Suchen Barrierefrei
BGH Beschluss v. - 6 StR 293/25

Instanzenzug: LG Frankfurt (Oder) Az: 24 KLs 6/24

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Vergewaltigung, wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen und Körperverletzung, wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in zwei Fällen, wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in sechs Fällen sowie wegen sexueller Belästigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO) und ist im Übrigen unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

21. Die Verurteilung des Angeklagten im Fall II.2.10 der Urteilsgründe wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und im Fall II.2.11 der Urteilsgründe wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen unterliegt der Aufhebung, weil die Feststellungen des Landgerichts zum Strafanwendungsrecht insoweit lückenhaft sind. Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Antragsschrift ausgeführt:

„Während die Taten II.2.1 bis II.2.9 der Urteilsgründe in der Bundesrepublik begangen worden sind, ereigneten sich die übrigen beiden Taten in dem von der Familie zu diesem Zeitpunkt bewohnten Einfamilienhaus in Polen. Der Angeklagte ist in Polen geboren. Aus dem Rubrum ergibt sich überdies, dass er polnischer Staatsangehöriger ist. Feststellungen zur Staatsangehörigkeit der Nebenklägerin sind hingegen nicht getroffen worden. Aus den Angaben der Mutter der Nebenklägerin, sie sei im Jahr 2010 ‚von den Philippinen ins Saarland gekommen‘, lassen sich keine sicheren Rückschlüsse ziehen.

Damit lässt sich aus den bisherigen Feststellungen eine Anwendung deutschen Strafrechts nicht entnehmen. Unbesehen der Frage, ob der Angeklagte trotz des Umzugs der Familie nach Polen seinen Lebensmittelpunkt im Inland hatte, kommt eine Anwendung deutschen Strafrechts auch nach § 5 Nr. 8 StGB nicht in Betracht. Die Regelung ist erst durch Gesetz vom (BGBl. I Nr. 203, S. 1 ff.) mit Wirkung zum und damit nach Begehung der Taten (August 2023) eingefügt worden. Einer Rückwirkung der Änderung steht § 2 Abs. 1, Abs. 3 StGB entgegen (vgl. hierzu auch , Rn. 5).“

3Dem schließt sich der Senat an.

42. Die Bemessung der Einzelstrafe im Fall II.2.2 der Urteilsgründe hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat in diesem Fall strafschärfend berücksichtigt, dass die Nebenklägerin noch erheblich von der Schutzaltersgrenze des § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB aF entfernt war. Diese Erwägung geht hier angesichts des festgestellten Alters von zwölf Jahren fehl (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 436/22, Rn. 10; vom – 2 StR 373/21, Rn. 5; vom – 4 StR 477/14, Rn. 9). Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer ohne diese Erwägung zu einer milderen Strafe gelangt wäre (§ 337 Abs. 1 StPO).

53. Die Aufhebung der Schuldsprüche in den Fälle II.2.10 und II.2.11 sowie des Strafausspruchs im Fall II.2.2 der Urteilsgründe entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage.

6Die jeweiligen Feststellungen können bestehen bleiben, weil sie von den aufgezeigten Rechtsfehlern nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, die mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen; zu den tatsächlichen Voraussetzungen deutschen Strafanwendungsrechts wird es weitergehende Feststellungen zu treffen haben (vgl. , Rn. 8).

74. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass die strafschärfende Berücksichtigung des Abstands zur Schutzaltersgrenze des § 174 Abs. 1 StGB auch in den Fällen II.2.10 und II.2.11 der Urteilsgründe nicht unbedenklich wäre.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:240925B6STR293.25.0

Fundstelle(n):
XAAAK-05013