Leitsatz
Wer sein Opfer mit Nötigungsmitteln zu einer Geldzahlung bewegt, auf die zum Teil ein Anspruch besteht, begeht neben der Erpressung eine tateinheitliche Nötigung.
Gesetze: § 52 Abs 1 StGB, § 240 Abs 1 StGB, § 240 Abs 2 StGB, § 253 Abs 1 StGB, § 253 Abs 2 StGB
Instanzenzug: LG Krefeld Az: 21 KLs 31/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten K. K. wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit räuberischer Erpressung, räuberischer Erpressung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, und versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Den heranwachsenden Angeklagten W. K. hat es wegen räuberischer Erpressung verwarnt und ihm eine Arbeitsauflage sowie eine Weisung erteilt. Außerdem hat die Strafkammer Einziehungsentscheidungen getroffen.
2Die zu Ungunsten des Angeklagten K. K. erhobene Revision der Staatsanwaltschaft ist wirksam auf die Verurteilung in Fall II.1. der Urteilsgründe und den Strafausspruch beschränkt. Sie führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung des diesen Angeklagten betreffenden Schuldspruchs in Fall II.1. der Urteilsgründe. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3Die auf Sachbeanstandungen und hinsichtlich K. K. zusätzlich auf Verfahrensrügen gestützten Revisionen der Angeklagten haben insgesamt keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO); allerdings sind auch auf ihre Rechtsmittel hin die Schuldsprüche in Fall II.1. der Urteilsgründe zu ändern.
41. Nach den in diesem Fall vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen liehen die Angeklagten dem Nebenkläger ihren Hundewelpen. Dessen Mutter war von dem Tier entzückt und wollte ebenfalls ein solches erwerben. Auf Vermittlung der Angeklagten kaufte sie im Folgenden beim Züchter einen Hund aus demselben Wurf. Kurz darauf bat der Angeklagte K. K. den Nebenkläger, ihm einen Schweißbrenner zu besorgen. Zu diesem Zweck übergab er ihm 1.700 €. Nachdem dem Nebenkläger Bedenken gekommen waren und er den Kauf des Schweißbrenners abgelehnt hatte, suchten K. K. und ein Begleiter ihn zu Hause auf. Der Angeklagte verlangte nun vom Nebenkläger im Beisein von dessen Mutter die Zahlung von insgesamt 2.500 €: Zum einen wollte er die 1.700 € für den Schweißbrenner zurückhaben, zum anderen forderte er 800 € „Restkaufpreis“ für den Hundewelpen. Eine entsprechende Provisions- oder Vermittlungsgebühr war allerdings nie vereinbart worden. Der Nebenkläger und seine Mutter kamen dem Zahlungsverlangen zunächst nicht nach.
5Im Folgenden wollten die Angeklagten der Forderung Nachdruck verleihen. Zu diesem Zweck bestellte K. K. den Nebenkläger in eine Shisha-Bar, wo ihn beide Angeklagten erwarteten. Im Keller der Bar verlangten sie von ihm als Pfand für die 2.500 € sein Mobiltelefon heraus. Anderenfalls werde er nicht aus der Bar herauskommen und man werde ihn „kaltmachen“. Dabei war den Angeklagten bewusst, dass die Forderung tatsächlich nur in Höhe von 1.700 € bestand, nicht in Bezug auf weitere 800 €. Aus Angst um seine körperliche Unversehrtheit übergab der Nebenkläger sein Handy. Nachdem seine Mutter angesichts der Bedrohung 2.500 € an die Angeklagten gezahlt hatte, erhielt er es zurück.
