Darlegung der Zulassungsgründe bei kumulativer Begr. des FG-Urt.; Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör
Gesetze: FGO § 115 Abs. 2, §§ 76, 93, 96, 104
Instanzenzug:
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Keiner der von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) geltend gemachten Revisionszulassungsgründe ist gegeben bzw. in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geforderten Weise dargelegt worden.
1. Das Finanzgericht (FG) hat im ersten Teil der Doppelbegründung seines Urteils entschieden, es lasse sich nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellen, dass die geltend gemachten Unterschlagungen/Veruntreuungen in der behaupteten Höhe stattgefunden haben und dass diese auch betrieblich veranlasst waren. Es hat dies u.a. mit dem Hinweis darauf begründet, dass der Vortrag der Klägerin zu den Tatzeitpunkten und zur Aufdeckung der Tat „nicht hinreichend präzise und in sich widersprüchlich„ seien. Vor dem Hintergrund der „auffälligen Widersprüche„ insbesondere hinsichtlich der Zeiträume der Spielbankbesuche hätten auch die vorgelegten Kontoauszüge nur einen eingeschränkten Beweiswert. Widersprüche zum Umfang und zu den Zeitpunkten der behaupteten rechtswidrigen Verfügungen über Konten seien trotz der entsprechenden Beanstandungen des FA im Schriftsatz vom nicht ausgeräumt. In einem zweiten Teil (Urteilsabdruck S. 6 ff.: „Unabhängig von den vorstehenden Erwägungen ...„) hat es ausgeführt, es mangele „auch„ an einer betrieblichen Veranlassung der geltend gemachten außerordentlichen Aufwendungen.
Ist das finanzgerichtliche Urteil auf mehrere Gründe gestützt, muss hinsichtlich jeder Begründung ein Zulassungsgrund dargelegt werden (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom IV B 3/74, BFHE 112, 337, BStBl II 1974, 524; vom X B 149-151/97, BFH/NV 1998, 1487; vom X B 11/01, BFH/NV 2002, 193). Für den Streitfall ist zu vermerken, dass sich lediglich die Verfahrensrügen auf beide Teile der Doppelbegründung beziehen.
2. Zu dem von den Klägern im Schriftsatz vom angeführten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) fehlt es an jeglicher Darlegung der Voraussetzungen dieses Zulassungsgrundes i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.
3. Soweit die Kläger rügen, die angefochtene Vorentscheidung weiche von der Senatsentscheidung vom X R 99/95 (BFH/NV 2000, 1188) und dem Senatsbeschluss vom X B 296/95 (BFH/NV 1996, 739) ab, ist die Rüge ebenfalls nicht schlüssig erhoben.
Macht der Beschwerdeführer geltend, dass eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sei (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO), so muss er in der Beschwerdebegründung darlegen, inwiefern über eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage unterschiedliche Auffassungen bei den Gerichten bestehen oder welche sonstigen Gründe eine höchstrichterliche Entscheidung gebieten. Rügt der Beschwerdeführer —wie hier— eine Abweichung des angefochtenen Urteils von anderen Gerichtsentscheidungen, so muss er nach ständiger Rechtsprechung des BFH tragende abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus der behaupteten Divergenzentscheidung andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen. Unter tragenden Rechtssätzen sind dabei solche zu verstehen, die in beiden Entscheidungen rechtserheblich sind (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom XI B 67/00, BFH/NV 2002, 1479; vom II B 33/01, BFH/NV 2002, 1482; vom XI B 152/01, BFH/NV 2002, 1484; vom II B 41/02, BFH/NV 2003, 1067).
Die Beschwerde entspricht nicht diesen Anforderungen. Es fehlt bereits an der Herausarbeitung eines bestimmten abstrakten und entscheidungserheblichen Rechtssatzes aus der angegriffenen Entscheidung, der von dem von den Klägern zitierten Rechtssatz aus der Senatsentscheidung in BFH/NV 2000, 1188 abweichen soll. Im Übrigen weicht das FG-Urteil weder von dieser Entscheidung noch von dem Senatsbeschluss in BFH/NV 1996, 739 ab. In beiden Fällen ging es, anders als im Streitfall und in dem vom FG zitierten Senatsurteil vom X R 69/88 (BFH/NV 1990, 553), nicht um die Veruntreuung von betrieblich vereinnahmten Geldern durch einen nahen Angehörigen.
4. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
a) aa) Das FG hat den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör nicht dadurch verletzt, dass es die mündliche Verhandlung nicht wieder eröffnet hat. Zwar kann das Gericht nach § 93 Abs. 3 Satz 2 FGO die Wiedereröffnung einer zuvor für geschlossen erklärten mündlichen Verhandlung beschließen. Diese Möglichkeit besteht aber nur bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Urteil entweder verkündet (§ 104 Abs. 1 FGO) oder statt der Verkündung zugestellt worden ist (§ 104 Abs. 2 FGO). Nach Ergehen des Urteils ist eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht mehr möglich (, BFH/NV 2001, 471, m.w.N.). Im Streitfall hat das FG ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom das Urteil am Ende der Sitzung nach § 104 Abs. 1 FGO verkündet. Ein Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung kam danach nicht mehr in Betracht.
