BFH Beschluss v. - VII B 145/03

Zulässigkeit der Verbindung einer Aufforderung zur Abgabe von Steuererklärungen mit Androhung von Zwangsgeldern in einem Verwaltungsakt

Gesetze: AO §§ 254, 332

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wendet sich gegen die Androhung und Festsetzung von Zwangsgeld wegen Nichtabgabe seiner Steuererklärungen betreffend Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer für das Jahr 2000. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) erinnerte mit Verfügung an die Abgabe dieser Steuererklärungen und drohte die Festsetzung von Zwangsgeld in Höhe von jeweils 300 € gesondert für jede der drei Steuerarten an, falls der Kläger die jeweilige Steuererklärung nicht bis zum…einreiche. Der Kläger gab die geforderten Steuererklärungen nicht ab. Das FA setzte daraufhin mit Bescheid die angedrohten Zwangsgelder fest. Die sowohl gegen die Zwangsgeldandrohung als auch gegen die Zwangsgeldfestsetzung erhobenen Einsprüche blieben ohne Erfolg. Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, welche er auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2  1. Alternative der FinanzgerichtsordnungFGO—) stützt. Der Kläger macht geltend, dass auch für die Androhung von Zwangsgeldfestsetzungen die einwöchige Vollstreckungsschutzfrist des § 254 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) gelte, so dass die Zwangsgeldfestsetzungen im Streitfall verfrüht angedroht worden seien. Zudem ergebe sich auch aus § 332 Abs. 2 Satz 2 AO 1977, dass die Zwangsmittelandrohung vom Grundverwaltungsakt getrennt zu ergehen habe. Auch werde in der Literatur zum Teil die Ansicht vertreten, dass mehrere Zwangsmittelandrohungen in gesonderten Schriftstücken erfolgen müssten, was im Streitfall aber nicht beachtet worden sei. An der Klärung dieser Rechtsfragen bestehe ein allgemeines Interesse und ihre Klärung diene der Fortbildung des Rechts.

II. Die Beschwerde ist unbegründet, weil keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 1. Alternative FGO vorliegt.

1. Einer Rechtsfrage ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) grundsätzliche Bedeutung beizumessen, wenn die für die Beurteilung des Streitfalles maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Gesamtheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Dabei muss es sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (vgl. , BFH/NV 1996, 141, m.w.N.) Das Vorliegen dieser Zulassungsvoraussetzungen muss der Beschwerdeführer in der Beschwerdeschrift und innerhalb der Begründungsfrist schlüssig und substantiiert darlegen (§ 116 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO). Dazu ist es erforderlich, dass der Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage formuliert und substantiiert auf ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingeht, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1996, 141, m.w.N.; vom V B 23/00, BFH/NV 2000, 1148).

a) Dem Beschwerdevorbringen lässt sich zum einen die sinngemäß formulierte Rechtsfrage entnehmen, ob die Androhung eines Zwangsmittels gemäß § 332 AO 1977 voraussetzt, dass die nach § 254 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 vorgeschriebene Wochenfrist seit der Bekanntgabe des Leistungsgebots verstrichen ist.

Der Senat kann offen lassen, ob bezüglich dieser Rechtsfrage die übrigen für die Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung erforderlichen Voraussetzungen schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt, ob insbesondere die Beschwerde in ausreichend substantiierter Weise auf die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingeht. Jedenfalls ist diese von der Beschwerde aufgeworfene Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig, weil sie sich nach dem Wortlaut des Gesetzes eindeutig beantworten lässt und weil sie vom Senat auch bereits in entsprechender Weise entschieden worden ist.

Bei § 332 AO 1977 handelt es sich um eine spezielle Vollstreckungsvorschrift für die Vollstreckung wegen anderer Leistungen als Geldforderungen, nämlich wegen Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen. Nach § 332 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 kann die Androhung der Zwangsmittel mit dem Verwaltungsakt verbunden werden, durch den die Handlung, Duldung oder Unterlassung aufgegeben wird. Anders als der Kläger offenbar meint, begründet diese Vorschrift keinen Gegensatz zu der allgemeinen Vollstreckungsvorschrift des § 254 Abs. 1 Satz 1 AO 1977, zumal der auf Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtete Verwaltungsakt in der Regel —so auch im Streitfall— zugleich das nach dieser Vorschrift geforderte Leistungsgebot enthält (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 332 AO 1977 Rz. 1). Die Verbindung der Zwangsmittelandrohung mit dem betreffenden Verwaltungsakt schließt somit nicht aus, dass die Vollstreckung —wie es § 254 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 fordert— erst beginnt, wenn seit der Bekanntgabe des Leistungsgebots mindestens eine Woche verstrichen ist. Dementsprechend hat der Senat entschieden, dass die mit Zwangsmitteln durchzusetzende Aufforderung zur Abgabe von Steuererklärungen gleichzeitig mit der Androhung des Zwangsmittels in einem Verwaltungsakt ergehen kann (Senatsbeschluss vom VII R 79/00, BFH/NV 2001, 1369).

