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BSG Urteil v. - B 1 KR 26/24 R

Tatbestand

1Die Beteiligten streiten in der Sache über den Vergütungsanspruch für stationäre Krankenhausbehandlungen bei Nichteinhaltung von Qualitätsanforderungen aus einer Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA).

2Das klagende Universitätsklinikum behandelte mehrere bei der beklagten KK versicherte Patienten im Zeitraum vom bis zum stationär auf seiner kinderonkologischen Station. Die Beklagte beglich die Rechnungen für 145 Fälle zunächst. Mit Schreiben vom machte sie Erstattungsansprüche für die in einer beigefügten Aufstellung bezeichneten Fälle geltend und erklärte die Aufrechnung. Aufgrund einer Prüfung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) sei festgestellt worden, dass bei der Klägerin im Zeitraum der Behandlungen die nach § 4 Abs 4 der "Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über Maßnahmen zur Qualitätssicherung für die stationäre Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit hämato-onkologischen Krankheiten gemäß § 136 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 SGB V für nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser (Richtlinie zur Kinderonkologie, KiOn-RL)" nötigen strukturellen Voraussetzungen zur Anzahl der in jeder Schicht vorzuhaltenden Pflegefachkräfte nicht erfüllt gewesen seien. In den benannten Fällen bestehe kein Vergütungsanspruch. In der Folgezeit hat die Beklagte Forderungen aus kinderonkologischen Behandlungsfällen iHv insgesamt 553 644,06 Euro mit Vergütungsansprüchen der Klägerin aufgerechnet.

3Das SG hat die Beklagte zur Zahlung des aufgerechneten Betrags nebst Zinsen auf der Grundlage der Budget- und Entgeltvereinbarungen der Beteiligten für 2016 verurteilt und die Sprungrevision gegen sein Urteil zugelassen. Der Anspruch auf die abgerechnete Vergütung sei nicht durch die erklärten Aufrechnungen erloschen, da der Beklagten kein Erstattungsanspruch zustehe. Zwar sei im Zeitraum vom bis die Besetzung des Pflegedienstes der kinderonkologischen Station mit zwei Pflegekräften nicht gewährleistet gewesen. Ein Verstoß gegen die in der KiOn-RL festgelegten Qualitätsanforderungen habe bestanden. Dieser Verstoß führe jedoch nicht zu einem zwangsläufigen Wegfall des Vergütungsanspruchs. Es fehle an einer entsprechenden Regelung in der KiON-RL (Urteil vom ).

4Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 2 Abs 1 Satz 3, § 12 Abs 1 Satz 1, § 39, § 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V iVm § 4 KiOn-RL. Nach der Rechtsprechung des BSG sei die Behandlung bei Nichterfüllung zwingender struktureller Qualitätsanforderungen der Qualitätssicherungsrichtlinien des GBA nach § 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V unwirtschaftlich und nicht erforderlich iS der §§ 39, 12 Abs 1 Satz 1 SGB V. Das Inkrafttreten der Neufassung des § 137 Abs 1 SGB V am , mit dem der Gesetzgeber dem GBA ohne eine Umsetzungsfrist einen Regelungsauftrag für ein gestuftes System von Folgen der Nichteinhaltung von Qualitätsanforderungen erteilt habe, schließe diesen Vergütungswegfall nicht aus. Der Regelungsauftrag an den GBA sei nicht mit der faktischen Aussetzung der Qualitätssicherungsrichtlinien des GBA dergestalt verbunden, dass die die Qualitätsanforderungen nicht erfüllenden Leistungserbringer bis zum Tätigwerden des GBA keine Rechtsfolgen befürchten müssten.

Gründe

7Die Revision ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das SG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

8Die von der Klägerin erhobene (echte) Leistungsklage ist im hier bestehenden Gleichordnungsverhältnis zulässig (stRspr; vgl zB KR R - BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 9 mwN; - BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 12; - BSGE 114, 209 = SozR 4-2500 § 115a Nr 2, RdNr 8). Der Senat kann jedoch auf der Grundlage der Feststellungen des SG nicht entscheiden, ob die mit der Klage geltend gemachten, nach Grund und Höhe nicht bestrittenen Vergütungsansprüche aus der Behandlung anderer Versicherter der Beklagten durch Aufrechnung mit den aus Behandlungen von Versicherten im Zeitraum vom bis resultierenden Erstattungsansprüchen iHv 553 644,06 Euro erloschen sind (vgl zur Zugrundelegung von Vergütungsansprüchen bei unstrittiger Berechnungsweise - juris RdNr 11 mwN; stRspr; vgl zur Aufrechnung - SozR 4-5562 § 11 Nr 2 und - B 1 KR 7/16 R - SozR 4-7610 § 366 Nr 1).

9Der Beklagten standen Erstattungsansprüche nur zu, wenn die Klägerin infolge eines Verstoßes gegen das allgemeine Qualitätsgebot (§ 2 Abs 1 Satz 3 SGB V) keinen Anspruch auf Vergütung für die Behandlung der Versicherten hatte. Die Richtlinien des GBA über die Qualitätssicherung nach § 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V, § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 13 SGB V (Qualitätssicherungs-RL) - wie die hier maßgebliche KiOn-RL (in der zum in Kraft getretenen Fassung, BAnz AT B2 sowie in der am in Kraft getretenen Fassung vom , BAnz AT B3) - enthalten einen vom GBA konkretisierten Qualitätsmaßstab, der über das allgemeine Qualitätsgebot des § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V hinausgehende Anforderungen stellen kann (dazu 1.). Erstattungsansprüche der Beklagten ergeben sich nicht bereits aus einem Verstoß des Krankenhauses der Klägerin gegen Anforderungen aus der KiOn-RL (dazu 2.). Ob das Krankenhaus bei den durchgeführten kinderonkologischen Behandlungen im Zeitraum vom bis gegen das maßgebliche Qualitätsgebot verstoßen hat und deshalb mangels Vergütungsanspruch für diese Behandlungen Erstattungsansprüche der Beklagten bestanden, bedarf weiterer Feststellungen (dazu 3.).

