BFH Urteil v. - V R 21/04

Vorsteuerberichtigung wegen Uneinbringlichkeit einer Lieferantenforderung bei deren Umwandlung in eine Darlehensforderung gegen den zahlungsunfähigen Leistungsempfänger

Gesetze: UStG § 17 Abs. 2 Nr. 1, § 10

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine KG, wurde 1992 gegründet. Der Gegenstand ihres Unternehmens bestand darin, das Grundstück R in X zu erwerben, zu bebauen und gewerblich zu vermieten. Geschäftsführende Komplementärin ohne Einlage wurde im Jahre 1993 die Firma R-GmbH. Deren Gesellschafter waren zunächst M, S, FS und RS. 1993 und 1994 schieden RS und FS aus der R-GmbH aus. Alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der R-GmbH war M. Kommanditisten der Klägerin waren CS, S und M. CS schied 1994 aus der Klägerin aus; M und S blieben Kommanditisten mit einer Einlage von ... DM.

Wegen finanzieller Schwierigkeiten der Klägerin erklärten sich M und S bereit, weitere Gelder in die Klägerin einzubringen. Zu diesem Zweck kauften sie im Rahmen einer von ihnen errichteten Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) Forderungen auf, die Handwerker gegen die Klägerin hatten. Der den Handwerkern von M und S gezahlte Betrag war um einen sog. Sanierungsabschlag gemindert. Die von der GbR erworbenen Forderungen wurden in verzinsliche Darlehensforderungen der GbR gegen die Klägerin umgewandelt. Insgesamt waren Handwerkerforderungen in Höhe von brutto 1 147 080,18 DM betroffen, aus denen die Klägerin Vorsteuerbeträge in Höhe von 149 618,26 DM geltend gemacht hatte. Die Handwerker erhielten von M und S einen Ausgleich ihrer Forderungen in Höhe von insgesamt brutto 823 794,86 DM. Zum wurde zwischen M und S und der Klägerin vereinbart, dass M und S auf den Ausgleich der Verbindlichkeiten in Höhe von 1 147 080,18 DM durch die Klägerin verzichten, unter gleichzeitiger Umwandlung des Schuldbetrags in Kapitalrücklagen von jeweils 573 540,09 DM.

Nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung gelangte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) aufgrund des vorgenannten Sachverhalts zur Auffassung, die Verbindlichkeiten der Klägerin hätten sich in Höhe des von den Handwerkern getragenen Forderungsverzichts gemindert; die Vorsteuerbeträge der Klägerin seien deshalb gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1993) um 42 167,40 DM zu mindern. Demgemäß änderte er den Umsatzsteuerbescheid für 1994.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) meinte, M und S hätten am auf eine Durchsetzung ihrer an sie abgetretenen Handwerkerforderungen verzichtet; hierdurch sei es zu einer Änderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG 1993 gekommen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden Revision. Sie rügt einen Verstoß gegen § 17 UStG 1993. Sie ist der Ansicht, die zivilrechtlich wirksame Umwandlung einer Lieferantenverbindlichkeit in eine Darlehensverbindlichkeit sei als Erfüllung der Lieferantenverbindlichkeit anzusehen.

Die Klägerin beantragt, den Umsatzsteuerbescheid für 1994 dergestalt zu ändern, dass die Umsatzsteuer um 42 167,40 DM auf 127 128 DM herabgesetzt wird.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

II. Die Revision hat keinen Erfolg.

1. Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz geändert, so haben

  • der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag und

  • der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug

entsprechend zu berichtigen (§ 17 Abs. 1 Satz 1 UStG 1993).

Dasselbe gilt sinngemäß, wenn das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung oder sonstige Leistung uneinbringlich geworden ist (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG 1993). Wird das Entgelt nachträglich vereinnahmt, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG 1993).

2. Demnach war die streitige Vorsteuer bereits bei Abtretung der Handwerkerforderungen an die GbR zu berichtigen.

Nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt lagen der Abtretung der Handwerkerforderungen gleichartige Sanierungsverträge zwischen dem jeweiligen Handwerker, den Gesellschaftern der GbR und der Klägerin zugrunde. So heißt es z.B. in dem mit der Firma A geschlossenen Sanierungsvertrag:

"Die Firma A hat Lieferungen und Leistungen für die Firma R-GmbH & Co Besitzgesellschaft KG erbracht.

