Behandlung von Pfandgeldern bei „vermieteten” Mehrwegsteigen
Bezug:
Von der Bundesvereinigung der Erzeugerorganisationen Obst und Gemüse e.V. ist die Frage gestellt worden, wie Pfandgelder bei vermieteten Mehrwegsteigen zwischen Systemanbieter (Vermieter) und Erzeuger (Mieter) umsatzsteuerrechtlich zu behandeln sind.
1. Sachverhalt:
Der Frage liegt nach Darstellung des Verbandes folgender Sachverhalt zugrunde:
Eine Erzeugerorganisation (Mieter) mietet Mehrwegsteigen von einem Mehrwegsystembetreiber (Vermieter). Der Mieter erhält gegen Zahlung eines Entgeltes das Nutzungsrecht an den Steigen nach Maßgabe der Mietbedingungen. Eigentümer der Steigen bleibt der Vermieter.
Neben dem eigentlichen Nutzungsentgelt hat der Mieter einen Pfandbetrag an den Vermieter zu zahlen. Dieser Pfandbetrag wird bei Weitergabe an den Lebensmittel-Einzelhandel weiterberechnet und bei der Rückgabe an den Betreiber erstattet.
Nach Ansicht der Bundesvereinigung der Erzeugerorganisationen für Obst und Gemüse liegt hinsichtlich der Nutzungsüberlassung an den Mieter eine sonstige Leistung vor, deren Gegenleistung ausschließlich im Nutzungsentgelt zu sehen ist. Der zusätzlich entrichtete Pfandbetrag gehört danach nicht zur Gegenleistung für die Vermietungsleistung. Nach Auffassung des Verbandes erfolgt die Zahlung des Pfandgeldes nämlich nicht für die Nutzungsüberlassung, sondern dient lediglich der Sicherung des Rückgabeanspruches.
Das Pfandgeld stellt danach auch kein Entgelt für eine Lieferung dar, weil dem Nutzer keine Verfügungsmacht verschafft werde. In diesem Zusammenhang weist der Verband ausdrücklich darauf hin, dass durch umfassende Dokumentations- und Kennzeichnungspflichten der Nutzer die Eigentümerstellung des Systemanbieters bis zum letzten Mieter nachvollziehbar und durchsetzbar sei.
Der Sachverhalt weiche daher in entscheidendem Maße von dem entschiedenen Fall im BStBl 1987 II S. 582 ab. Dort hatte die Klägerin keinen Einfluss auf das weitere Schicksal des Leergutes, so dass der BFH hinsichtlich des Leergutes eine steuerbare Lieferung gegen Entgelt (=Pfand) sah.
Auch bei Rückgabe der Mehrwegsteige und Erstattung des Pfandbetrages an den Vermieter ist nach Ansicht des Verbandes ein Leistungsaustausch nicht gegeben, da dem Vermieter keine Verfügungsmacht verschafft werden könne (er habe sie behalten), mithin keine Rücklieferung vorliege.
Aus der Sicht des Verbandes stellt das Pfandgeld, das die Erzeugerorganisation an den Betreiber entrichtet, keine Nebenleistung für die Nutzungsüberlassung dar und ist somit nicht steuerbar.
2. Beurteilung:
Das BMF hat der Bundesvereinigung – nach Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder – Folgendes mitgeteilt:
Der Ansicht, dass das Pfandgeld kein Entgelt für eine Lieferung sei, weil dem Mieter keine Verfügungsmacht verschafft werde, kann nicht gefolgt werden. Vielmehr ist die Überlassung der Mehrwegsteige durch den Mehrwegsystembetreiber an die Erzeugerorganisation als Verschaffung der Verfügungsmacht i.S.v. § 3 Abs. 1 UStG anzusehen.
Zwar wird hier vertraglich ein mietähnliches Verhältnis vereinbart. Ausweislich der Nutzungsbedingungen des Mehrwegsystembetreibers sollen die Mehrwegsteige allerdings „frei zirkulieren können„. Wohl deshalb wird den Mehrwegsteigenbenutzern auch „Verfügungsberechtigung„ eingeräumt. Die Eigentumsvorbehaltsklausel besteht insoweit nur deklaratorisch. Ein dinglicher Herausgabeanspruch besteht nicht. Es ergibt sich aus den Bedingungen nicht, dass die Mehrwegsteigenbenutzer verpflichtet seien, die konkret überlassenen Mehrwegsteigen zurückzugeben. Vielmehr erfolgt eine Überwachung und Rückgabeverpflichtung nur bezogen auf die Anzahl eines bestimmten Steigentyps. Dies ist letztendlich auch Zweck des Systems, bei dem die Mehrwegsteigen durch den Einzelhändler und nicht durch die Erzeugerorganisation an den Mehrwegsystembetreiber zurückgegeben werden sollen. Daraus folgt, dass der Mieter der Mehrwegsteige, also die Erzeugerorganisation, die tatsächliche Sachherrschaft über die Mehrwegsteige erhält und dies im Ergebnis von den Beteiligten auch so gewollt ist.