101. Der GBA ist befugt, in den Qualitätssicherungs-RL auch Anforderungen an die Leistungserbringung festzulegen, zu denen es (noch) keinen allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse gibt und die deshalb über das allgemeine Qualitätsgebot des § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V hinausgehen. § 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2, § 137 Abs 1 Satz 1, § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 13 SGB V ermächtigen den GBA zum Erlass von Richtlinien, mit denen er Kriterien für die indikationsbezogene Notwendigkeit und Qualität der durchgeführten diagnostischen und therapeutischen Leistungen bestimmt und auch Mindestanforderungen an die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität festlegt (Qualitätssicherungs-RL). Ihre grundlegende Fundierung haben diese Qualitätssicherungs-RL im allgemeinen Qualitätsgebot des § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V (vgl - juris RdNr 60, für BSGE und SozR vorgesehen). Danach dürfen nur Leistungen erbracht werden, die in Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stadt der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Das betrifft sowohl das "Ob" der Leistungserbringung zu Lasten der GKV als auch die Bedingungen der Leistungserbringung. Das Qualitätsgebot markiert eine grundsätzlich unverzichtbare (gesetzliche Ausnahmen etwa in § 2 Abs 1a und § 137c Abs 1 SGB V - Potentialmaßstab, vgl dazu - BSGE 132, 67 = SozR 4-2500 § 137c Nr 15, RdNr 22 ff) Mindestvoraussetzung der Leistungspflicht der GKV und damit der Leistungserbringung zu Lasten der GKV.

11Krankenhäuser haben daher grundsätzlich nur einen Anspruch auf Vergütung für Behandlungen, die im Sinne des allgemeinen Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 2 Abs 1 Satz 3, § 12 Abs 1 SGB V) geeignet und erforderlich sind (dazu a). Der GBA ist befugt, Anforderungen an die Struktur- und Prozessqualität der diagnostischen und therapeutischen Leistungen sowie Rechtsfolgen bei Nichteinhaltung dieser Anforderungen festzulegen (dazu b). Der GBA hat in grundsätzlicher Weise ein gestuftes System von Rechtsfolgen der Nichteinhaltung von Qualitätsanforderungen festzulegen, welches für die Anforderungen aus den themenspezifischen Richtlinien und Beschlüssen zu konkretisieren ist (dazu c). In den Qualitätssicherungs-RL kann der GBA nach Validität der wissenschaftlichen Erkenntnisse und nach Notwendigkeit abgestufte Anforderungen an die Qualität der diagnostischen und therapeutischen Leistungen vorsehen, die über die aus dem allgemeinen Qualitätsgebot unmittelbar ableitbaren Anforderungen hinausgehen (dazu d). Soweit kein Verstoß gegen das allgemeine Qualitätsgebot vorliegt, hat die Nichteinhaltung von Qualitätsvorgaben einer Qualitätssicherungs-RL nur dann vergütungsrechtliche Folgen, wenn der GBA in dieser Richtlinie eine entsprechende Rechtsfolge vorgesehen hat. Der Senat hält insoweit an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht fest (dazu e).

12a) Der Vergütungsanspruch des Krankenhauses setzt voraus, dass die durchgeführte Behandlung iS von § 39 SGB V erforderlich ist. Das ist nur dann der Fall, wenn die Behandlung dem Qualitätsgebot als allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse (§ 2 Abs 1 Satz SGB V) entspricht sowie in Erfüllung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 Abs 1 SGB V) notwendig und ausreichend ist, um das angestrebte Behandlungsziel zu erreichen (vgl - BSGE 133, 24 = SozR 4-2500 § 2 Nr 17, RdNr 9; - BSGE 134, 142 = SozR 4-2500 § 15 Nr 4, RdNr 15). Das allgemeine Qualitätsgebot stellt auch Anforderungen an die strukturellen und prozeduralen Voraussetzungen der Leistungserbringung. Dies ergibt sich allgemein auch aus § 135a Abs 1 Satz 2 SGB V. Danach müssen nicht nur die Leistungen als solche dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechen, sondern sie müssen auch in der fachlich gebotenen Qualität erbracht werden (vgl - BSGE 133, 24 = SozR 4-2500 § 2 Nr 17, RdNr 12). Werden bestimmte strukturelle und/oder prozedurale Mindestanforderungen an die Behandlung von der großen Mehrheit der einschlägigen Fachleute aufgrund des Standes der medizinischen Erkenntnisse befürwortet, so sind diese vom Krankenhaus auch ohne eine entsprechende Vorgabe des GBA zu beachten (vgl BSG, aaO, RdNr 15). Im Falle eines Verstoßes gegen die sich aus dem allgemeinen Qualitätsgebot ergebenden Anforderungen an die Struktur- und Prozessqualität entspricht die Krankenhausbehandlung nicht mehr den gesetzlichen Vorgaben der § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V iVm § 2 Abs 1 Satz 3, Abs 4, § 12 Abs 1 SGB V. Sie ist damit insgesamt unwirtschaftlich und nicht zu vergüten (vgl - BSGE 134, 142 = SozR 4-2500 § 15 Nr 4, RdNr 16).

13b) Dem GBA sind umfassende Regelungsbefugnisse in Bezug auf die Qualitätssicherung eingeräumt. Er ist nach der Grundnorm des § 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V (in der hier maßgeblichen, ab geltenden Fassung des Art 6 Nr 15, Art 9 Abs 1 des Gesetzes zur Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung <Krankenhausstrukturgesetz KHSG> vom , BGBl I 2229; bis § 137 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V - aF) ermächtigt, in Qualitätssicherungs-RL für die Leistungserbringer verbindliche (§ 91 Abs 6 SGB V) Kriterien für die Qualität der durchgeführten diagnostischen und therapeutischen Leistungen zu bestimmen und Mindestanforderungen an die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität festzulegen. Dazu hat er auch die erforderlichen Durchführungsbestimmungen zu erlassen (§ 136 Abs 1 Satz 2 SGB V).

14Schon nach der bis geltenden, mit § 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V fast wortgleichen Fassung des § 137 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V aF bestimmte der GBA Kriterien für die indikationsbezogene Notwendigkeit und Qualität der durchgeführten diagnostischen und therapeutischen Leistungen, insbesondere aufwändiger medizintechnischer Leistungen; dabei waren auch Mindestanforderungen an die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität festzulegen. Ferner war er nach § 137 Abs 1 Satz 2 SGB V neben dem Erlass von Durchführungsbestimmungen auch ermächtigt, Grundsätze für Konsequenzen, insbesondere für Vergütungsabschläge, für Leistungserbringer zu erlassen, die ihre Verpflichtungen zur Qualitätssicherung nicht einhalten. Das schloss nach der Rechtsprechung des Senats die Befugnis des GBA ein, zugelassene Krankenhäuser im Hinblick auf bestimmte Krankheiten und Prozeduren von der Versorgung sämtlicher Patienten auszuschließen, wenn sie vom GBA für unverzichtbar angesehene - zwingende - Qualitätssicherungsanforderungen nicht erfüllten ( - BSGE 116, 153 = SozR 4-2500 § 137 Nr 4, RdNr 17 iVm RdNr 12). Diese Rechtsfolge ergab sich nach der Rechtsprechung des Senats aus dem Regelungssystem und -zweck des Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebots iVm § 137 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB V aF und einer Regelung in der dort maßgeblichen Qualitätssicherungs-RL (BSG, aaO, RdNr 11 f, 17 bis 21; siehe dazu auch unten RdNr 32), soweit der GBA zu Recht von einer zwingenden Qualitätssicherungsanforderung ausgegangen war (BSG, aaO, RdNr 16). Einer darüber hinausgehenden, gesonderten Sanktionsregelung bedurfte es nicht.

