Instanzenzug: Az: 10 KLs 2090 Js 44184/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen (Fälle II. 2. a. bis II. 2. d. der Urteilsgründe) sowie wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei tateinheitlichen Fällen (Fall II. 2. e. der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
21. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen litt der Angeklagte an einer Abhängigkeit von Amphetamin und Kokain. Seinen erheblichen Betäubungsmittelbedarf deckte er durch Einkäufe bei unbekannten Betäubungsmittellieferanten, zu denen er über Messengerdienste Kontakt aufnahm. In diesem Zusammenhang gab er folgende Bestellungen für den Eigenkonsum auf, wobei er die Rauschgifte jeweils nach der Übergabe an ihn wissentlich und willentlich verwahrte und in der Folgezeit verbrauchte:
3a) Am bestellte der Angeklagte 75 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 59,10 Gramm Kokainhydrochlorid (KHC), das ihm vor dem übergeben wurde (Fall II. 2. a. der Urteilsgründe).
4b) Am erkundigte sich der Angeklagte nach dem Preis für 200 Gramm Kokain und erwarb in der Folge 100 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 80,7 Gramm KHC (Fall II. 2. b. der Urteilsgründe).
5c) Am verfügte der Angeklagte über 10 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 8,07 Gramm KHC (Fall II. 2. c. der Urteilsgründe).
6d) Am orderte der Angeklagte 80 Gramm Kokain, wobei ihm am Abend 50 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 40,35 Gramm KHC übergeben wurden (Fall II. 2. d. der Urteilsgründe).
7e) Kurz vor dem bestellte und übernahm der Angeklagte für sich und zwei weitere unbekannt gebliebene Personen mindestens 850 Gramm Amphetamin mit einem unterdurchschnittlichen Wirkstoffgehalt von 3,75 Prozent Amphetaminbase. Der Angeklagte beschwerte sich bei dem Lieferanten daraufhin über die schlechte Qualität des Rauschmittels und bestellte am für sich sowie die zwei weiteren Personen ein weiteres Kilogramm Amphetamin, das ihm am übergeben wurde und einen Wirkstoffgehalt von 7,74 Prozent Amphetaminbase aufwies. Zudem bestellte der Angeklagte am 115 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 92,8 Gramm KHC, die er ebenfalls am erhielt. Er verwahrte Kokain und Amphetamin in der Folgezeit in seinen Geschäftsräumen und verbrauchte das Amphetamin nur teilweise. Bei einer Durchsuchung am wurden von den am georderten 850 Gramm Amphetamin noch 601,30 Gramm Amphetamin (Nassgewicht) und von dem am georderten Kilogramm Amphetamin noch 9,32 Gramm Amphetamin (Nassgewicht) aufgefunden und sichergestellt (Fall II. 2. e. der Urteilsgründe).
82. Die Strafkammer hat die Fälle II. 2. a. bis II. 2. d. der Urteilsgründe jeweils als Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) und den Fall II. 2. e. der Urteilsgründe als Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei tateinheitlichen Fällen (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 52 StGB) gewertet.
II.
91. Die sachlichrechtliche Nachprüfung des Urteils führt im Schuldspruch zu einer Änderung der konkurrenzrechtlichen Bewertung dahin, dass der Angeklagte in den Fällen II. 2. b. bis II. 2. e. der Urteilsgründe wegen einer Tat des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt wird, sowie daraus folgend zur Aufhebung der entsprechenden Einzelstrafen und der Gesamtstrafe.
