BFH Beschluss v. - II B 140/03

Entscheidung durch Prozess- statt durch Sachurteil als Verfahrensmangel

Gesetze: FGO §§ 44, 46, 47, 55, 115

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) setzte gegen den Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) Vermögensteuer auf den , und fest.

Da das FA nach Ansicht des Klägers ohne zureichenden Grund nicht in angemessener Frist über den Einspruch dagegen entschied, erhob der Kläger „Untätigkeitsklage” und kündigte an, in der mündlichen Verhandlung u.a. die Aufhebung dieser Bescheide zu beantragen, soweit sie auf dem Ansatz bestimmter, näher bezeichneter Vermögenswerte beruhten. Zur Begründung führte er aus, er begehre gemäß § 46 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vom FA eine Einspruchsentscheidung. Die Sache sei entscheidungsreif. Die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig.

Nachdem sich unterschiedliche Auffassungen zu Ziel und Inhalt der Untätigkeitsklage ergeben hatten, stellte der Kläger mit Schriftsatz vom klar, dass sie von Anfang an als Verpflichtungsklage lediglich auf ein Tätigwerden des FA gerichtet gewesen sei. Eine Anfechtungsklage gegen die Steuerbescheide selbst unter den besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 46 Abs. 1 FGO habe er nicht erhoben. Sein Rechtsschutzbedürfnis für die Untätigkeitsklage entfalle mit Ergehen von geänderten Steuerbescheiden, die ggf. in einem neuen Verfahren angefochten werden müssten.

Das FA setzte die Vermögensteuer für die Jahre 1989 bis 1996 mit der Einspruchsentscheidung vom herab und verwies wegen der Einzelberechnung auf die Anlage. Es führte aus, eine erneute Klage sei wegen des bereits anhängigen gerichtlichen Rechtsbehelfs nicht notwendig und auch nicht zulässig. Das laufende Klageverfahren (Untätigkeitsklage) werde durch das Finanzgericht (FG) fortgesetzt.

Der Kläger erklärte daraufhin „die Problematik Vermögensteuer 1989, 1993, 1995” für erledigt, da das FA insoweit am neue Bescheide erlassen habe, mithin die Untätigkeit der Finanzverwaltung weggefallen und das Klageziel erreicht sei. Er wies ferner auf den von ihm inzwischen gegen diese Bescheide eingelegten Einspruch hin.

Das FA erklärte die Klage wegen Vermögensteuer 1989, 1993 und 1995 ebenfalls für erledigt und verwarf den Einspruch gegen die „Vermögensteuerbescheide”, die nach Ansicht des Klägers in den der Einspruchsentscheidung vom beigefügten Einzelberechnungen zu sehen sind, mit der Einspruchsentscheidung vom mit der Begründung als unzulässig, eine Einspruchsentscheidung könne nicht mit dem Einspruch angefochten werden.

Der Kläger erhob mit Schriftsatz vom Klage wegen Vermögensteuer auf den , und mit dem Antrag, die „Bescheide” vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom aufzuheben.

Das FG wies diese Klage als unzulässig ab und führte zur Begründung aus, der ursprüngliche Rechtsstreit (Untätigkeitsklage) sei hinsichtlich der Vermögensteuer infolge übereinstimmender Erledigungserklärungen beendet. Die angefochtenen Bescheide seien dadurch bestandskräftig geworden. Für eine erneute Klage fehle es insoweit am erforderlichen Rechtsschutzinteresse.

Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision vertritt der Kläger die Ansicht, das FG habe die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen. Mit der Untätigkeitsklage habe er lediglich eine Verpflichtung des FA zum Tätigwerden angestrebt, aber nicht die Vermögensteuerbescheide angefochten. Dies habe er mit seinem Schriftsatz vom verdeutlicht. Das für die Klage erforderliche Rechtsschutzbedürfnis sei daher gegeben.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

II. Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung des nicht entscheidungsreifen Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 116 Abs. 6 FGO). Der vom Kläger geltend gemachte Verfahrensmangel liegt vor. Das FG hat die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen. Dies ist ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, auf dem die Vorentscheidung beruht (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom IV B 112/01, BFH/NV 2002, 1042; vom VII B 181/03, BFH/NV 2004, 1284; vom XI B 46/02, BFH/NV 2004, 1417, jeweils m.w.N.).