15Mit der Neustrukturierung der Regelungen zur Qualitätssicherung durch das KHSG zum wurde die Befugnis des GBA zur Regelung von Rechtsfolgen in § 137 Abs 1 SGB V eigenständig und differenzierter geregelt. Der Gesetzgeber sah im Interesse des Patientenschutzes ein Bedürfnis nach klaren Regelungen zur Durchsetzung insbesondere der Strukturvorgaben des GBA und hat mit § 137 Abs 1 Satz 1 SGB V (in der Fassung des Art 6 Nr 15 KHSG) die Ermächtigung des GBA zur Regelung von Rechtsfolgen der Nichteinhaltung von Qualitätsanforderungen klargestellt (BT-Drucks 18/5372 S 92). Ein effizienter Nutzen der Qualitätssicherungsinstrumente steht und fällt mit den Sanktionsmöglichkeiten (vgl - BSGE 116, 153 = SozR 4-2500 § 137 Nr 4, RdNr 22). Die vom GBA bestimmten Qualitätsvorgaben (§ 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V) werden dementsprechend erst voll wirksam, wenn er auch Maßnahmen zur Durchsetzung dieser Vorgaben normiert. Die dem GBA zugewiesene Regelung von Durchsetzungsmaßnahmen nach § 137 Abs 1 Satz 1 SGB V knüpft an dessen schon vor dem bestehende Ermächtigung (§ 137 Abs 1 Satz 2 SGB V aF) an und konkretisiert diese in den Sätzen 2 und 3 unter Betonung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in Satz 4.

16c) § 137 Abs 1 SGB V enthält zwei Regelungsaufträge an den GBA: Er soll unter Einräumung eines weiten Gestaltungsspielraums ein gestuftes System von Folgen der Nichteinhaltung von Qualitätsanforderungen nach den §§ 136 bis 136c SGB V in grundsätzlicher Weise festlegen (dazu aa) und die in diesem System getroffenen Festlegungen in den einzelnen Richtlinien und Beschlüssen jeweils für die in ihnen geregelten Qualitätsanforderungen konkretisieren (dazu bb). Dabei ist das Verhältnismäßigkeitsgebot zu beachten (dazu cc).

18Das gestufte System der Rechtsfolgen einschließlich der für die Durchsetzung der Rechtsfolgen zuständigen Stellen ist nach § 137 Abs 1 Satz 5 SGB V in grundsätzlicher Weise festzulegen. Mit der grundsätzlichen Festlegung der Rechtsfolgen für Verstöße gegen Qualitätsvorgaben des GBA verband der Gesetzgeber die Erwartung, dass damit Transparenz und Rechtssicherheit gestärkt werden (BT-Drucks 18/5372 S 93). Dem Gestaltungsspielraum des GBA sind bei der Ausgestaltung des Systems mit § 137 Abs 1 Satz 2 bis 4 SGB V nur wenige Grenzen gesetzt. Er hat zwischen Beratungs- und Unterstützungsmaßnahmen sowie Durchsetzungsmaßnahmen zu unterscheiden (§ 137 Abs 1 Satz 2 SGB V). Durchsetzungsmaßnahmen sind auf wesentliche Qualitätsverstöße beschränkt und verhältnismäßig anzuwenden (§ 137 Abs 1 Satz 4 SGB V), wobei die in Betracht kommenden Durchsetzungsmaßnahmen nur beispielhaft genannt sind (§ 137 Abs 1 Satz 3 SGB V). Der Vergütungswegfall ist in dieser beispielhaften Aufzählung nur im Zusammenhang mit der Nichteinhaltung von Mindestanforderungen nach § 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V genannt.

19Dem Regelungsauftrag zur grundsätzlichen Festlegung eines gestuften Rechtsfolgensystems ist der GBA mit der zum in Kraft getretenen Qualitätsförderungs- und Durchsetzungs-Richtlinie (QFD-RL) nachgekommen (BAnz AT B1).

20bb) Nach § 137 Abs 1 Satz 6 SGB V sind die grundsätzlichen Festlegungen des gestuften Rechtsfolgensystems (§ 137 Abs 1 Satz 5 SGB V) vom GBA in einzelnen Richtlinien und Beschlüssen jeweils für die in ihnen geregelten Qualitätsanforderungen zu konkretisieren. Die Notwendigkeit der Konkretisierung schließt die unmittelbare Geltung der in der QFD-RL in grundsätzlicher Weise festgelegten Rechtsfolgen gegenüber den Leistungserbringern aus. Durchsetzungsmaßnahmen nach §§ 3, 5 QFD-RL bedürfen der Umsetzung in den Qualitätssicherungs-RL nach § 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V (so auch ausdrücklich § 2 Abs 5 Satz 1 QFD-RL). Den dort geregelten Qualitätsanforderungen sind jeweils die anzuwendenden, in der QFD-RL abstrakt beschriebenen Durchsetzungsmaßnahmen zuzuordnen. Dabei ist in den themenbezogenen Festlegungen in Bezug auf unterschiedlich schwere Verstöße gegen Qualitätsanforderungen das gestufte Vorgehen nach § 137 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB V zu beachten (BT-Drucks 18/5372 S 93).

21cc) Auch die Umsetzung der in der QFD-RL abstrakt beschriebenen Maßnahmen in den themenspezifischen Qualitätssicherungs-RL hat unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgebots zu erfolgen. Die Maßnahmen des vom GBA festzulegenden gestuften Rechtsfolgensystems sind verhältnismäßig zu gestalten und anzuwenden (§ 137 Abs 1 Satz 4 SGB V).