b) Damit ist auch die von der Beschwerde gleichsam hilfsweise formulierte Frage beantwortet, ob sich aus § 332 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 ergibt, dass die Zwangsmittelandrohung getrennt von dem Verwaltungsakt zu ergehen hat, mit welchem die Handlung, Duldung oder Unterlassung aufgegeben worden ist. Die mögliche Verbindung der Zwangsmittelandrohung mit dem Verwaltungsakt, aus dem vollstreckt werden soll, wird mit der Vorschrift des § 332 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 eindeutig geregelt. § 332 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 schreibt allein vor, dass die Androhung eines bestimmten Zwangsmittels für jede einzelne Verpflichtung, die durch den betreffenden Verwaltungsakt begründet wird, getrennt ergehen muss.

c) Soweit sich dem Beschwerdevorbringen zum anderen die sinngemäß formulierte Rechtsfrage entnehmen lässt, ob die nach § 332 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 vorgeschriebene getrennte Zwangsmittelandrohung für jede einzelne Verpflichtung aus dem Verwaltungsakt erfordert, dass die verschiedenen Zwangsmittelandrohungen auch in gesonderten Schriftstücken zu ergehen haben, kann es der Senat ebenfalls offen lassen, ob die grundsätzliche Bedeutung dieser Rechtsfrage schlüssig dargelegt ist, weil diese Rechtsfrage jedenfalls nicht klärungsbedürftig ist.

Wie bereits ausgeführt, schreibt § 332 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 nur vor, dass die Androhung eines bestimmten Zwangsmittels für jede einzelne Verpflichtung, die durch den betreffenden Verwaltungsakt begründet wird, getrennt ergehen muss. Eine vorgeschriebene Trennung in der Weise, dass unterschiedliche Verpflichtungen des Vollstreckungsschuldners zu Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen und die dazugehörigen und damit verbundenen Zwangsmittelandrohungen für den Fall der Nichterfüllung der Pflicht auch auf jeweils gesonderten Schriftstücken zu erfolgen haben, ist der Vorschrift nicht zu entnehmen. Dementsprechend hat der Senat mit dem genannten Urteil in BFH/NV 2001, 1369 Aufforderungen zur Abgabe verschiedener Steuererklärungen für jeweils ein bestimmtes Jahr verbunden mit jeweils einer Zwangsgeldandrohung getrennt für den Fall der Nichterfüllung jeder einzelnen Erklärungspflicht für rechtmäßig gehalten, obwohl diese Aufforderungen zur Abgabe unterschiedlicher Steuererklärungen und die damit verbundenen Zwangsgeldandrohungen in einem Bescheid zusammengefasst und nicht auf gesonderten Schriftstücken ergangen waren. Diese Rechtsauffassung entspricht der herrschenden Meinung in der Literatur (vgl. Neumann in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, Kommentar, § 332 AO 1977 Rz. 13; Hohrmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 332 AO 1977 Rz. 17; Bittner in Pump/Lohmeyer/Leibner, Abgabenordnung, Kommentar, § 332 Rz. 11; Dumke in Schwarz, Kommentar zur Abgabenordnung, 10. Aufl., § 332 Rz. 3 a; Tipke/Kruse, a.a.O., § 332 AO 1977 Rz. 10; App, Betriebs-Berater 1991, 1393, 1394; a.A.: Brockmeyer in Klein, Abgabenordnung, 8. Aufl., § 332 Rz. 4; Wolf in Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 5. Aufl., § 332 Rz. 5; Späth, Deutsches Steuerrecht 1978, 371, 372). Dem Zweck der Vorschrift, dem Pflichtigen deutlich erkennbar zu machen, für welche der verschiedenen Verpflichtungen ihm welches Zwangsmittel für den Fall der Nichterfüllung angedroht wird, kann nicht allein durch Aufführung der Verpflichtungen und Zwangsmittelandrohungen in jeweils gesonderten Schriftstücken Rechnung getragen werden. Ob es dem jeweiligen Pflichtigen anhand der äußeren Gestaltung des Verwaltungsakts deutlich erkennbar ist, welches bestimmte Zwangsmittel ihm droht, falls er eine von mehreren mit dem Verwaltungsakt ihm auferlegten Verpflichtungen nicht erfüllt, ist eine Frage des Einzelfalls, die einer grundsätzlichen Klärung in einem Revisionsverfahren nicht zugänglich ist.

2. Da die mit der Beschwerde formulierten Rechtsfragen nicht klärungsbedürftig sind, ist auch der Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2  1. Alternative FGO) nicht gegeben (vgl. , BFH/NV 2002, 652; Senatsbeschluss vom VII B 263/02, BFH/NV 2003, 835), wobei es auch insoweit offen bleiben kann, ob die Zulassungsvoraussetzungen dieser Vorschrift mit der Beschwerde überhaupt in schlüssiger Weise dargelegt worden sind.

Fundstelle(n):
RAAAB-13852