sich bisher nach § 15 VwZG a. F. richtete, ist ab diesem Zeitpunkt § 10 VwZG.

Die Zustellung kann durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen, wenn

2 Voraussetzungen für die öffentliche Zustellung

Die öffentliche Zustellung als besondere Form der Zustellung ist nur zulässig, wenn alle Möglichkeiten erschöpft sind, das Dokument dem Empfänger in anderer Weise zu übermitteln. Dabei ist auf Folgendes zu achten:

2.1 Der Aufenthaltsort des Empfängers ist nicht schon deshalb unbekannt, weil das FA seine Anschrift im Zeitpunkt der beabsichtigten Bekanntgabe nicht kennt oder Briefe als unzustellbar zurückkommen. Die Anschrift muss vielmehr allgemein unbekannt sein. [1] Dies ist durch eine Bescheinigung der zuständigen Meldebehörde oder der Polizei oder auf andere Weise zu belegen. Die bloße Abmeldung bei der Meldebehörde ist hierzu nicht ausreichend.

Das FA muss daher vor der öffentlichen Zustellung die nach Sachlage gebotenen und zumutbaren Ermittlungen nach dem Aufenthaltsort des Empfängers anstellen. Dazu gehören Nachforschungen bei der zuletzt zuständigen Meldebehörde, u. U. aber auch die Befragung von Angehörigen oder des bisherigen Vermieters. [2] Mutmaßlichen Aufenthaltsorten des Empfängers muss durch Rückfragen bei der zuständigen Meldebehörde bzw. anderen in Betracht kommenden Institutionen oder Personen nachgegangen werden.

Ist dem FA eine bereits erfolgreich für Zustellungen benutzte Wohnanschrift eines Beteiligten bekannt, rechtfertigt allein der Umstand, dass ein erneuter Zustellungsversuch unter dieser Anschrift fehlschlägt, nicht die Anordnung der öffentlichen Zustellung unter der Annahme, dass der Aufenthaltsort des Empfängers unbekannt sei. [3] Auch die bloße Vermutung, dass eine Adresse, an die sich der Zustellungsempfänger bei der Meldebehörde abgemeldet hat, eine Scheinadresse ist, rechtfertigt eine öffentliche Zustellung nicht. Erforderlich sind vielmehr Tatsachen, die es von vornherein als ausgeschlossen erscheinen lassen, dass der Zustellungsempfänger unter der von ihm genannten Anschrift wohnt. [4]

Bei einer auf Verheimlichung des Aufenthaltsorts gerichteten Handlungsweise eines Zustellungsempfängers ist es unbillig und ungerechtfertigt, besonders eingehende Ermittlungen des Zustellenden zu fordern. In diesem Fall obliegt es dem Zustellungsempfänger, entweder dem Zustellenden seinen Aufenthaltsort mitzuteilen oder eine Person zu benennen, die ermächtigt ist, für ihn das zuzustellende Schriftstück in Empfang zu nehmen. Befindet sich ein Steuerpflichtiger auf der Flucht, um sich einer Strafverfolgung (wegen Steuerhinterziehung) zu entziehen, erfüllt das FA seine Verpflichtung zu prüfen, ob der Aufenthalt des Steuerpflichtigen allgemein unbekannt ist, wenn sie versucht, die Anschrift des Steuerpflichtigen durch die Meldebehörde oder die Polizei zu ermitteln und sich ggf. beim Bevollmächtigten des Steuerpflichtigen erkundigt. [5]

Ist das FA seiner Ermittlungspflicht nachgekommen, ist die öffentliche Zustellung zulässig, auch wenn das Ergebnis der Ermittlungshandlungen, z. B. in Folge unrichtiger Auskunft, falsch war, das FA jedoch auf die Richtigkeit der Auskunft vertrauen durfte. [6]

Verletzt das FA seine Ermittlungspflicht, ist die öffentliche Zustellung unwirksam; der Zustellungsmangel ist aber nach § 8 VwZG heilbar. [7]

2.2 Eine öffentliche Zustellung kommt auch dann in Betracht, wenn die Zustellung im Ausland unausführbar ist, weil z. B. ein ausländischer Staat Amts- oder Rechtshilfe verweigert oder weil es in dem Gebiet des Empfängerstaates in Folge (Bürger)Krieges an geordneten staatlichen Verhältnissen fehlt (vgl. AO-Kartei OFD Magdeburg § 9 VwZG Karte 1 Tz. 3).

3 Anordnung der öffentlichen Zustellung

Gem. § 122 Abs. 5 Satz 1 AO wird ein Verwaltungsakt zugestellt, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist oder behördlich angeordnet wird. Die Anordnung der Zustellung (UNIFA-Vorlage „Org 30.1 – Öffentliche Zustellung Anordnung”; Ordner OFD und Finanzamt\Allgemein) ist mangels eigenen Regelungscharakters kein Verwaltungsakt und daher nicht rechtsbehelfsfähig. [8]

4 Durchführung der öffentlichen Zustellung

Nach § 10 Abs. 2 Satz 1 VwZG erfolgt die öffentliche Zustellung durch Bekanntmachung einer Benachrichtigung an der Stelle, die von der Behörde hierfür allgemein bestimmt ist (Aushang), oder durch Veröffentlichung einer Benachrichtigung im Bundesanzeiger oder im elektronischen Bundesanzeiger. Die OFD bittet, ausschließlich von der Bekanntmachung durch Aushang Gebrauch zu machen.