22Der mit Verfassungsrang ausgestattete Grundsatz der Verhältnismäßigkeit fordert, dass staatliches Handeln zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen bzw verhältnismäßig im engeren Sinne ist (vgl ua - BVerfGE 65, 1, 44 und 54 = juris RdNr 151 und 175; - BVerfGE 117, 163, 182 = juris RdNr 60). Vorbedingung der von § 137 Abs 1 Satz 4 SGB V geforderten verhältnismäßigen Gestaltung und Anwendung von Rechtsfolgen ist daher die Klärung, welchem Zweck die in Richtlinien und Beschlüssen des GBA festgelegten Qualitätsanforderungen jeweils dienen. In Betracht kommen neben der Erhöhung der Patientensicherheit durch risikomindernde Vorgaben auch die mit der angestrebten Verbesserung der Ergebnisqualität verbundene Steigerung der Wirtschaftlichkeit der Versorgung. Die vom GBA vorzunehmende, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in einem Stufensystem (§ 137 Abs 1 Satz 1 SGB V) konkretisierende Rechtsfolgenbewertung ist durch vier Vorgaben des § 137 Abs 1 Satz 2 bis 4 und 7 SGB V vorgezeichnet. Die Maßnahmen müssen bei Nichteinhaltung der Schwere des Verstoßes angemessen sein. Für nicht wesentliche Qualitätsanforderungen, bei denen aber auch Beratung und Unterstützung angezeigt sind, sind keine sanktionierenden Durchsetzungsmaßnahmen vorzusehen (Satz 2). Bei den - insbesondere - aufgezählten sanktionierenden Maßnahmen ist der Wegfall des Vergütungsanspruchs nur für die Nichteinhaltung von Mindestanforderungen vorgesehen, nicht aber für sämtliche wesentlichen Qualitätsanforderungen (Satz 3). Sämtliche Maßnahmen, auch die Anordnung des Vergütungswegfalls, sind verhältnismäßig zu gestalten und anzuwenden (Satz 4). Für schwere oder wiederholte Verstöße darf der GBA abweichende Regelungen vorsehen (Satz 7).

23Daraus ergibt sich für die nach § 137 Abs 1 Satz 3 Nr 2 SGB V vorgesehene Rechtsfolge des Vergütungswegfalls für einen Verstoß gegen eine vom GBA festgesetzte Mindestanforderung, dass diese zwar eine zulässige und im Regelfall gebotene, aber nicht grundsätzlich zwingende Rechtsfolge ist (so auch Penner/Büscher, GuP 2016, 121, 124 "nur die Möglichkeit"; Deister, MedR 2024, 383, 384). Auch hinsichtlich der Mindestanforderungen ist § 137 Abs 1 SGB V kein Automatismus zwischen der Nichteinhaltung und dem Wegfall des Vergütungsanspruchs zu entnehmen. Dem GBA ist insbesondere bei der Umsetzung des gestuften Systems in den themenspezifischen Qualitätssicherungs-RL die Abwägung zugewiesen, ob der Vergütungswegfall für die Nichteinhaltung der konkreten Mindestanforderung die zur Erreichung des mit ihr verfolgten Zwecks geeignete, erforderliche, angemessene und im engeren Sinne verhältnismäßige Rechtsfolge ist (siehe dazu auch unten RdNr 42). Das erfordert bereits bei der Festlegung der Qualitätsanforderung als Mindestanforderung nach § 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V eine klare Vorstellung über den Zweck und die Grundlage der Mindestanforderung, etwa welchen Risiken mit der Qualitätsvorgabe vorgebeugt werden soll und welche wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Wahrscheinlichkeit des Risikoeintritts und den Möglichkeiten der Vorbeugung bestehen (näher dazu unten RdNr 26 ff; ähnlich Heberlein in BeckOK, Stand , § 137 SGB V RdNr 8).

24d) Der GBA ist bei der Festlegung von Qualitätskriterien und qualitätssichernden Anforderungen nicht auf eine nur deklaratorisch wirkende Festlegung derjenigen Anforderungen beschränkt, die dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Er ist befugt, in Qualitätssicherungs-RL Anforderungen an die Struktur- und Prozessqualität der Leistungen festzulegen, die über das zur Einhaltung des allgemeinen Qualitätsgebots Erforderliche hinausgehen. Anders ist das mit den Regelungen des GBA zur Qualitätssicherung angestrebte Ziel der Risikovorsorge und -minimierung nicht erreichbar (dazu aa). Die Befugnis zur Regelung von nach Validität der medizinischen Erkenntnisse und nach Notwendigkeit abgestuften Qualitätsanforderungen ist in der Systematik der § 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2, § 137 Abs 1 SGB V angelegt (dazu bb).

25aa) Auch bei Fundierung der Richtlinien im allgemeinen Qualitätsgebot (§ 2 Abs 1 Satz 3 SGB V) ist der dortige Maßstab des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse, der im Regelfall wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen über den Zusammenhang zwischen qualitätssichernden Vorgaben und dem Ergebnis einer Behandlung verlangt, nicht als starrer Rahmen unabhängig von den praktischen Möglichkeiten tatsächlich erzielbarer Evidenz zu verstehen (vgl zur Methodenbewertung - BSGE 115, 95 = SozR 4-2500 § 2 Nr 4, RdNr 21). Die zum Zweck der Risikovorsorge und -minimierung im SGB V angelegten Regelungsbefugnisse des GBA im Bereich der Qualitätssicherung (zum Präventionszweck der Qualitätssicherungs-RL siehe auch Deister, Qualitätssicherung im Krankenhaus, 2018, S 51, 198 ff; zur Risikominimierung im Zusammenhang mit Mindestmengen-Regelungen - BSGE 112, 15 = SozR 4-2500 § 137 Nr 1, RdNr 46; - BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 38 ff) wären erheblich eingeschränkt, wenn er mit den festzulegenden Qualitätsvorgaben nur den allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse abbilden dürfte. Wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zu den Risiken medizinischer Leistungen und zur Wirksamkeit von Maßnahmen zur Vorbeugung im Sinne des Schutzes der Patienten vor vermeidbaren Risiken sind in unterschiedlichem Umfang verfügbar (zu den Schwierigkeiten vgl Roters, GesR 2012, 604, 608; siehe auch - juris RdNr 58 ff, für BSGE und SozR vorgesehen, zum Fehlen von Evidenz zu Personalvorgaben für stationäre psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen), ganz besonders im Bereich nach § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V schon anerkannter, aber insbesondere mit Blick auf die Prozessqualität gleichwohl noch neuer Methoden. Erst recht gilt dies für den Bereich der Potentialleistungen nach § 137c Abs 3 SGB V. Bekannten oder zu erwartenden Risiken diagnostischer oder therapeutischer Leistungen könnte nicht begegnet werden, soweit den festzulegenden Maßnahmen evidenzbasierte Belege für ihre Wirksamkeit fehlen. Die Befugnis zur Regelung anderer, sich nicht schon allein aus dem allgemeinen Qualitätsgebot evidenzbasiert zwingend ergebenden Anforderungen entspricht dem präventiven Gedanken der Qualitätssicherung und kommt mit der Differenzierung der Qualitätsanforderungen und Rechtsfolgen in § 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2, § 137 Abs 1 Satz 2 SGB V auch deutlich zum Ausdruck (vgl auch Heberlein, GuP 2019, 167, 171; Deister in Hauck/Noftz, SGB V, Stand 5/2021, § 136 RdNr 9).

