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BGH Beschluss v. - 2 StR 25/25

Instanzenzug: Az: 2 StR 25/25 Beschlussvorgehend LG Gießen Az: 1 KLs - 599 Js 14408/18

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen „des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen sowie des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in drei Fällen“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf den Strafausspruch beschränkten und auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Die Revision erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.

21. Das Landgericht hat mit Ausnahme zu Fall II.8 der Urteilsgründe, der den Handel mit Amphetamin betrifft, folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

3Am verfügte der Angeklagte über 180 Gramm Haschisch mit einem Wirkstoffgehalt von mehr als 7,5 Gramm THC zum gewinnbringenden Weiterverkauf (Fall II.1 der Urteilsgründe).

4Am veräußerte der Angeklagte für einen Dritten Cannabis für 30 Euro. Der Angeklagte wurde dafür in unbekannter Höhe entlohnt (Fall II.4 der Urteilsgründe).

5Am veräußerte der Angeklagte für einen Dritten Cannabis für 50 Euro. Der Angeklagte wurde dafür in unbekannter Höhe entlohnt (Fall II.5 der Urteilsgründe).

6Am veräußerte der Angeklagte für einen Dritten Cannabis für 120 Euro. Der Angeklagte wurde dafür in unbekannter Höhe entlohnt (Fall II.7 der Urteilsgründe).

7Im Oktober und November 2019 übergab der Angeklagte dem Nichtrevidenten P zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmte Drogen sowie Cannabis zur Aufbewahrung, unter anderem insgesamt 505,92 Gramm Marihuana mit einem Gesamtwirkstoffgehalt von 59,21 Gramm THC, weitere 107 Gramm Marihuana mit unbekanntem Wirkstoffgehalt, 38,48 Gramm Amphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von 3,89 Gramm Amphetaminbase, weitere 9,32 Gramm Amphetamin mit unbekanntem Wirkstoffgehalt sowie 2,34 Gramm MDMA. Zweimal je 50 Gramm Marihuana lieferte der Nichtrevident auf Geheiß des Angeklagten an Käufer aus. Die übrigen Rauschmittel wurden am sichergestellt (Fall II.9 der Urteilsgründe).

8Vor dem übergab der Angeklagte der Nichtrevidentin B insgesamt 200,25 Gramm Cannabis bzw. Cannabisprodukte mit einem Gesamtwirkstoffgehalt von 41,54 Gramm THC zum gewinnbringenden Weiterverkauf (Fall II.10 der Urteilsgründe).

9Das Landgericht hat die Fälle II.4, II.5 und II.7 der Urteilsgründe rechtlich als (täterschaftliches) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 BtMG, die Fälle II.1, II.9 und II.10 als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG gewertet.

102. Die revisionsrechtliche Überprüfung führt in den Fällen II.1, II.4, II.5, II.7, II.9 und II.10 der Urteilsgründe zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs.

11a) Die revisionsrechtliche Überprüfung erstreckt sich in den genannten Fällen auf den Schuldspruch, obwohl der Angeklagte die Revision wirksam (vgl. , BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 27 Rn. 14, und vom  – 5 StR 424/23, Rn. 8 f.; Beschlüsse vom  – 5 StR 153/24, NStZ-RR 2024, 216, und vom  – 6 StR 165/24, Rn. 5) auf den Strafausspruch beschränkt hat. Das Revisionsgericht hat auch bei einem durch Rechtsmittelbeschränkung rechtskräftigen Schuldspruch eine nachträgliche, gemäß § 2 Abs. 3 StGB§ 354a StPO beachtliche Gesetzesänderung zu berücksichtigen, wenn diese den Tatbestand der angewendeten Vorschrift nicht verändert, sondern nur die Strafdrohung mildert. Dies ist im Verhältnis des Konsumcannabisgesetzes zum Betäubungsmittelgesetz der Fall (vgl. , Rn. 9; Beschlüsse vom  – 5 StR 153/24, NStZ-RR 2024, 216, und vom  – 6 StR 165/24, Rn. 8).

