Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main - S 0342 A - 4 - St II 4.02

Ablaufhemmung

Bezug: BStBl 2005 I S. 838

1. Die Ablaufhemmung schiebt das Ende der Festsetzungsfrist hinaus. Die Festsetzungsfrist endet in diesen Fällen meist nicht – wie im Normalfall – am Ende, sondern im Laufe eines Kalenderjahres. Wegen der Fristberechnung Hinweis auf § 108.

2. Eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 setzt voraus, dass der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist einen Antrag auf Steuerfestsetzung oder auf Korrektur einer Steuerfestsetzung stellt. Anträge auf Billigkeitsmaßnahmen nach §§ 163 oder 227 hemmen den Fristablauf nicht nach § 171 Abs. 3; eine Billigkeitsentscheidung nach § 163 bewirkt aber als Grundlagenbescheid eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 (vgl. dazu ; BStBl 2001 II S. 178).

Die Abgabe einer gesetzlich vorgeschriebenen Steuererklärung kann für sich allein eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 grundsätzlich nicht herbeiführen (; BStBl 1992 II S. 124, und ; BFH/NV 1995 S. 756). Dies gilt hinsichtlich einer Umsatzsteuererklärung auch dann, wenn mit ihr ein Anspruch auf Auszahlung eines Überschusses geltend gemacht wird (; BFH/NV 1996 S. 1).

2a. § 171 Abs. 3a Satz 3 hemmt den Ablauf der Festsetzungsfrist nur im Falle der gerichtlichen Kassation eines angefochtenen Bescheids (vgl. ; BStBl 2005 II S. 122, für Haftungsbescheide). Diese Ablaufhemmung gilt nicht im Fall der Aufhebung des Bescheids durch die Finanzbehörde; denn mit der Aufhebung eines Bescheids verliert er seine ablaufhemmende Wirkung. Hebt die Finanzbehörde allerdings in einem Verwaltungsakt den angefochtenen Bescheid unter gleichzeitigem Erlass eines neuen Bescheids auf, ist der neue Bescheid noch innerhalb der nach § 171 Abs. 3a Satz 1 gehemmten Festsetzungsfrist ergangen (vgl. ; BStBl 2005 II S. 323, für Haftungsbescheide).

3. Der Ablauf der Festsetzungsfrist wird durch den Beginn einer Außenprüfung (vgl. zu § 198, Nrn. 1 und 2) hinausgeschoben (§ 171 Abs. 4). Die Ablaufhemmung tritt nicht ein, wenn eine zugrunde liegende Prüfungsanordnung unwirksam ist (; BStBl 1988 II S. 165, und ; BFH/NV 1993 S. 279). Eine Außenprüfung hemmt den Ablauf der Festsetzungsfrist nur für Steuern, auf die sich die Prüfungsanordnung erstreckt (; BStBl 1991 II S. 824, und ; BStBl 1996 II S. 338). Wird die Außenprüfung später auf bisher nicht einbezogene Steuern ausgedehnt, ist die Ablaufhemmung nur wirksam, soweit vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Prüfungsanordnung erlassen (vgl. zu § 196, Nr. 5) und mit der Außenprüfung auch insoweit ernsthaft begonnen wird (; BStBl 1994 II S. 377). Der Ablauf der Festsetzungsfrist wird auch gehemmt, wenn die Prüfungsanordnung entweder angefochten und die Vollziehung ausgesetzt oder auf Antrag des Steuerpflichtigen der Beginn der Außenprüfung verschoben wurde (; BStBl 1989 II S. 76, ; BStBl 1989 II S. 483, und ; BStBl 1999 II S. 4).

4. Die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 5 bei Ermittlungen der Steuerfahndung (Zollfahndung) umfasst – anders als im Fall des § 171 Abs. 4 – nicht den gesamten Steueranspruch; vielmehr tritt die Hemmung nur in dem Umfang ein, in dem sich die Ergebnisse der Ermittlungen auf die festzusetzende Steuer auswirken (; BStBl 1999 II S. 478).

5. Bei einer vorläufigen Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 1 Satz 1 endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres, nachdem die Finanzbehörde von der Beseitigung der Ungewissheit Kenntnis erhalten hat (§ 171 Abs. 8 Satz 1). Bei einer vorläufigen Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 1 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren, nachdem die Finanzbehörde von der Beseitigung der Ungewissheit Kenntnis erlangt hat (§ 171 Abs. 8 Satz 2). Die Ablaufhemmung beschränkt sich dabei auf den für vorläufig erklärten Teil der Steuerfestsetzung.

Eine Ungewissheit, die Anlass für eine vorläufige Steuerfestsetzung war, ist beseitigt, wenn die Tatbestandsmerkmale für die endgültige Steuerfestsetzung feststellbar sind. „Kenntnis” i.S.d. § 171 Abs. 8 verlangt positive Kenntnis der Finanzbehörde von der Beseitigung der Ungewissheit, ein „Kennen-müssen” von Tatsachen steht der Kenntnis nicht gleich (; BStBl 1993 II S. 5).