26bb) Die nach § 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V festzulegenden Qualitätsanforderungen und die nach § 137 Abs 1 SGB V als gestuftes System zu regelnden Rechtsfolgen der Nichteinhaltung von Qualitätsanforderungen sind aufeinander bezogen. Die in § 137 Abs 1 Satz 2 und 3 SGB V beispielhaft genannten Rechtsfolgen gehen - wie oben dargelegt - von dreistufig angelegten Anforderungen an die Prozess- und Strukturqualität der diagnostischen und therapeutischen Leistungen aus: Für einfache, etwa allein der Qualitätsverbesserung dienende Anforderungen sind Maßnahmen zur Beratung und Unterstützung vorgesehen. Die in § 137 Abs 1 Satz 3 SGB V beispielhaft genannten Durchsetzungsmaßnahmen setzen einen Verstoß gegen wesentliche Qualitätsanforderungen voraus. Hinsichtlich der Durchsetzungsmaßnahme ist zu unterscheiden zwischen den Verstößen gegen (nur) wesentliche Qualitätsanforderungen und der in § 137 Abs 1 Satz 3 Nr 2 SGB V genannten Nichterfüllung von Mindestanforderungen nach § 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V.

27Spiegelbildlich dazu ist in § 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V eine Abstufung nach "Kriterien" für die Qualität der durchgeführten Leistungen und nach "Mindestanforderungen" an die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität angelegt (so auch schon § 137 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V aF). Mindestanforderungen sind diejenigen Vorgaben, die nach der Beurteilung des GBA unverzichtbar sind, um eine Versorgung im Einklang mit dem Qualitätsgebot (§ 2 Abs 1 Satz 3 SGB V) und dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs 1 SGB V) zu gewährleisten (vgl - BSGE 116, 153 = SozR 4-2500 § 137 Nr 4, RdNr 11, 14, 17 <Bauchaortenaneurysma>; - juris RdNr 98, für BSGE und SozR vorgesehen).

28Auch die Festlegung der Mindestanforderungen ist nicht auf die nur deklaratorisch wirkende Festlegung der sich ohnehin aus dem Qualitätsgebot ergebenden, dem wissenschaftlich allgemein anerkannten Stand entsprechenden Vorgaben beschränkt. Bei Nichteinhaltung der vom GBA festgelegten Mindestanforderungen sieht § 137 Abs 1 Satz 3 Nr 2 SGB V aber den Wegfall des Vergütungsanspruchs als grundsätzlich verhältnismäßige Rechtsfolge vor (dazu RdNr 23). Das setzt voraus, dass der Vergütungsanspruch grundsätzlich entsteht, die Behandlung also im Einklang mit dem allgemeinen Qualitätsgebot erfolgt. Denn für Behandlungen, die nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen und damit gegen das allgemeine Qualitätsgebot verstoßen, entsteht nach der Rechtsprechung des Senats kein Vergütungsanspruch (siehe oben RdNr 12), sodass es der ausdrücklichen Regelung dieser Rechtsfolge nicht bedürfte.

29Dieses Regelungssystem zeigt, dass die vom GBA zu regelnden Qualitätsanforderungen über das nach dem allgemeinen Qualitätsgebot Erforderliche hinausgehen sollen. Sofern die Ermächtigungsgrundlage keine strengeren Anforderungen vorsieht (etwa für die Festlegung von Mindestmengen nach § 136b Abs 1 Satz 1 Nr 2, Abs 3 SGB V <§ 137 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB V aF> vgl - SozR 4-2500 § 137 Nr 6, RdNr 28 ff), sind auch weiterhin Qualitätsanforderungen zulässig, zu denen es einen gesicherten medizinischen Erkenntnisstand (noch) nicht gibt, für deren Notwendigkeit aber etwa im Hinblick auf die Sicherheit oder die Wirksamkeit der Behandlung (Verbesserung der Ergebnisqualität) plausible Daten zugrunde gelegt werden können (zur Plausibilität der Anforderungen vgl Wenner, GuP 2013, 41, 48; zur Nachvollziehbarkeit als Willkürfreiheit Roters, GesR 2012, 604, 607). Mit solchen Anforderungen darf auch auf eine prognostizierbare schrittweise Verbesserung der Qualität hingewirkt werden (so bereits zu den Mindestvorgaben nach § 136a Abs 2 Satz 2 ff SGB V - juris RdNr 62, für BSGE und SozR vorgesehen). Der GBA hat aber die vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnisse, bestehende Risiken der diagnostischen oder therapeutischen Leistungen für die Patienten und valide Erkenntnisse zur Minimierung dieser Risiken oder zur Verbesserung der Ergebnisqualität der Leistungen einzubeziehen. Er hat abzuwägen, ob Vorgaben danach für die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Behandlung aus medizinischen Gründen unverzichtbar oder nur aus gesundheitspolitischen Erwägungen geboten oder jedenfalls erwünscht sind (vgl Hasselbach/Reinhold, KH 2023, 140, 142).

30Die von § 137 Abs 1 Satz 4 SGB V vorgegebene verhältnismäßige Gestaltung und Anwendung der Durchsetzungsmaßnahmen erfordert es auch, den der Qualitätsanforderung zugrundeliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisstand bei der Festlegung der Rechtsfolgen der Nichteinhaltung zu berücksichtigen. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit kann ein Absehen von der Rechtsfolge des regelhaften Vergütungswegfalls als Folge der Nichteinhaltung von Mindestanforderungen insbesondere dann geboten sein, wenn festgesetzte Anforderungen auf einem niedrigen Evidenzgrad oder auf nur empirisch tragfähigen oder sonst plausiblen Annahmen beruhen. Je schwächer die Erkenntnisgrundlage ist, desto weniger belastend dürfen die Sanktionen bei Nichteinhaltung der Anforderungen sein (so bereits - juris RdNr 105, für BSGE und SozR vorgesehen).

