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BGH Beschluss v. - 3 StR 458/25

Instanzenzug: LG Osnabrück Az: 12 KLs 21/24

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten des Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe hat es zur Bewährung ausgesetzt. Zudem hat das Landgericht die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 30 € angeordnet. Der Angeklagte wendet sich gegen das Urteil mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Der Schuldspruch hält sachlichrechtlicher Überprüfung nicht vollumfänglich stand.

3a) Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen hatte der Angeklagte eine fällige und durchsetzbare Geldforderung gegen den Geschädigten in Höhe von etwa 1.500 €. Trotz mehrfacher Aufforderungen kam dieser seiner Zahlungsverpflichtung nicht nach. Am suchte der Angeklagte daher in Begleitung zweier Personen den Geschädigten auf, der ihm an einem Bankautomaten zeigte, dass er über kein Guthaben verfügte. Der Angeklagte und seine Begleiter forderten daraufhin die Herausgabe von Bargeld oder Wertgegenständen, weshalb der Geschädigte zunächst davonlief, jedoch eingeholt werden konnte. Im Folgenden schlugen alle drei im bewussten und gewollten Zusammenwirken unter anderem auf Kopf und Schulter des Geschädigten ein, um ihn zur Herausgabe der geforderten Gegenstände zu bewegen. Dieser konnte erneut flüchten, fiel jedoch und ging zu Boden. Sodann fixierten ihn der Angeklagte und seine Begleiter, schlugen und traten ihn erneut. Der Angeklagte durchsuchte währenddessen die Taschen des Geschädigten und entnahm dessen Geldbörse, um das hierin befindliche Bargeld für sich zu behalten. Dabei ging er davon aus, „dass ihm dieses Geld wegen der noch offenen Forderungen gegen den Zeugen zustehe“. Zugleich war ihm bewusst, dass er sich die Geldbörse nicht auf diese Weise hätte verschaffen dürfen. Als Passanten die Polizei alarmierten, flohen die drei Täter, wobei der Angeklagte auf der Flucht – wie zuvor beabsichtigt – 30 € aus der Geldbörse an sich nahm und diese mit dem übrigen Inhalt in einen Mülleimer warf. Der Geschädigte erlitt, wie vom Angeklagten für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen, Prellungen an Kopf, Hand und Abdomen sowie eine blutende Schürfwunde an der Hand.

4b) Zutreffend hat das Landgericht das Geschehen für den Angeklagten als gefährliche Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 4, § 25 Abs. 2 StGB gewürdigt. Die tateinheitliche Verurteilung wegen Raubes wird von den getroffenen Feststellungen dagegen nicht getragen; allerdings hat der Angeklagte insoweit den Tatbestand der Nötigung verwirklicht (§ 240 Abs. 1 und 2, § 25 Abs. 2 StGB).

5aa) § 249 Abs. 1 StGB verlangt neben der Wegnahme einer fremden beweglichen Sache unter Einsatz eines qualifizierten Nötigungsmittels die Absicht des Täters, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen. Die Rechtswidrigkeit der Zueignung ist dabei normatives Tatbestandsmerkmal, auf das sich der Vorsatz des Täters erstrecken muss (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 104/15, BGHR StGB § 249 Abs. 1 Zueignungsabsicht 13 Rn. 4; vom – 4 StR 186/90, NJW 1990, 2832). An einem Vorsatz fehlt es, soweit der Täter irrtümlich annimmt, einen fälligen und durchsetzbaren Anspruch auf Übereignung der weggenommenen Sache zu haben. In diesem Fall besteht ein (vorsatzausschließender) Tatbestandsirrtum gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 347/15, BGHR StGB § 249 Abs. 1 Zueignungsabsicht 14 Rn. 5; vom – 3 StR 161/05, StraFo 2005, 433).