12b) Das Konsumcannabisgesetz erweist sich in den Fällen II.1, II.9 und II.10 auch unter Berücksichtigung des für besonders schwere Fälle vorgesehenen Strafrahmens des § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG bei der gebotenen konkreten Betrachtung im Einzelfall (st. Rspr.; vgl. nur , NStZ 2025, 371, 374 f. Rn. 42 mwN) gegenüber dem vom Landgericht insoweit herangezogenen Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG als milder (vgl. , Rn. 6 mwN). In Fall II.9 steht das Handeltreiben mit Cannabis in Tateinheit (§ 52 StGB) mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 BtMG. Der Senat schließt insoweit aus, dass noch weitere Feststellungen getroffen werden können, die eine nicht geringe Menge der gehandelten Betäubungsmittel belegen; eine Zusammenrechnung mit dem Wirkstoffgehalt der Cannabisprodukte kommt nicht in Betracht (, StV 2024, 598 Rn. 6). In den Fällen II.4, II.5 und II.7 ist der Strafrahmen des § 34 Abs. 1 KCanG gegenüber dem vom Landgericht insoweit herangezogenen Strafrahmen des § 29 Abs. 1 BtMG ebenfalls milder.

13c) Der Senat ändert den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StGB wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich. Der Schuldspruchänderung steht § 265 Abs. 1 StPO nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

143. Die Änderung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung der für die Fälle II.1, II.4, II.5, II.7, II.9 und II.10 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen nach sich. Angesichts des gegenüber § 29a Abs. 1 BtMG deutlich und gegenüber § 29 Abs. 1 BtMG nicht unerheblich milderen Strafrahmens des § 34 KCanG kann der Senat nicht ausschließen, dass das Landgericht insoweit geringere Strafen verhängt hätte. Die Aufhebung der sechs Einzelstrafen führt zur Aufhebung der Gesamtstrafe. Im Übrigen hat die Überprüfung des Strafausspruchs keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Die Feststellungen sind von der Aufhebung nicht betroffen und haben Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO).

154. Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung. Da sich das Verfahren nur gegen einen Erwachsenen richtet, verweist der Senat die Sache im Umfang der Aufhebung nach § 354 Abs. 3 StPO zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück (vgl. , Rn. 6 mwN).

16Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass der große zeitliche Abstand zwischen Tat und Urteil und die Verfahrensdauer im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen sein werden (vgl. , BGHR StGB § 46 Abs. 2 Zeitablauf 4 Rn. 3). Der Generalbundesanwalt hat in seiner Zuschrift zutreffend ausgeführt:

„Zwischen dem Eingang der Revisionsakten bei der Staatsanwaltschaft Gießen im April 2022 […] und deren Weiterleitung an den Generalbundesanwalt Ende Dezember 2024 […] sind über zweieinhalb Jahre vergangen. Die zuständige Dezernentin der Staatsanwaltschaft Gießen hat mit Verfügung vom vermerkt, dass keine Revisionsgegenerklärung abgegeben werden soll […]. Erst unter dem sind der Revisionsübersendungsbericht gefertigt und die Akten sodann an den Generalbundesanwalt übersandt worden […], wo sie am eingegangen sind. Eine Begründung für die erhebliche Verzögerung ist den Akten nicht zu entnehmen. Unter Berücksichtigung einer angemessenen Bearbeitungszeit (vgl. auch § 347 Abs. 1 Satz 2 StPO) und eingedenk des Umstandes, dass Rechtsmittelsachen stets als Eilsachen zu behandeln sind (Nr. 153 RiStBV), ergibt sich insoweit eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung, die auch in einer Verletzung des Beschleunigungsgebots im Revisionsverfahren liegen kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 502/99, NStZ 2001, 52; vom – 2 StR 493/06, BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 32; vom – 2 StR 100/23; KK-StPO/Lohse/Jakobs, 9. Aufl., MRK, Art. 6 Rn. 38; MüKo-StGB/Maier, 4. Aufl., § 46 Rn. 514).“

17Dem schließt sich der Senat an. Das neue Tatgericht wird im Hinblick auf die Dauer des Revisionsverfahrens über die Notwendigkeit einer Kompensation wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung zu befinden haben.

Menges                         Appl                         Zeng

                   Grube                        Lutz

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:061025B2STR25.25.0

Fundstelle(n):
TAAAK-06783