BFH Beschluss v. - I B 226/04

Instanzenzug:

Gründe

I. Streitig ist, ob der im Abwicklungszeitraum einer Kapitalgesellschaft angefallene Gewinn („Betriebsaufgabegewinn”) als Gewerbeertrag zu erfassen ist.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) —eine GmbH— wurde durch Gesellschafterbeschluss vom zum aufgelöst und nach ihrer Abwicklung ( bis zum ) im Handelsregister gelöscht. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) setzte auf der Grundlage eines „Gewinn(s) aus Gewerbebetrieb” von 453 095 DM (1997) bzw. 339 821 DM (1998) den Gewerbesteuermessbetrag fest.

Der Einspruch blieb erfolglos. Die Klage wurde vom Finanzgericht (FG) abgewiesen, die Revision nicht zugelassen.

Die Klägerin macht mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde geltend, dass eine Rechtssache mit grundsätzlicher Bedeutung vorliege. Die Rechtslage sei —gerade auch nach dem Senatsurteil vom I R 27/01, BFHE 196, 293, BStBl II 2002, 155— zweifelhaft und umstritten.

Das FA verweist auf das Senatsurteil in BFHE 196, 293, BStBl II 2002, 155; bisher nicht erwogene Gesichtspunkte habe die Klägerin nicht vorgebracht.

II. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht in der in § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO geforderten Art und Weise dargelegt.

1. Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) erfordert —wenn eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu der entscheidungserheblichen Rechtsfrage bereits vorliegt— Ausführungen dazu, inwiefern und aus welchen Gründen die Rechtsfrage weiterhin umstritten ist, insbesondere, welche neuen und vom BFH bisher nicht geprüften Gesichtspunkte in der Rechtsprechung der Finanzgerichte gegen die Rechtsauffassung des BFH vorgebracht werden (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom VIII B 35/02, BFH/NV 2003, 333; vom V B 184/01, BFH/NV 2003, 1071; vom VIII B 183/02, BFH/NV 2004, 177; s. auch Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 116 FGO Rz. 179; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rz. 33; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 116 FGO Tz. 41 f.). Dem genügt die Beschwerdeschrift nicht.

2. Die entscheidungserhebliche Rechtsfrage wurde vom BFH in dem von den Beteiligten angeführten Urteil in BFHE 196, 293, BStBl II 2002, 155 gerade auch unter Hinweis auf den Gesichtspunkt der Rechtssicherheit entsprechend der bisherigen Rechtsprechung beantwortet. Nach dem Ergehen der Entscheidung, die langjähriger Verwaltungspraxis entspricht (zuletzt Abschn. 40 Abs. 2 der Gewerbesteuer-Richtlinien 1998), haben andere Senate des BFH diese Linie ebenfalls fortgesetzt (, BFHE 197, 425, BStBl II 2004, 474; , BFH/NV 2002, 811; , BFHE 205, 140, BStBl II 2004, 515; vom VIII R 7/01, BFHE 205, 307, BStBl II 2004, 754), auch das FG Münster hat sich angeschlossen (Urteil vom 9 K 2871/99 K, G, F, juris, vom Senat aus anderen Gründen teilweise aufgehoben durch Senatsurteil vom I R 7/02, BFHE 207, 429). Der Gesetzgeber hat z.B. durch die Regelung des § 18 Abs. 4 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) (s. BFH-Urteil in BFHE 197, 425, BStBl II 2004, 474, 478) und durch die Einfügung eines Satzes 2 in § 7 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) für Erhebungszeiträume ab 2002 (durch Unternehmensteuerfortentwicklungsgesetz vom , BGBl I 2001, 3858, BStBl I 2002, 35) deutlich gemacht, dass er dieser Rechtsauslegung folgt (zu der Motivation betr. § 7 Satz 2 GewStG s. BTDrucks 14/6882, S. 41 bzw. 14/7344, S. 12, und z.B. Blümich/ v. Twickel, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, § 7 GewStG Rz. 151). Abweichende Stellungnahmen in der Literatur sind seitdem nicht bekannt geworden. Dass die vom erkennenden Senat in seinem Urteil angesprochene Kritik in der Literatur weiterhin aufrecht erhalten wird, reicht für „neue, bisher nicht geprüfte Gesichtspunkte” nicht aus; da auf die Sachargumente der Kritik eingegangen wurde, ist nicht erheblich, dass eine von der Klägerin benannte Literaturstelle nicht ausdrücklich angeführt wurde.

Auch der Umstand, dass die Klägerin die Rechtsfrage ausweislich ihrer Auseinandersetzung mit den inhaltlichen Aspekten des Urteils in BFHE 196, 293, BStBl II 2002, 155 in einem anderen Sinn beantwortet wissen möchte, macht die Rechtslage nicht schon aus sich heraus zweifelhaft. Es kann im Übrigen auch nicht aus einer —nicht entscheidungserheblichen (s. BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 811)— Zusatzbemerkung in den Entscheidungsgründen auf einen „inneren Widerspruch” der Entscheidung geschlossen werden. Mit der dort aufgezeigten rechtspolitischen Möglichkeit, die Besteuerung von „Betriebsaufgabegewinnen” auf andere Steuersubjekte zu erstrecken, wird die für rechtmäßig erklärte Besteuerung der Kapitalgesellschaft schließlich nicht unter dem Gesichtspunkt eines vom Gesetzgeber verantworteten „strukturellen Vollzugsdefizits” (im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts —BVerfG—, z.B. vom 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, 271 f., BStBl II 1991, 654) verfassungswidrig. Denn wenn es der Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums (dazu z.B. BVerfG-Beschluss 1 BvL 10/98 vom , BStBl II 1999, 509, 511) unterlässt, einen entsprechenden Besteuerungstatbestand zu schaffen (was wiederum auch z.B. in § 7 Satz 2 GewStG zum Ausdruck kommt), fehlt es an einer Erhebungsregelung, die gegenüber dem Besteuerungstatbestand „strukturell gegenläufig” wirkt.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 364 Nr. 2
QAAAB-73082