31e) Der Senat hält aufgrund dieser aufgezeigten Gesetzesänderung mit ihrem differenzierten Regelungssystem an seiner Rechtsprechung zum Nichtentstehen des Vergütungsanspruchs nach der Rechtslage bis nicht fest. Der Vergütungswegfall ist bei Nichteinhaltung von zwingenden Mindestanforderungen (auch als "zwingende Qualitätsvorgaben" bezeichnet; - BSGE 116, 153 = SozR 4-2500 § 137 Nr 4, RdNr 12 und 14) nicht länger die zwangsläufige, sondern nur noch die regelmäßige und zudem vom GBA erst noch anzuordnende Rechtsfolge.

32Nach der Rechtsprechung zur Rechtslage bis war eine nach zwingenden normativen Vorgaben ungeeignete Versorgung Versicherter wegen Verstoßes gegen das Qualitätsgebot und das Wirtschaftlichkeitsgebot im Rechtssinne nicht "erforderlich" mit der Folge, dass das Krankenhaus hierfür nie eine Vergütung beanspruchen konnte ( - BSGE 116, 153 = SozR 4-2500 § 137 Nr 4, RdNr 10 ff; - SozR 4-2500 § 137 Nr 7 RdNr 13; kritisch dazu ua Kuhla, NZS 2015, 561 ff; Bielitz, NZS 2015, 606 ff; Felix, SGb 2017, 259, 261). Als zwingende normative Vorgabe hat der Senat dabei den vom GBA in den Qualitätssicherungs-RL angeordneten Ausschluss zugelassener Krankenhäuser von der Versorgung sämtlicher Patienten im Hinblick auf bestimmte Krankheiten und Prozeduren angesehen, die vom GBA für unverzichtbar angesehene Qualitätssicherungsanforderungen nicht erfüllen ( aaO, RdNr 17). Der Gesetzgeber hat bei der Schaffung von § 137 Abs 1 SGB V zwar ausdrücklich auf diese Rechtsprechung des Senats Bezug genommen (BT-Drucks 18/5372 S 92), sie aber bei Einräumung eines Gestaltungsspielraums (BT-Drucks 18/5372 S 92) unter Betonung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen (§ 137 Abs 1 Satz 4 SGB V) erkennbar nicht in vollem Umfang übernehmen wollen. Er hat von dem mit der bisherigen Senatsrechtsprechung verbundenen Automatismus zwischen Nichteinhaltung von Qualitätsanforderungen und Entfallen des Vergütungsanspruchs erkennbar Abstand genommen (so schon ua Penner/Büscher, GuP 2016, 121, 124 f; Gerlach, NZS 2019, 724, 730, Deister/Felix, MedR 2024, 307, 311). Das zeigt sich insbesondere an der geforderten Differenzierung der Rechtsfolgen nach Art und Schwere des Verstoßes (§ 137 Abs 1 Satz 2 SGB V) und der ausdrücklich dem GBA zugewiesenen Regelung sowohl eines grundsätzlich, gestuften Rechtsfolgensystems als auch der Umsetzung dieses Systems durch Anordnung von Rechtsfolgen in den themenspezifischen Qualitätssicherungs-RL (§ 137 Abs 1 Satz 1, 5, 6 SGB V). Dies steht einer unveränderten Fortführung der bisherigen Rechtsprechung für die Rechtslage ab entgegen (vgl bereits - juris RdNr 102, für BSGE und SozR vorgesehen).

33Durchsetzungsmaßnahmen wie Vergütungsabschläge oder der Wegfall des Vergütungsanspruchs bedürfen daher auch für die Nichteinhaltung von Mindestanforderungen iS des § 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V ab der Regelung des GBA soweit sie nicht bereits nach dem evidenzbasierten allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse (§ 2 Abs 1 Satz 3 SGB V) zwingend einzuhalten sind. Der GBA muss die Durchsetzungsmaßnahme sowohl grundsätzlich als Teil des gestuften Systems als auch konkret in der Qualitätssicherungs-RL für die nichteingehaltene Qualitätsanforderung vorgesehen haben.

342. Allein aus einem Verstoß gegen die Anforderungen aus § 4 Abs 4 KiOn-RL (dazu a) ist ein Erstattungsanspruch der Beklagten gegen die Klägerin nicht zu begründen. Selbst wenn das Krankenhaus der Klägerin im Zeitraum der kinderonkologischen Behandlungen vom bis zum diese Anforderung oder weitere Anforderungen der KiOn-RL nicht eingehalten haben sollte, fehlt es an einer in diesem Zeitraum geltenden, den Vergütungswegfall zwingend anordnenden Rechtsfolgenregelung. Die Rechtsfolge des Vergütungswegfalls ergibt sich nicht schon unmittelbar aus § 137 Abs 1 SGB V (siehe dazu oben RdNr 20). Es fehlte an Regelungen des GBA zur Festlegung des nach § 137 Abs 1 Satz 1 und 5 SGB V erforderlichen gestuften Systems von Rechtsfolgen (dazu b) und zu der nach § 137 Abs 1 Satz 6 SGB V erforderlichen Bestimmung von Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die in der KiOn-RL enthaltenen Qualitätsanforderungen (dazu c).

