Kindergeld | Anwendungsbereich des § 64 EStG bei bestandskräftiger Ablehnung des Anspruchs des vorrangig berechtigten Elternteils (FG)
Der Anwendungsbereich des § 64 EStG ist nicht eröffnet, wenn der
Kindergeldanspruch des anderen Elternteils bestandskräftig abgelehnt wurde (, AO).
Hintergrund: Anspruch auf Kindergeld für Kinder im Sinne des § 63 i.V.m. § 32 Abs. 1 EStG hat nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, wer im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dass das Kind auch in den Haushalt des Anspruchsberechtigten aufgenommen wurde, ist bei leiblichen Kindern grundsätzlich keine Anspruchsvoraussetzung (im Gegensatz zu Kindern des Ehegatten oder Enkel, vgl. § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 EStG). Treffen mehrere Ansprüche zusammen, wird das Kindergeld gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG demjenigen Berechtigten gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat.
Sachverhalt: Die Klägerin ist Mutter eines Kindes, welches nach der Trennung der Eltern zunächst im Haushalt der Klägerin lebte. Im Streitzeitraum Juli bis Dezember 2023 wechselte das Kind in den Haushalt seines Vaters. Den Antrag des Kindesvaters auf Gewährung von Kindergeld für den Streitzeitraum lehnte die Familienkasse im Jahr 2024 bestandskräftig ab. Im Jahr 2025 hob die Familienkasse sodann die Kindergeldfestsetzung gegenüber der Klägerin mit der Begründung auf, dass nach § 64 Abs. 1 EStG für jedes Kind nur einer Person Kindergeld gezahlt werde. Da der Vater das Kind in seinen Haushalt aufgenommen habe, sei er grundsätzlich vorrangig anspruchsberechtigt und schließe die Klägerin von der Kindergeldzahlung aus.
Das Gericht gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Im Streitfall ist der Anwendungsbereich des § 64 EStG nicht eröffnet.
Zwar hat der Kindesvater das Kind ebenfalls in seinen Haushalt aufgenommen. Der Kindesvater ist aber nicht Berechtigter i.S.d. § 64 EStG.
Einem möglichen Anspruch des Kindesvaters steht die bestandskräftige Ablehnung seines Antrags durch die Familienkasse entgegen.
Selbst wenn diese Ablehnung lediglich aus formalen Gründen erfolgt ist und dem Grunde nach ein Anspruch des Kindesvaters für den Streitzeitraum bestanden hat, kann dies nicht zu einem anderen Ergebnis führen.
§ 64 Abs. 1 EStG soll eine Doppelzahlung von Kindergeld verhindern. Bei einer bestandskräftigen Ablehnung gegenüber einem Elternteil besteht im Regelfall jedoch nicht die Gefahr einer Doppelzahlung.
Der Volltext der Entscheidung ist in der Rechtsprechungsdatenbank des Landes NRW veröffentlicht.
Quelle: FG Münster, Newsletter Dezember 2025 (il)
Fundstelle(n):
IAAAK-06577