Die Benachrichtigung muss die Behörde, für die zugestellt wird, den Namen und die letzte Anschrift des Zustellungsadressaten, das Datum und das Aktenzeichen des Dokuments sowie die Stelle, wo das Dokument eingesehen werden kann, erkennen lassen (§ 10 Abs. 2 Satz 2 VwZG). Da in der Benachrichtigung der bekannt zu gebende Verwaltungsakt so zu bezeichnen ist, dass seine zweifelsfreie Identifikation möglich ist, müssen bei Verwaltungsakten neben Datum und Aktenzeichen auch die Steuerart(en) und ggf. der Besteuerungszeitraum angegeben werden (z. B.: Bescheid für 2004 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom ).

Die Benachrichtigung muss ferner den Hinweis enthalten, dass das Dokument öffentlich zugestellt wird und Fristen in Gang gesetzt werden können, nach deren Ablauf Rechtsverluste eintreten können (§ 10 Abs. 2 Satz 3 VwZG). Bei der Zustellung einer Ladung muss die Benachrichtigung den Hinweis enthalten, dass das Dokument eine Ladung zu einem Termin enthält, dessen Versäumung Rechtsnachteile zur Folge haben kann (§ 10 Abs. 2 Satz 4 VwZG).

Für die Benachrichtigung ist die UNIFA-Vorlage „AO 122_5 – Öffentliche Zustellung Aushang” (Ordner OFD und Finanzamt\Geschäftsstelle\Allgemein) zu verwenden.

5 Beurkundung der öffentlichen Zustellung

5.1 Nach § 10 Abs. 2 Satz 5 VwZG ist in den Akten zu vermerken, wann und wie die Benachrichtigung bekannt gemacht wurde.

Nach der Rechtsprechung des BFH [9] ist die Wirksamkeit einer öffentlichen Zustellung nur dann gegeben, wenn der Vermerk über die Zeitpunkte des Aushängens und der Abnahme auf dem zuzustellenden Schriftstück selbst oder auf der Benachrichtigung mit dem vollen Namen des zuständigen Beschäftigten unterzeichnet ist. Sind Datumsvermerke nur mit einem Namenszeichen versehen, so ist die Zustellung unwirksam.

Die OFD bittet deshalb, dafür Sorge zu tragen, dass der zuständige Beschäftigte auf der Benachrichtigung (UNIFA-Vorlage AO 122_5 – Öffentliche Zustellung Aushang) in dem dafür vorgesehenen Feld sowohl bei dem Datum des Aushangs als auch bei dem der Abnahme seinen vollständigen Namenszug (Unterschrift) anbringt.

5.2 Gem. § 10 Abs. 2 Satz 6 VwZG gilt das Dokument als zugestellt, wenn seit dem Tag der Bekanntmachung der Benachrichtigung zwei Wochen vergangen sind. Die Benachrichtigung muss stets bis zu dem Zeitpunkt ausgehängt werden. Das gilt auch dann, wenn der Empfänger vor Fristablauf bei der Behörde erscheint und ihm das zuzustellende Dokument ausgehändigt wird. Die Aushändigung ist auf dem Aushang zu vermerken. Auch in diesen Fällen verbleibt es bei dem durch § 10 Abs. 2 Satz 6 VwZG bestimmten Zustellungstag. Ein Aushang über die Frist hinaus ist unschädlich.

5.3 Die Fristen des § 10 Abs. 2 Satz 6 VwZG bestimmen sich nach § 108 AO i. V. m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB. Danach ist bei der Berechnung der Aushangsfrist der Tag des Aushangs nicht mitzurechnen. Der letzte Tag der Frist gilt als der Tag der Bekanntgabe (Zustellung). § 108 Abs. 3 AO ist anwendbar (vgl. AEAO zu § 108, Nr. 2).

5.4 Es ist darauf zu achten, dass Zahlungsaufforderungen und Rechtsbehelfsbelehrungen an die verlängerte Zustelldauer des § 10 Abs. 2 Satz 6 VwZG angepasst werden.

OFD Magdeburg v. - S 1134 - 2 - St 251

Fundstelle(n):
TAAAB-77034

1 BFH/NV 1987 S. 98

2siehe hierzu EFG 1996 S. 515

3 BFH/NV 2005 S. 830

4 BStBl 2000 II S. 560

5 BFH/NV 2005 S. 998

6 BFH/NV 1991 S. 13

7 BFH/NV 1992 S. 81

8 BFH/NV 1991 S. 335; BStBl 2000 II S. 520

9 BStBl 1985 II S. 597