Oberfinanzdirektion Münster - S 2170 - 118 - St 12 - 33

Ertragsteuerliche Behandlung von Prozesskostenfonds

In Berlin ist ein Fonds-Modell bekannt geworden, dessen ertragsteuerliche Behandlung auf Bundesebene erörtert wurde.

Das Fondsmodell soll bundesweit von mehreren Initiatoren angeboten werden. Gegenstand des Fonds in der Rechtsform einer GmbH & Co KG ist die Finanzierung von Prozesskosten Dritter.

Finanziert werden grundsätzlich sämtliche Prozesse, die auf Leistung von Geld oder geldwerten Ansprüchen gerichtet sind. Kommt ein Finanzierungsvertrag zustande, trägt die Gesellschaft sämtliche Kosten des Verfahrens. Den Prozess selbst führt der Kläger als mutmaßlicher Anspruchsinhaber mit einem Anwalt seines Vertrauens. Laut Fondsprospekt muss der Anspruchsinhaber dem Prozessfinanzierer den jeweils aktuellen Prozessstand in Form von Kopien sämtlicher Schriftsätze nebst Anlagen berichten.

Daneben betreibt die Finanzierungsgesellschaft eine aufmerksame Prozessbeobachtung, damit ggf. auf Unvorhergesehenes reagiert werden kann.

Zur regelmäßigen Prüfung der Erfolgsaussichten, Prozessbegleitung und Prozesskostenfinanzierung bedient sich der Fonds eines sog. Geschäftsbesorgers, der bereits am Markt als eingeführter Prozessfinanzierer tätig ist. Dieser Geschäftsbesorger ist der Initiator für das Fondsmodell und Gründungsgesellschafter.

Nach dem abgeschlossenen Geschäftsbesorgungs- und Prozessfinanzierungsvertrag übernimmt der Geschäftsbesorger für den Fonds auch die Prozessbeschaffung. Dabei sind dem bekannt gewordenen Fonds Prozesse mit einem Streitwertvolumen in Höhe von 150 Mio. Euro zugesagt worden.

Alle genannten und erforderlichen Leistungen erbringt der Geschäftsbesorger im eigenen Namen und auf eigene Rechnung.

Als Vergütung steht ihm hierfür ein Betrag in Höhe von 13 Mio. Euro zu, der vorab zu zahlen ist. Über diesen Betrag wird nicht abgerechnet. Sind die tatsächlichen Aufwendungen des Geschäftsbesorgers niedriger, erzielt er einen entsprechenden Überschuss, sind sie höher, entsteht ihm insoweit ein Verlust.

Nach Beendigung des jeweiligen Prozesses steht dem Fonds – über den Geschäftsbesorger – ein Anteil von 30 % des Prozesserlöses zzgl. Umsatzsteuer ungeschmälert zu.

Der bekannt gewordene Fonds besteht lt. Gesellschaftsvertrag bis zum .

Sollten die finanzierten Prozesse bis dahin nicht abgeschlossen worden sein, kann die Gesellschaft fortgeführt werden oder aber die Gesellschafter beschließen den Verkauf der Ansprüche des Fonds aus den noch laufenden Prozessen.

Die Fondsgesellschaft für 2004 die ihr in der sog. Investitionsphase entstandenen Aufwendungen – insbesondere die Vergütung für den Geschäftsbesorger – als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben erklärt.

Der Rechtsauffassung der Fondsgesellschaft kann nicht zugestimmt werden.

Der Fonds stellt einen sog. Erwerberfonds dar (Tz. 33 des  IV C 3 – S 2253a – 48/03, BStBl 2003 I S. 546), bei dem die Anleger keine wesentlichen Einflussnahmemöglichkeiten haben.

Gegenstand der Anschaffung ist ein immaterielles Wirtschaftsgut in Form des Anspruches auf Beteiligung am Prozesserfolg.

Hierzu gehört die Konzeption des Fonds selbst, die Geschäftsidee, die im Prospekt angekündigten Ertragsaussichten und die „Vermittlung” eines erfahrenen Geschäftsbesorgers mit entsprechendem „know how” und den erforderlichen Branchenkenntnissen. Die dem Fonds in Rechnung gestellten Beträge für Grundkonzeption, Rechtskonzeption und steuerliche Konzeption stellen Anschaffungskosten dieses Wirtschaftsgutes dar, denen gemäß Tz. 38 des a.a.O., alle sonstigen Aufwendungen hinzugerechnet werden, die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Abwicklung des Projekts in der Investitionsphase anfallen.

Die Vergütung für den Geschäftsbesorger kann – unabhängig vom Fondserlass – schon deshalb nicht den sofort abzugsfähigen Betriebsausgaben zugerechnet werden, weil dem Aufwand der Anspruch auf Ausführung der sog. Geschäftsbesorgungsleistungen gegenübersteht, welcher als „Vorleistung aus einem schwebenden Geschäft” zu aktivieren wäre.

Die Auflösung der vorgenannten Bilanzposition(en) ist nicht linear über die Zeitdauer des sog. Geschäftsbesorgungsvertrages vorzunehmen, sondern prozentual im Umfang des anteiligen Streitwerts der entschiedenen Prozesse zum insgesamt zugesagten Streitwertvolumen. Damit erfolgt die Auflösung unabhängig vom Erfolg bzw. Ausgang des Prozesses. Diese Verfahrensweise trägt weiterhin dem Umstand Rechnung, dass der Geschäftsbesorger über seine Vergütung nicht abrechnet, demzufolge seine Vergütung nicht aufwandsbezogen sondern streitwertbezogen gezahlt wird.

Beispiel:

Ein Prozess mit einem Streitwert von 3 Mio. Euro wird beendet.

Die aktiven Bilanzwerte sind in Höhe von 2 % erfolgswirksam aufzulösen.

Dieser Wert ermittelt sich wie folgt:

3 Mio. Euro Streitwert/150 Mio. Euro vom Geschäftsbesorger zugesagtes Streitwertvolumen = 2 %.

Oberfinanzdirektion Münster v. - S 2170 - 118 - St 12 - 33

Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
IAAAB-57829