6bb) So liegt es hier. Zwar war die Zueignung des Geldes objektiv rechtswidrig; denn der Angeklagte hatte keinen Anspruch darauf, gerade das Geld aus der Geldbörse zur Begleichung seiner Forderung zu erhalten (st. Rspr.; vgl. etwa , BGHSt 17, 87, 88; Beschluss vom – 2 StR 335/90, StV 1990, 546; so wohl auch , BGHR StGB § 249 Abs. 1 Zueignungsabsicht 14 Rn. 5; aA statt vieler: SSW-StGB/Kudlich, 6. Aufl., § 242 Rn. 51; MüKoStGB/Schmitz, 5. Aufl., § 24 Rn. 179, wonach bei fälligen und durchsetzbaren Geldforderungen die Rechtswidrigkeit der Zueignung bereits objektiv ausgeschlossen sei).

7Nach den vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ging der Angeklagte jedoch davon aus, infolge der ihm zustehenden fälligen und durchsetzbaren Geldforderung einen Anspruch auf „dieses Geld" zu haben. Insoweit steht die Wertung der Strafkammer, die einen Tatbestandsirrtum gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB mit der Begründung verneint hat, der Angeklagte habe selbst nicht vorgetragen, „einen Anspruch auf die konkret in der Geldbörse vorhandenen Geldscheine zu haben“, im Widerspruch zu den von ihr getroffenen Feststellungen, die einen entsprechenden Irrtum belegen.

8Entgegen der Wertung der Strafkammer scheidet ein Tatbestandsirrtum nicht deshalb aus, weil der Angeklagte nicht von einem bestehenden Selbsthilferecht ausging, sondern wusste, dass er die Geldbörse nicht derart hätte an sich nehmen dürfen. Denn das Selbsthilferecht gemäß §§ 229, 230 BGB betrifft als Rechtfertigungsgrund nicht die tatbestandsmäßige Rechtswidrigkeit der Zueignung (vgl. , BGHSt 17, 87 ff.; zum Selbsthilferecht als Rechtfertigungsgrund vgl. auch , BGHR StGB § 32 Abs. 2 Verteidigung 19 Rn. 6; Fischer/Fischer, StGB, 72. Aufl., Vor § 32 Rn. 9, § 240 Rn. 39), sondern die Rechtswidrigkeit der Wegnahme (vgl. , aaO, Rn. 6).

9cc) Auf Grundlage der getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte mit seinen Begleitern neben dem Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 4, § 25 Abs. 2 StGB tateinheitlich auch den der Nötigung gemäß § 240 Abs. 1 und 2, § 25 Abs. 2, § 52 StGB verwirklicht.

10c) Der Senat fasst den Schuldspruch daher wie aus der Beschlussformel ersichtlich in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO neu. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte insofern nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

112. Der Strafausspruch bleibt von der Schuldspruchänderung unberührt. Dessen Änderung führt weder zu einem veränderten Strafrahmen noch wird dadurch der wesentliche Unrechts- oder Schuldgehalt der Tat reduziert. Es ist vielmehr auszuschließen, dass die Strafkammer den Angeklagten bei zutreffendem Schuldspruch mit einer niedrigeren Freiheitsstrafe belegt hätte.

12Das Landgericht hat das Vorliegen eines minder schweren Falls gemäß § 249 Abs. 2 StGB – auch unter Berücksichtigung der bestehenden Forderung des Angeklagten – bejaht und folglich bei der Bemessung der Strafe den Strafrahmen des § 224 Abs. 1 StGB zugrunde gelegt (§ 52 Abs. 2 StGB). Die Annahme eines minder schweren Falls der gefährlichen Körperverletzung hat es hierbei rechtsfehlerfrei verneint. Bei seiner Gesamtabwägung hat es, wie bei der konkreten Strafzumessung, insbesondere berücksichtigt, dass der Geschädigte „von gleich drei Personen mit erheblicher Brutalität angegangen wurde und die vermögensrechtlichen Beziehungen zwischen den Beteiligten beim Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung wegen des anderen Rechtsgutsbezuges in den Hintergrund treten“. Der Ausgangsstrafrahmen von sechs Monaten bis zehn Jahren Freiheitsstrafe bleibt daher unverändert. Gleiches gilt für die vom Landgericht maßgeblich strafschärfend berücksichtigten Umstände.

133. Im Übrigen lässt die materiellrechtliche Nachprüfung des Urteils keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen.

144. Angesichts des geringen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

Schäfer                                Berg                                Erbguth

                       Kreicker                              Munk

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:281025B3STR458.25.0

Fundstelle(n):
AAAAK-06772