62. Zutreffend hat das Landgericht das Geschehen für beide Angeklagte als gemeinschaftlich begangene räuberische Erpressung gemäß § 253 Abs. 1 und 2, § 255, § 25 Abs. 2 StGB gewürdigt. Allerdings verwirklichten sie, wie die Staatsanwaltschaft in ihrer Revisionsbegründung zutreffend ausgeführt hat, tateinheitlich hierzu eine Nötigung nach § 240 Abs. 1 und 2, § 25 Abs. 2, § 52 Abs. 1 StGB. Das ergibt sich aus Folgendem:
7a) Eine räuberische Erpressung liegt insoweit vor, als die Angeklagten in der Bar unter Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben den Teilbetrag von 800 € beziehungsweise als Pfand (auch) hierfür das Handy des Nebenklägers verlangten. Denn auf diesen Teil ihrer Forderung hatten sie keinen Anspruch. Der Tatbestand war vollendet, als der Nebenkläger ihnen sein Mobiltelefon übergab; denn ein Pfandgegenstand für eine nicht bestehende Forderung ist im Verhältnis zum Ursprungsgegenstand ein stoffgleicher Vermögensvorteil (st. Rspr.; s. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 70/11, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 19; vom - 2 StR 512/16, NStZ 2017, 642 f.; vom - 3 StR 148/18, NStZ 2018, 712, 713; vom - 3 StR 301/24, StV 2025, 466 Rn. 14).
8Die spätere Zahlung durch die Mutter (zur Erpressung durch sog. Dreiecksnötigung s. etwa LK/Vogel/Burchard, StGB, 13. Aufl., § 253 Rn. 18 mwN) bildet hiermit eine rechtliche Bewertungseinheit und war deshalb Teil derselben Tat. Sie geht auf denselben Angriff auf die Willensentschließung des Nebenklägers und seiner Mutter zurück, der durchweg auf dieselbe Leistung gerichtet war. Dass die Angeklagten mangels sofortiger Realisierbarkeit der Geldforderung vorläufig auf den Pfandgegenstand auswichen und diesen herausverlangten, steht dem nicht entgegen (vgl. , StV 2025, 466 Rn. 16).
9b) Keine räuberische Erpressung, sondern eine Nötigung gemäß § 240 Abs. 1 und 2 StGB ist gegeben, soweit die Angeklagten die tatsächlich geschuldeten 1.700 € beziehungsweise die Herausgabe des Mobiltelefons verlangten, das die Forderung (auch) in Höhe dieses Teilbetrags absichern sollte. Denn der Tatbestand der räuberischen Erpressung setzt die Absicht des Täters voraus, sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern. Der Täter muss mithin einen Vermögensvorteil anstreben, auf den er materiellrechtlich keinen Anspruch hat. Besteht ein solcher Anspruch und ist dieser - wie vorliegend - fällig und einredefrei, so wird der Vermögensvorteil nicht dadurch rechtswidrig, dass er durch rechtswidrige oder unlautere Mittel erlangt oder erstrebt wird. Auch das vom Inhaber einer Geldforderung zu deren Durchsetzung angewandte strafbare Mittel der Nötigung bewirkt nicht, dass der erlangte Vermögensvorteil rechtswidrig wird (st. Rspr.; s. , NJW 1982, 2265; Urteil vom - 4 StR 628/87, NStZ 1988, 216; Beschlüsse vom - 4 StR 54/98, NStZ-RR 1998, 235; vom - 2 StR 512/16, NStZ 2017, 642, 643; vom - 3 StR 282/23, NStZ 2024, 169 Rn. 7 mwN). Die Beitreibung einer bestehenden Forderung mit Mitteln der Drohung oder des Zwangs ist deshalb „nur“ verwerflich im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB; Gläubiger haben sich insoweit staatlicher Hilfe zu bedienen (st. Rspr.; s. , BGHSt 4, 105, 107; Beschluss vom - 4 StR 255/82, NJW 1982, 2265, 2266; Urteil vom - 6 StR 312/21, NStZ-RR 2022, 47, 48). Nichts anderes gilt, wenn ein Gläubiger seinen Schuldner - wie hier - mit Drohmitteln zwingt, zur Sicherung der Forderung ein werthaltiges Pfand herauszugeben. Ein solches Verhalten erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen einer Nötigung.
10c) Die räuberische Erpressung und die Nötigung stehen hier im Verhältnis der Tateinheit (§ 52 Abs. 1 StGB). Zwar ist die Nötigung dem Tatbestand der (räuberischen) Erpressung immanent und deshalb in der Regel nicht zusätzlich auszuurteilen; es besteht grundsätzlich Gesetzeskonkurrenz (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 467/99, NStZ-RR 2000, 106; vom - 3 StR 301/24, StV 2025, 466 Rn. 19). Art und Intensität der angewandten Nötigungsmittel sind regelmäßig lediglich bei der Strafzumessung zu berücksichtigen.
