Finanzministerium NRW - S 2282 - 32 - V B 3

Einbeziehung von Sozialversicherungsbeiträgen eines Kindes in den Grenzbetrag i. S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG

Bezug:

Kinder, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, werden im Rahmen des Familienleistungsausgleichs (Kindergeld/Freibeträge für Kinder) nur berücksichtigt, wenn deren eigenen Einkünfte und Bezüge den unschädlichen Betrag (Grenzbetrag) von derzeit 7.680 € nicht übersteigen (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG). Der Ansatz der Einkünfte und Bezüge des Kindes setzt allerdings voraus, dass diese zur Bestreitung des Lebensunterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt und geeignet sind.

In diesem Zusammenhang hat das ; vgl. Pressemitteilung des BVerfG Nr. 40/2005 vom ) entschieden, dass die Einbeziehung von Sozialversicherungsbeiträgen des Kindes in den Grenzbetrag gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz verstößt. Folglich sind die Einkünfte des Kindes um die Arbeitnehmeranteile der gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge (Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung) zu kürzen.

Diese Entscheidung hat nicht nur unmittelbare Auswirkungen auf die Festsetzung von Kindergeld bzw. die steuermindernde Berücksichtigung der Freibeträge für Kinder im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung der Eltern (vgl. Günstigerprüfung i. S. des § 31 EStG), sondern auch mittelbare Auswirkungen auf andere steuerrechtliche Vergünstigungen, die inhaltlich die Berücksichtung von Kindergeld/Freibeträge für Kinder als Tatbestandsvoraussetzung haben (z. B. Entlastungsbetrag für Alleinerziehende – § 24b EStG –, zumutbare Belastung – § 33 Abs. 3 EStG –, Freibetrag zur Abgeltung des Sonderbedarfs bei Berufsausbildung – § 33a Abs. 2 EStG –, Übertragungsmöglichkeit des Pauschbetrags für behinderte Menschen und des Hinterbliebenen-Pauschbetrags auf die Eltern – § 33b Abs. 5 EStG –, Kinderzulage – § 9 Abs. 5 EigZulG – und Erhöhung der unschädlichen Einkunftsgrenze bei der Eigenheimzulage – § 5 EigZulG –, Kinderzulage im Rahmen der Altersvorsorgezulage – § 85 EStG –).

In seiner Entscheidung hat das BVerfG lediglich festgestellt, dass Sozialversicherungsbeiträge einem Kind nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung stehen. Der Beschluss lässt jedoch ausdrücklich offen, ob auch noch andere zweckgebundene Einkünfte des Kindes unberücksichtigt zu lassen sind. Daher wird derzeit durch die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder erörtert, ob weitere Einkommensbestandteile dem Kind nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung stehen (z. B. Lohn- und Kirchensteuer, Solidaritätszuschlag, Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung) und damit nicht bei der Ermittlung der eigenen Einkünfte und Bezüge des volljährigen Kindes zu erfassen sind.

Aus verfahrensrechtlicher Sicht wird insbesondere zu klären sein, unter welchen Voraussetzungen ggf. rückwirkend Kindergeld bzw. die Freibeträge für Kinder einschließlich der daran anknüpfenden weiteren kindbedingten Steuervergünstigungen gewährt werden können.

Bis zur Veröffentlichung eines in Kürze zu erwartenden die Verfahrens- und materiellrechtlichen Zweifelsfragen klärenden BMF-Schreibens ist im Vorgriff auf diese Verwaltungsanweisung zunächst wie folgt zu verfahren:

Laufende Einkommensteuerveranlagungen für das Kalenderjahr 2004 sind unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts durchzuführen. Darüber hinausgehende Anträge auf Minderung der eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes in Höhe weiterer Einkommensbestandteile sind nicht zu berücksichtigen. Die entsprechenden Steuerfestsetzungen sind allerdings unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) durchzuführen. Gleiches gilt für noch offene Veranlagungen vor dem Kalenderjahr 2004. Diese Regelung gilt nicht nur für die Durchführung der Günstigerprüfung bei der Einkommensteuerveranlagung, sondern auch für mittelbare Auswirkungen auf andere steuerliche Vergünstigungen im Rahmen von offenen Steuerfestsetzungen.

Die Bearbeitung von weiterführenden Anträgen (insbesondere auf Änderung von bestandskräftigen Steuerfestsetzungen) bittet das FinMin bis zum Ergehen der angekündigten Verwaltungsanweisung zurück zu stellen.

Finanzministerium NRW v. - S 2282 - 32 - V B 3

Fundstelle(n):
ZAAAB-54906