Ihr ist bekannt, dass die Gesamtinvestition den ursprünglich vorgesehenen Rahmen weit überschritten hat und dadurch die Existenz des Unternehmens gefährdet ist. Zur Sicherung der Existenz des Unternehmens ist Firma A, wie auch alle anderen Gläubiger des Unternehmens, gebeten worden, einem gemeinsamen Sanierungskonzept beizutreten.

Firma A hat aus Lieferungen und Leistungen gegen Firma R-GmbH & Co Besitzgesellschaft KG…Forderungen in Höhe von…29 582,88 DM.

Firma R-GmbH erkennt diese Forderung an.

Die Herren M... und S... sind als Kommanditisten des Unternehmens bereit, dieses durch Zusatzleistungen zu stützen. Sie gewähren dem Unternehmen über die Kommanditeinlage hinaus Gesellschafterdarlehen.

M... und S... kaufen die vorstehend anerkannte Forderung nach Verrechnung eines Sanierungsabschlags zu einem Preis von 15 000,00 DM.

...”

Der Senat lässt dahin gestellt, ob in dieser Vereinbarung eine Änderung der Bemessungsgrundlage i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG 1993 gesehen werden kann. Jedenfalls war das Entgelt für die Handwerkerleistungen in Höhe des Sanierungsabschlags uneinbringlich geworden, so dass die Vorsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1993 gerechtfertigt war. Eine Forderung ist nämlich insoweit uneinbringlich, als der Anspruch auf Entrichtung des Entgelts nicht erfüllt wird und bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltsforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit nicht durchsetzen kann (vgl. , BFHE 205, 527, BStBl II 2004, 684). Diese Voraussetzungen waren in Höhe des Sanierungsabschlags erfüllt.

3. Die Umwandlung der Handwerkerforderungen in Darlehensforderungen durch die GbR lässt die Bemessungsgrundlage für die Handwerkerumsätze unberührt.

In ihr kann weder eine Entgeltzahlung durch die Klägerin noch eine Vereinnahmung des Entgelts durch die Handwerker oder die GbR gesehen werden.

Der Senat braucht nicht abschließend zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen eine Entgeltzahlung angenommen werden kann, wenn eine Handwerkerforderung oder eine sonstige Forderung auf Zahlung eines Entgelts für eine steuerbare Leistung vereinbarungsgemäß in eine Darlehensforderung umgewandelt wird. Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1993 ist Entgelt alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer. An einem derartigen Aufwand des Schuldners (Leistungsempfängers) fehlt es jedenfalls dann, wenn die Forderung vor und nach der Umwandlung uneinbringlich ist.

Entgegen der Ansicht der Klägerin kann die Umwandlung einer Lieferantenverbindlichkeit (oder einer sonstigen Forderung auf Zahlung eines Entgelts) in eine Darlehensverbindlichkeit nicht der Zahlung der Lieferantenschuld (oder einer vergleichbaren Schuld) mit anschließender Darlehensgewährung an den Schuldner gleichgesetzt werden, wenn der Schuldner (Leistungsempfänger) gar nicht in der Lage ist, das von ihm geschuldete Entgelt zu zahlen.

Dem Senat erscheint es auch zweifelhaft, ob sich die Klägerin zu Recht auf die Ausführungen von Beaucamp (in Umsatzsteuer-Rundschau —UR— 1995, 205) beruft. Dieser unterscheidet nämlich (unter III. 2. d) zwischen zweifelhaften und uneinbringlichen Forderungen. Nur für zweifelhafte Forderungen vertritt er die Auffassung, dass ihre Umwandlung ihrer Erfüllung gleichsteht. Wie dem auch sei, in Fällen der vorliegenden Art ist der Senat der Auffassung, dass die Umwandlung einer (teilweise) uneinbringlichen Entgeltforderung in eine (teilweise) uneinbringliche Darlehensforderung nicht der Zahlung des Entgelts gleichsteht.

4. Auf die Frage, ob der Verzicht der GbR auf die Darlehensforderung am eine Änderung der Bemessungsgrundlage gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG 1993 zur Folge hatte, kommt es nicht an, da der Vorsteuerabzug der Klägerin in dem vom FA vorgenommenen Umfang bereits wegen Uneinbringlichkeit nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1993 zu berichtigen war (vgl. oben unter 2.).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 928 Nr. 6
ZAAAB-51711