35a) Es kann dahinstehen, ob § 4 Abs 4 KiOn-RL dahingehend auszulegen ist, dass jede Schicht auf der kinderonkologischen Station nach der Dienstplanung mit mindestens zwei Pflegekräften besetzt sein muss und ob einer solchen Vorgabe der bei der Klägerin praktizierte Sternchendienst genügte. Nach § 4 Abs 4 Satz 3 KiOn-RL (in den zum und in Kraft getretenen inhaltsgleichen Fassungen) ist in jeder Schicht im Zentrum die Besetzung von mindestens zwei ausgebildeten Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen oder zwei ausgebildeten Gesundheits- und Kinderkrankenpflegern zu gewährleisten. Die Vorschrift regelt aber nicht, dass dieses Personal exklusiv auf der kinderonkologischen Station vorzuhalten ist. Bezugspunkt der Vorgabe ist das "Zentrum", welches in der KiOn-RL funktional und nicht räumlich definiert ist. Nach § 3 Abs 3 KiOn-RL ist ein "Zentrum" zur Versorgung von Patienten mit pädiatrisch-hämato-onkologischen Krankheiten (vgl § 3 Abs 1 KiOn-RL; nachfolgend kinderonkologisches Zentrum) ein zugelassenes Krankenhaus, welches die in §§ 4 und 5 KiOn-RL festgelegten Anforderungen erfüllt. Im Zentrum muss nach § 5 Abs 3 KiOn-RL eine Einrichtung zur Intensivbehandlung für pädiatrische Patienten jederzeit für die Versorgung dienstbereit sein. Im kinderonkologischen Zentrum sind nach § 5 Abs 4 KiOn-RL auch die für die Notfallversorgung erforderlichen Einrichtungen, ua zur Intensivbehandlung, vorzuhalten. Es liegt aber nicht fern, dass die dort genannten Einrichtungen im Regelfall nicht auf einer kinderonkologischen Station vorgehalten werden und das kinderonkologische Zentrum nach § 3 Abs 1, Abs 3 KiOn-RL damit mehr umfasst als allein eine kinderonkologische Station. Es spricht daher viel dafür, dass es zur Erfüllung der Anforderungen an die Vorhaltung von Pflegepersonal (§ 4 Abs 4 KiOn-RL) nicht allein auf die im Krankenhaus nach dessen Organisationsstruktur vorgesehene kinderonkologische Station ankommen kann.

36b) Dem Auftrag zur Regelung eines gestuften Systems von Folgen der Nichteinhaltung von Qualitätsanforderungen in grundsätzlicher Weise (§ 137 Abs 1 Satz 1 bis 5 SGB V) ist der GBA mit der zum in Kraft getretenen QFD-RL (BAnz AT B1) nachgekommen. Damit fehlte es zum jeweiligen Zeitpunkt der hier für die Begründung der Erstattungsansprüche herangezogenen Behandlungen in den Jahren 2016 und 2017 noch an einer grundsätzlichen Regelung eines Systems von Rechtsfolgen (§ 137 Abs 1 Satz 1, 5 SGB V).

37Aufgrund des Inkrafttretens erst im Jahr 2019 kann hier offenbleiben, ob die fehlende unmittelbare Wirkung der in der QFD-RL vorgesehenen Maßnahmen durch § 5 Abs 2 Satz 1 Nr 1 QFD-RL überspielt wird. Danach ist bei der Festlegung von Durchsetzungsmaßnahmen zu beachten, dass bei Nichteinhaltung von Mindestanforderungen nach § 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V der Wegfall des Vergütungsanspruchs festzulegen ist. Ob damit der GBA die Rechtsfolge des Vergütungswegfalls bereits abschließend für alle in den themenspezifischen Qualitätssicherungs-RL festgelegten Mindestanforderungen geregelt oder eine dahingehende Selbstbindung bewirkt hat, bedarf hier keiner Entscheidung. Es kann auch offenbleiben, ob § 5 Abs 2 Satz 1 Nr 1 QFD-RL mit diesem Inhalt im Einklang mit der Ermächtigungsgrundlage des § 137 Abs 1 SGB V stehen würde.

38c) In der KiOn-RL sind Rechtsfolgen für Verstöße gegen die dort bestimmten Anforderungen nicht ausdrücklich geregelt. Es kann dahinstehen, ob der GBA die hier maßgeblichen Anforderungen in der KiOn-RL als Mindestanforderungen festgelegt und für nicht den Anforderungen genügende Krankenhäuser ein Leistungsverbot geregelt hat (dazu aa). Selbst wenn die KiOn-RL mit einem Leistungsverbot sanktionierte Mindestanforderungen enthalten sollte, wäre ein Leistungsverbot ab nicht mehr mit § 137 Abs 1 SGB V vereinbar (dazu bb). Die Fortgeltung für eine Übergangsfrist scheidet aus (dazu cc).

39aa) Die in §§ 4, 5 KiOn-RL geregelten Anforderungen an ein kinderonkologisches Zentrum sind weder ausdrücklich als Mindestanforderungen iS des § 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V (bzw § 137 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V aF) festgelegt noch ist für einen Verstoß gegen diese Anforderungen eindeutig ein Leistungsverbot vorgesehen.

40Für die Festlegung als Mindestanforderungen sprechen der Zweck der KiOn-RL "als eine[r] Maßnahme zur Qualitätssicherung auf der Grundlage von § 137 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 SGB V, mit der die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität gesichert und verbessert werden soll" (§ 1 Abs 1 Satz 1 KiOn-RL) sowie ihr Ziel der "Sicherung der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität" (§ 2 Abs 1 Nr 1 KiOn-RL). Der Wortlaut beider Regelungen wiederholt den in § 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V vorgegebenen Bezug der Mindestanforderungen zur Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität. Beide Regelungen der KiOn-RL lassen aber allein nicht erkennen, ob der GBA tatsächlich jede einzelne Anforderung in §§ 4, 5 KiOn-RL als unverzichtbar für eine Versorgung im Einklang mit dem allgemeinen Qualitätsgebot (§ 2 Abs 1 Satz 3 SGB V) und dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs 1 SGB V) angesehen hat (vgl - BSGE 116, 153 = SozR 4-2500 § 137 Nr 4, RdNr 11, 14, 17). Auch die eindeutige Festlegung eines Leistungsverbots (wie etwa § 3 Abs 1 der Qualitätssicherungs-Richtlinie zum Bauchaortenaneurysma - QBAA-RL: "Versorgung […] darf nur in einer Einrichtung […] erfolgen") fehlt.

41§ 3 KiOn-RL enthält versorgungssteuernde Regelungen, nach denen die pädiatrisch-hämato-onkologische Versorgung in kinderonkologischen Zentren "erfolgt" (§ 3 Abs 1 KiOn-RL) und dazu die Verlegung in kinderonkologische Zentren angeordnet wird (§ 3 Abs 4, 5 KiOn-RL). Ob diese Regelungen ein die Vergütung ausschließendes Leistungsverbot enthalten, ist dagegen nicht eindeutig. Es bedarf dazu hier keiner abschließenden Entscheidung, weil auch ein festgelegtes Leistungsverbot jedenfalls ab nicht mit § 137 Abs 1 SGB V vereinbar wäre (kritisch auch schon zur Rechtslage bis Bielitz, NZS 2015, 606, 608 f; Kuhla, NZS 2015, 561, 565 f; Penner/Büscher, GuP 2016, 121, 124; Felix, SGb 2017, 259, 266 f).