Auch die von der Bundesvereinigung vertretene Auffassung, dass die Zahlung des Pfandgeldes ausschließlich zur Sicherung des Rückgabeanspruchs geleistet wird, ist nicht nachvollziehbar. Da die Sicherungsleistungen regelmäßig nach dem Wert der Warenumschließung festgelegt werden, dürfte es sich auch hier – unabhängig vom Vertragstext – nicht um die Vermeidung künftiger Schadensfälle handeln, sondern um den sofortigen und völligen Ausgleich eines möglichen Verlustes. Aus der Verknüpfung der Überlassung des Leerguts gegen die „Sicherheitsleistung„ folgt auch, dass die „Sicherheitsleistung„ Gegenleistung für die Lieferung des Leerguts war. Aus diesem Grund scheidet die Annahme einer nicht steuerbaren Lieferung oder sonstigen Leistung aus.
Der BFH hat im Urteil vom – V R 56/79 –, BStBl 1987 II S. 582 eine wirtschaftliche Betrachtung vorgenommen und hinsichtlich der Pfandgebinde eine entgeltliche Lieferung angenommen. Danach soll trotz zivilrechtlichem Ausschluss des Eigentumsüberganges gleichwohl umsatzsteuerrechtlich von einer Verschaffung der Verfügungsmacht an den Gebinden ausgegangen werden, soweit an den Wiederbeschaffungskosten der Gebinde orientierte „Sicherheitsleistungen„ erhoben werden und der Warenweg praktisch die Unverfolgbarkeit der Gebinde mit sich bringt.
Nach Auffassung der Bundesvereinigung sei die individuelle Verfolgbarkeit durch die Regelungen in den Nutzungsbedingungen gewährleistet. Dabei wird allerdings verkannt, dass trotz Dokumentationspflichten im praktischen Warenverkehr die Verfolgbarkeit bei der Einschaltung mehrerer Handelsstufen faktisch nicht zu gewährleisten ist. Selbst nach den von der Bundesvereinigung verwendeten Regelungen sind nur Anzahl und Typ der Steigen festzuhalten. Wäre die Verfolgbarkeit stets gegeben, würde eine Pfandregelung überflüssig sein. Insofern sind ähnliche Bedingungen anzunehmen, wie sie auch der BFH in seinem Urteilsfall vorgefunden hat. Beiden Sachverhalten ist gemeinsam, dass nicht verfolgbar ist, in welcher Einsatzstation die einzelnen Gebinde beschädigt oder zerstört werden.
Das Pfandgeld ist damit neben dem Nutzungsentgelt (Miete) Entgelt für die Lieferung der Mehrwegsteige (vgl. § 10 Abs. 1 UStG).
Demnach ist die Rückgabe der Mehrwegsteige umsatzsteuerrechtlich als Rücklieferung zu beurteilen. Insbesondere bleibt kein Raum, das nicht zurückgegebene Pfand als echten Schadensersatz zu behandeln.
Des Weiteren wird darauf hingewiesen, dass die umsatzsteuerrechtliche Würdigung der Leistungsbeziehung zwischen Mehrwegsystembetreiber und Erzeugerorganisation keinen Einfluss auf die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung der Leistungsbeziehung zwischen der Erzeugerorganisation und dem Handel hat.
Die Weiterlieferung der – mit Waren gefüllten – Mehrwegsteigen von der Erzeugerorganisation an die Einzelhändler ist eine einheitliche Warenlieferung. Die Lieferung des Pfandgutes ist als Warenumschließung unselbständige Nebenleistung zur Lieferung von Obst und Gemüse (vgl. Abschnitt 149 Abs. 8 UStR).
In Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird eine von den o.g. Grundsätzen abweichende umsatzsteuerrechtliche Würdigung bis zum nicht beanstandet.
OFD Frankfurt am Main v. - S 7200 A - 2 - St I 2.20
Fundstelle(n):
XAAAB-20148