Die Kläger haben bis zur Verkündung des Urteils eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich beantragt. Der am nachgereichte Schriftsatz vom selben Tag beinhaltete einen entsprechenden Antrag nicht. Dem FG musste sich die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung vor Verkündung des Urteils wegen der von den Klägern in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen auch nicht aufdrängen (wegen Wiedereröffnung ggf. auch ohne Antrag vgl. , BFHE 145, 125, BStBl II 1986, 187). Denn wie sich aus dem angefochtenen Urteil ergibt, hat das FG diese Unterlagen zur Kenntnis genommen (vgl. S. 6, 7 des Urteils).
bb) Auch darüber hinaus können die Kläger mit der Rüge, ihr Recht auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes —GG—, § 96 Abs. 2 FGO) sei verletzt worden, nicht durchdringen. Das betrifft ihr Vorbringen, das FG habe „zu den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Beweisunterlagen„ rechtliches Gehör nicht gewährt bzw. es habe den Beweiswert dieser Unterlagen in der Urteilsbegründung nicht gewürdigt. Der Verfahrensmangel, der hierin liegen soll, wird nicht i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO bezeichnet.
Rechtliches Gehör wird den Beteiligten dadurch gewährt, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem Sachverhalt zu äußern, der einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden soll. Das rechtliche Gehör bezieht sich vor allem auf Tatsachen und Beweisergebnisse (vgl. § 96 Abs. 2 FGO); darüber hinaus darf das FG seine Entscheidung auf einen rechtlichen Gesichtspunkt nur stützen, wenn die Beteiligten zuvor Gelegenheit hatten, dazu Stellung zu nehmen (§ 139 Abs. 2 der Zivilprozessordnung —ZPO— i.V.m. § 155 FGO; vgl. auch § 93 Abs. 1 FGO; , BFH/NV 2001, 1580).
Deshalb kann eine Verletzung des Rechts auf Gehör vorliegen, wenn das Gericht die Beteiligten nicht auf einen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt hinweist, den es seiner Entscheidung zugrunde legen will (, Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 1997, 2305). Dies kann z.B. der Fall sein, wenn ein bisher nicht erörterter Gesichtspunkt zur Grundlage der Entscheidung gemacht wird, der dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein kundiger Beteiligter nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht hat rechnen müssen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2001, 1580). Derartige Umstände haben die Kläger nicht dargetan. Sie haben es versäumt, substantiiert und in sich schlüssig darzulegen, was genau sie —aus der materiell-rechtlichen Sicht des FG— an Entscheidungserheblichem noch vorgetragen hätten, wenn es zu dem gerügten Verfahrensfehler nicht gekommen wäre (Senatsentscheidung vom X B 15/02, BFH/NV 2003, 79).
Letztlich rügen die Kläger mit ihrem Vorbringen das materiell-rechtliche Ergebnis, zu dem das FG aufgrund der von ihm vorgenommenen Würdigung des Prozessstoffes gelangt ist. Ein solcher Vorwurf betrifft allenfalls die materiell-rechtliche Richtigkeit des Urteils und begründet keinen Verfahrensfehler.
b) Kein anderes Ergebnis ergibt sich, wenn man den Vortrag der Kläger, das FG habe ihr Vorbringen nicht ausreichend berücksichtigt, als Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO, d.h. dahin auffasst, das FG habe bei seiner Entscheidung wesentliche Teile der Akten nicht berücksichtigt. Insoweit fehlt es jedenfalls an dem gebotenen schlüssigen Vortrag, inwiefern das angefochtene Urteil auf diesem (vermeintlichen) Verfahrensmangel beruhen könne, es also ohne den Verfahrensfehler möglicherweise anders ausgefallen wäre (Senatsentscheidung in BFH/NV 2003, 79).
c) Unschlüssig erhoben ist schließlich auch die Rüge der Kläger, das FG habe den Sachverhalt nur unzureichend aufgeklärt.
Wird die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision darauf gestützt, dass das FG seine Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 76 Abs. 1 FGO) verletzt habe, bedarf es einer Darstellung der Tatsachen, die den gerügten Verfahrensmangel schlüssig ergeben. Außerdem muss dargelegt werden, inwiefern das angefochtene Urteil auf dem Verfahrensmangel beruht, es also ohne den Verfahrensmangel möglicherweise anders ausgefallen wäre. Da die Beteiligten auf eine § 76 Abs. 1 FGO genügende Sachaufklärung verzichten können, muss der Beschwerdeführer zudem darlegen, dass er die seiner Ansicht nach unzulängliche Sachaufklärung vor dem FG gerügt hat oder dass ihm eine solche Rüge nicht möglich war (Senatsentscheidung vom X B 74/02, BFH/NV 2003, 805). Die Ausführungen der Kläger werden diesen Erfordernissen nicht gerecht. Die Kläger haben insbesondere nicht vorgetragen, dass sie die mangelnde Sachaufklärung bzw. die unterlassene Beweiserhebung in der mündlichen Verhandlung vor dem FG gerügt hätten. Ausweislich des Sitzungsprotokolls vom ist das jedenfalls nicht geschehen.
5. Von der Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
CAAAB-16812