42bb) Ein Leistungsverbot würde einem Anspruch auf Vergütung der gleichwohl erfolgten Behandlung nach der bisherigen Senatsrechtsprechung ( - BSGE 116, 153 = SozR 4-2500 § 137 Nr 4, RdNr 10 ff; - SozR 4-2500 § 137 Nr 7 RdNr 13) entgegenstehen. An dieser Rechtsprechung hält der Senat aber mit Blick auf die Neuregelung der Rechtsfolgen von Verstößen gegen Qualitätsanforderungen nicht fest (siehe oben RdNr 31 ff). Es ist daher ausgeschlossen, ein vor dem (ggf) angeordnetes Leistungsverbot in die Anordnung des Wegfalls des Vergütungsanspruchs wegen Nichteinhaltung von Mindestanforderung iS des § 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V umzudeuten und so dem Rechtsfolgensystem des § 137 Abs 1 SGB V anzupassen (so schon Deister/Felix, MedR 2024, 307, 311). Die ausdrückliche gesetzliche Anweisung, im Rahmen eines gestuften Systems eine nach Bedeutung der Anforderung und Schwere des Verstoßes verhältnismäßige Rechtsfolge festzulegen, schließt schwerwiegende Rechtsfolgen wie den Vergütungswegfall ohne vorherige Bewertung der Anforderung und Abwägung ihrer Bedeutung durch den GBA aus.

43cc) Die Fortgeltung des auf die Anordnung eines Leistungsverbots gestützten Vergütungswegfalls ist auch nicht für eine Übergangszeit nach Inkrafttreten des § 137 Abs 1 SGB V geboten. Es ist zwar zutreffend, dass die vom GBA normierten Qualitätsvorgaben erst dann voll wirksam sind, wenn auch Maßnahmen zu ihrer Durchsetzung möglich sind. Die gesetzgeberische Entscheidung, § 137 Abs 1 SGB V mit den dort vorgesehenen Regelungsaufträgen an den GBA ohne Übergangsfrist und ohne Umsetzungsfrist zum in Kraft treten zu lassen (Art 9 Abs 1 KHSG), ist jedoch zu respektieren.

44Der Senat kann mangels einer erkennbaren Regelungslücke oder einer den Gesetzeszweck überschießenden Regelung nicht rechtsfortbildend und ersatzweise für den GBA Rechtsfolgen im Einzelfall festlegen. Dem GBA ist bereits die grundsätzliche Entscheidung für ein Rechtsfolgensystem zugewiesen (§ 137 Abs 1 Satz 1 und 5 SGB V), an der es im hier maßgeblichen Zeitraum vom bis noch fehlte. Es sind auch keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich, für welchen Übergangszeitraum eine Fortgeltung der alten, bis geltenden Rechtslage angenommen werden könnte. Im Übrigen ist es die originäre Aufgabe des GBA festzulegen, welche Qualitätsanforderungen außerhalb des allgemeinen Qualitätsgebots (§ 2 Abs 1 Satz 3 SGB V) so essentiell sind, dass ein Verstoß dagegen einen Wegfall des Vergütungsanspruchs rechtfertigt.

453. Ob das Krankenhaus der Klägerin bei den kinderonkologischen Behandlungen der Versicherten der Beklagten im Zeitraum vom bis gegen das allgemeine Qualitätsgebot (§ 2 Abs 1 Satz 3 SGB V) verstoßen hat (dazu a) und Vergütungsansprüche deshalb nicht entstanden sind, kann der Senat auf der Grundlage der Feststellungen des SG nicht entscheiden. Hierzu sind weitere Feststellungen des SG erforderlich (dazu b).

46a) Das allgemeine Qualitätsgebot als Voraussetzung für den Vergütungsanspruch des Krankenhauses ist erfüllt, wenn die Behandlung der Versicherten den sich aus dem allgemein anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ergebenden Anforderungen entsprach. Die bloße Nichteinhaltung genereller Strukturvoraussetzungen ohne Bezug zu den notwendigen Vorkehrungen im individuellen Behandlungsfall verstößt noch nicht gegen das allgemeine Qualitätsgebot. Es kommt daher nicht darauf an, ob das Krankenhaus der Klägerin gegen das Gebot aus § 4 Abs 4 Satz 3 KiOn-RL, in jeder Schicht im Zentrum die Besetzung mit mindestens zwei ausgebildeten Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen oder zwei ausgebildeten Gesundheits- und Kinderkrankenpflegern zu gewährleisten, verstoßen hat. Maßgebend ist der allgemein anerkannte Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse. Dieser wird gekennzeichnet durch die Gesamtheit aller international zugänglichen Studien. Besondere Bedeutung kommt bei der Feststellung des allgemein anerkannten Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse den Stellungnahmen der einschlägigen Fachgesellschaften zu, insbesondere, wenn sich diese bereits in ärztlichen Leitlinien und Empfehlungen niedergeschlagen haben und auf diese Weise geeignet sind, medizinische "Standards" zu definieren ( - BSGE 133, 24 = SozR 4-2500 § 2 Nr 17, RdNr 25). Daraus müssen sich für die durchgeführten kinderonkologischen Behandlungen zahlenmäßige Vorgaben zur erforderlichen Vorhaltung von Pflegepersonal bezogen auf die kinderonkologische Behandlungseinheit oder Vorgaben zum zahlenmäßigen Verhältnis zwischen kinderonkologischen Patienten und vorzuhaltendem Pflegepersonal ergeben.

47b) Das SG wird daher festzustellen haben, ob es für den Zeitraum vom bis zum einen allgemein anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zur erforderlichen Anzahl und zur Qualifikation von Pflegekräften sowie zu deren Verfügbarkeit bei der kinderonkologischen Behandlung gab. Dieser ergibt sich jedenfalls nicht schon aus der KiOn-RL. Sofern solche wissenschaftlich fundierten, allgemein anerkannten Vorgaben existierten, wird es weiter für jeden Behandlungsfall festzustellen haben, ob diese Vorgaben jeweils erfüllt waren.

48Darüber hinaus wird das SG zu beachten haben, dass nach den von den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat übereinstimmend abgegebenen Erklärungen sich die von der Klägerin eingeklagten Hauptforderungen und die entsprechenden Aufrechnungen mit Gegenforderungen rechnerisch decken und bei fehlender Erfüllungswirkung der Aufrechnungen der geltend gemachte Zinsanspruch besteht.

494. Die Kostenentscheidung bleibt dem SG vorbehalten.

505. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und Abs 3 Satz 1 sowie § 47 Abs 1 Satz 1 GKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2025:120625UB1KR2624R0

Fundstelle(n):
CAAAK-03601