1. Die Klage wurde rechtzeitig erhoben.

Für die Beurteilung der Frage, ob die Klagefrist (§ 47 Abs. 1 Satz 1 FGO) gewahrt ist, ist von der Einspruchsentscheidung vom auszugehen. Gegenstand der Klage sind entgegen der Auffassung des Klägers die angefochtenen Vermögensteuerbescheide in Gestalt dieser Einspruchsentscheidung (§ 44 Abs. 2 FGO) und nicht in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom . Die Vermögensteuerfestsetzungen für die Streitjahre wurden mit der Einspruchsentscheidung vom geändert. Die Anlage dazu enthält lediglich die Einzelberechnungen der in der Einspruchsentscheidung selbst vorgenommenen Steuerfestsetzungen und nicht mit dem Einspruch anfechtbare Steuerbescheide, wie das FA in der Einspruchsentscheidung vom zutreffend dargelegt hat.

Die in § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO bestimmte Monatsfrist für die Erhebung der Anfechtungsklage begann aufgrund der Einspruchsentscheidung vom nicht zu laufen, da es an der vorgeschriebenen Rechtsbehelfsbelehrung fehlte (§ 55 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Jahresfrist des § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO war bei Klageerhebung noch nicht abgelaufen, so dass es auf die in dieser Vorschrift bestimmten Ausnahmen von der Jahresfrist nicht ankommt.

2. Für die Klage fehlt es nicht am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Die angefochtenen Vermögensteuerbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom wurden aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärungen im Verfahren wegen der Untätigkeitsklage nicht bestandskräftig. Sie waren bei Ergehen dieser Einspruchsentscheidung und bei Abgabe der übereinstimmenden Erledigungserklärungen nicht Gegenstand des Klageverfahrens. Die Beendigung dieses Verfahrens ließ die Anfechtbarkeit der Bescheide somit unberührt.

Aufgrund des Wortlauts der in der Untätigkeitsklage zu den Vermögensteuerfestsetzungen formulierten Klageanträge liegt es zwar nahe, dass der Kläger mit dieser Klage zunächst nicht nur eine Verpflichtung des FA zum Tätigwerden, sondern eine Änderung oder Aufhebung der Vermögensteuerbescheide selbst erstrebte. Dieses Klagebegehren hat er jedoch mit seinem Schriftsatz vom auf das Ziel beschränkt, das FA zu einem Tätigwerden zu verpflichten. Die Ausführungen in diesem Schriftsatz sind nicht nur als Äußerung einer Rechtsansicht, sondern auch dahin zu verstehen, dass der Kläger jedenfalls für die Zukunft nur noch ein solches eingeschränktes Klagebegehren verfolgen wollte. Aufgrund dieser Einschränkung des Klagebegehrens waren die Vermögensteuerbescheide jedenfalls bei Ergehen der Einspruchsentscheidung vom und bei Abgabe der Erledigungserklärungen nicht Gegenstand des Klageverfahrens. Die Erledigungserklärungen konnten somit an der Anfechtbarkeit der Bescheide nichts ändern.

Unter diesen Umständen ist die Klage gegen die Vermögensteuerbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ebenso zulässig wie wenn der Kläger mit der Untätigkeitsklage von Anfang an nur eine Verpflichtung des FA zum Tätigwerden erstrebt hätte. Das ursprüngliche Klageverfahren war nach Ergehen dieser Einspruchsentscheidung nicht als Anfechtungsklage gegen die Steuerbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung fortzusetzen (vgl. , BFH/NV 1996, 559).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 237
BFH/NV 2005 S. 237 Nr. 2
QAAAB-36496