6. § 171 Abs. 10 Satz 1 gewährt eine maximale Anpassungsfrist von zwei Jahren nach Bekanntgabe eines Grundlagenbescheids (vgl. ; BStBl 2005 II S. 242). Der Zeitpunkt des Zugangs der verwaltungsinternen Mitteilung über den Grundlagenbescheid bei der für den Erlass des Folgebescheids zuständigen Finanzbehörde ist für die Fristbestimmung ebenso unbeachtlich wie der Zeitpunkt, an dem der Grundlagenbescheid unanfechtbar geworden ist. Eine Anfechtung des Grundlagenbescheids führt lediglich zur Hemmung der Feststellungsfrist (§ 181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 171 Abs. 3a), nicht aber zur Hemmung der Festsetzungsfrist der Folgebescheide (vgl. a.a.O.).

6.1 Werden Feststellungen im Grundlagenbescheid in einem Feststellungs-, Einspruchs- oder Klageverfahren geändert, führt dies zu einer erneuten Anpassungspflicht nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und damit wiederum zu einer Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 Satz 1. Dagegen setzt ein Grundlagenbescheid, der einen gleichartigen, dem Inhaltsadressaten wirksam bekannt gegebenen Steuerverwaltungsakt in seinem verbindlichen Regelungsgehalt lediglich wiederholt, oder eine Einspruchs- oder Gerichtsentscheidung, die einen Grundlagenbescheid lediglich bestätigt, keine neue Zwei-Jahresfrist in Lauf (vgl. ; BStBl 2001 II S. 471 und vom , a.a.O.).

6.2 Die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung eines Grundlagenbescheids steht dem Erlass eines geänderten Grundlagenbescheids gleich. Sie setzt daher die Zwei-Jahresfrist des § 171 Abs. 10 Satz 1 in Lauf. Dies gilt auch dann, wenn der Vorbehalt der Nachprüfung hinsichtlich des Grundlagenbescheids aufgehoben wird, ohne dass eine sachliche Änderung des Grundlagenbescheids erfolgt (; BFH/NV 1995 S. 943). Soweit ein Folgebescheid den nunmehr endgültigen Grundlagenbescheid noch nicht berücksichtigt hat, muss er selbst dann nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 korrigiert werden, wenn der Vorbehalt der Nachprüfung des Grundlagenbescheids aufgehoben wurde, ohne dass eine sachliche Änderung des Grundlagenbescheids erfolgt.

6.3 Die Festsetzungsfrist für einen Folgebescheid läuft nach § 171 Abs. 10 Satz 2 nicht ab, solange der Ablauf der Festsetzungsfrist des von der Bindungswirkung nicht erfassten Teils der Steuer aufgrund einer Außenprüfung nach § 171 Abs. 4 gehemmt ist. Diese Regelung ermöglicht es, die Anpassung des Folgebescheids an einen Grundlagenbescheid (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und die Auswertung der Ergebnisse der Außenprüfung zusammenzufassen.

6.4 Bei der Entscheidung, ob eine gesonderte Feststellung durchgeführt oder geändert werden kann, ist die Frage der Verjährung der von der Feststellung abhängigen Steuern nicht zu prüfen. Ist die Feststellungsfrist bereits abgelaufen, die Steuerfestsetzung in einem Folgebescheid aber noch zulässig, so gilt § 181 Abs. 5.

6.5 Beispiele zur Anwendung des § 171 Abs. 10 Satz 1 [1]

Beispiel 1:

Bei der im Jahr 03 durchgeführten ESt-Veranlagung 01 (Abgabe der Steuererklärung im Jahr 03) wurden die Beteiligungseinkünfte in erklärter Höhe berücksichtigt. Ein von den erklärten Werten abweichender Grundlagenbescheid wird am bekannt gegeben.

Lösung:

Obgleich die allgemeine Festsetzungsfrist gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 mit Ablauf des endet, kann eine Anpassung des ESt-Bescheids 01 an den Grundlagenbescheid gem. § 171 Abs. 10 Satz 1 bis zum Ablauf des erfolgen, da insoweit die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids endet.

Beispiel 2:

Wie Beispiel 1, allerdings wird der Grundlagenbescheid am bekannt gegeben.

Lösung:

Eine Anpassung des ESt-Bescheids kann bis zum Ablauf der allgemeinen Festsetzungsfrist am erfolgen. Ohne Bedeutung ist, dass die Zwei-Jahresfrist des § 171 Abs. 10 Satz 1 bereits mit Ablauf des endet.

Beispiel 3:

Wie Beispiel 1, die Bekanntgabe des Grundlagenbescheids erfolgt in offener Feststellungsfrist, jedoch nach Ablauf der allgemeinen Festsetzungsfrist, am .

Lösung:

Eine Anpassung des ESt-Bescheids 01 an den Grundlagenbescheid ist gem. § 171 Abs. 10 Satz 1 bis zum Ablauf des möglich, da die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids endet.

7. § 171 Abs. 14 verlängert die Festsetzungsfrist bis zum Ablauf der Zahlungsverjährung für die Erstattung von rechtsgrundlos gezahlten Steuern. Die Finanzbehörde kann daher Steuerfestsetzungen, die wegen Bekanntgabemängeln unwirksam waren oder deren wirksame Bekanntgabe die Finanzbehörde nicht nachweisen kann (vgl. § 122 Abs. 2 Halbsatz 2), noch nach Ablauf der regulären Festsetzungsfrist nachholen, soweit die Zahlungsverjährungsfrist für die bisher geleisteten Zahlungen noch nicht abgelaufen ist (vgl. ; BStBl 2001 II S. 430).

Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main v. - S 0342 A - 4 - St II 4.02

Fundstelle(n):
UAAAB-66855

1Es wird unterstellt, dass kein Fristende auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend fällt.