10a) Der gleichzeitige Besitz verschiedenartiger Betäubungsmittel verletzt das Gesetz nur einmal; dies gilt auch dann, wenn die Rauschgiftmengen separat an unterschiedlichen Orten aufbewahrt werden (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 358/04, BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Besitz 4; vom – 3 StR 427/16, juris Rn. 4; vom – 2 StR 485/23, juris Rn. 11, jeweils mwN). Der Angeklagte lagerte nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen das Amphetamin im Fall II. 2. e. der Urteilsgründe von der Übergabe am bis zur Durchsuchung am . Demzufolge besaß er das Kokain in den Fällen II. 2. b. bis II. 2. e. der Urteilsgründe jeweils gleichzeitig mit Teilen des Amphetamins. Auch wenn der Angeklagte nicht sämtliche Betäubungsmittel insgesamt zur gleichen Zeit, sondern das Kokain in den Fällen II. 2. b. bis II. 2. e. der Urteilsgründe sukzessive verwahrte, führt die Überschneidung des jeweils zeitgleichen Besitzes mit dem des Amphetamins dazu, dass die Besitzausübung insgesamt eine einheitliche materiellrechtliche Tat darstellt (vgl. auch , NStZ-RR 2019, 313).
11Die Fälle II. 2. b. bis II. 2. e. der Urteilsgründe stellen daher eine Tat des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge dar. Allein im Fall II. 2. a. der Urteilsgründe fällt der Besitz des Kokains zeitlich in einen Zeitraum vollständig vor dem der Lagerung des Amphetamins, so dass der Angeklagte hier des tatmehrheitlichen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist.
12Der Senat ändert den Schuldspruch nach § 354 Abs. 1 StPO analog; § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil der Angeklagte sich nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
13b) Infolge der Schuldspruchänderung sind die entsprechenden für die Fälle II. 2. b. bis II. 2. e. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen sowie die Gesamtstrafe aufzuheben.
14c) Die zugehörigen Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können weitgehend bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
15Lediglich die Feststellungen zum Wirkstoffgehalt des Amphetamins unterliegen der Aufhebung, weil die Strafkammer im Rahmen der Feststellungen den Wirkstoffgehalt der Amphetaminbase abweichend von der in der Beweiswürdigung dargestellten Berechnungsgrundlage bestimmt hat und daher insoweit die getroffenen Feststellungen nicht von der Beweiswürdigung getragen werden.
16Das in den Urteilsgründen dargestellte Wirkstoffgutachten ist dahin zu verstehen, dass das Trockengewicht der sichergestellten 601,30 Gramm Amphetamin 359,99 Gramm mit einem Wirkstoffanteil von 3,75 Prozent und das Trockengewicht der sichergestellten 9,32 Gramm Amphetamin 8,19 Gramm mit einem Wirkstoffanteil von 7,74 Prozent betrug. Unter Zugrundelegung dieser ersichtlich auf das Trockengewicht bezogenen Wirkstoffanteile hat das Landgericht aus den sichergestellten Teilmengen den Wirkstoffgehalt der gesamten ursprünglich im Besitz des Angeklagten befindlichen Menge Amphetamins berechnet, obwohl es sich hierbei den Feststellungen nach um das Nassgewicht handelte, so dass aufgrund des höheren Gesamtgewichts der Betäubungsmittel der Wirkstoffanteil und somit auch der Wirkstoffgehalt – durch welchen maßgeblich der Schuldumfang bestimmt wird – zu hoch angesetzt worden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 213/17, NStZ-RR 2017, 377 f.; vom – 3 StR 53/21, NStZ 2023, 46 Rn. 4; vom – 2 StR 559/21, NStZ-RR 2023, 317).
172. Die Sache bedarf im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung. Nach Wegfall der Einzelstrafe im Fall II. 2. c. der Urteilsgründe lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die strafschärfende Berücksichtigung der geringfügigen Überschreitung des Grenzwerts der nicht geringen Menge KHC nur um das 0,6-Fache rechtlich bedenklich ist (BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 166/12, BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 39 Rn. 3; vom – 2 StR 39/16, NStZ-RR 2016, 141).
Berg Hohoff Erbguth
Voigt Munk
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:160925B3STR250.25.0
Fundstelle(n):
JAAAK-06769