11Anders liegt es aber, wenn der Nötigung ein eigenständiger Unrechtsge-halt zukommt, etwa wenn sie über die Vollendung der Erpressung hinaus andauert oder der Täter mit ihr einen anderen, von § 253 StGB nicht erfassten Zweck verfolgt (vgl. , BGHSt 37, 256, 259; Beschlüsse vom - 4 StR 467/99, NStZ-RR 2000, 106; vom - 1 StR 287/02, NStZ-RR 2002, 334; vom - 1 StR 33/05, NStZ 2005, 387; LK/Vogel/Burchard, StGB, 13. Aufl., § 253 Rn. 62; MüKoStGB/Sander, 4. Aufl., § 253 Rn. 42; TK-StGB/Bosch, 31. Aufl., § 253 Rn. 30a; zum Verhältnis Nötigung/Vergewaltigung vgl. auch , BGHR StGB § 177 Abs. 1 Konkurrenzen 12; Urteil vom - 3 StR 315/13, NStZ-RR 2014, 139). Allein durch die Verurteilung wegen räuberischer Erpressung ist der Unrechtsgehalt der Nötigung dann nicht erfasst.
12So ist es hier. Denn die Angeklagten zwangen den Nebenkläger und seine Mutter auch zu einem Verhalten, auf das sie einen Anspruch hatten. Sie verfolgten also mit der Drohung ebenso ein von § 253 StGB nicht umfasstes Ziel. Wer sein Opfer - wie die Angeklagten - mit Nötigungsmitteln zu einer Zahlung bewegt, auf die zum Teil ein Anspruch besteht, begeht deshalb neben der Erpressung eine tateinheitliche Nötigung. Dem steht angesichts der Teilbarkeit einer Geldleistung nicht entgegen, dass die Angeklagten hier mit demselben Angriff auf die Willensrichtung des Opfers von diesem ein einziges Verhalten - nämlich zunächst die Übergabe des Pfandgegenstands, letztlich aber die Zahlung einer Gesamtsumme - anstrebten und erlangten.
133. Somit ist der Schuldspruch in Fall II.1. der Urteilsgründe auf die Revision der Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Angeklagten K. K. zu ändern. Da das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 StPO nicht für Schuldspruchänderungen zum Nachteil von Angeklagten gilt (vgl. etwa , juris Rn. 11 mwN), ist der sie betreffende Schuldspruch in Fall II.1. der Urteilsgründe auch auf ihr jeweiliges Rechtsmittel hin zu korrigieren.
14§ 265 StPO steht dem nicht entgegen, da sich die Angeklagten gegen den geänderten Schuldspruch nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können.
154. Entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts haben der Einzelstrafausspruch für den Angeklagten K. K. - Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten - und die gegenüber dem Angeklagten W. K. angeordneten jugendgerichtlichen Sanktionen Bestand. Denn das Landgericht hat bei seiner Strafzumessung ausweislich der Urteilsgründe einerseits die Gesamtsumme der Forderung im Blick gehabt, andererseits bedacht, dass ein Großteil davon tatsächlich geschuldet war. Danach ist auszuschließen, dass die Strafkammer bei zutreffender rechtlicher Würdigung mildere oder schärfere Sanktionen verhängt hätte.
165. Soweit die Staatsanwaltschaft weitere Einwendungen gegen die den Angeklagten K. K. betreffenden Einzelstrafen und dessen Gesamtfreiheitsstrafe erhoben hat, dringen diese aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts aufgeführten Gründen nicht durch. Gleiches gilt für die von den Angeklagten in ihren Revisionsbegründungen näher ausgeführten Beanstandungen.
176. Die Kostenentscheidung für die Revision der Staatsanwaltschaft folgt angesichts deren nur geringen Teilerfolgs aus § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 StPO (vgl. etwa , juris Rn. 21; LR/Kurtze, StPO, 27. Aufl., § 473 Rn. 47). Soweit dem Nebenkläger Auslagen durch dieses Rechtsmittel entstanden sind, hat er sie selbst zu tragen (vgl. , juris Rn. 3 mwN; Urteil vom - 3 StR 441/20, StV 2022, 486 Rn. 61; Schmitt/Köhler/Schmitt, StPO, 68. Aufl., § 472 Rn. 3, § 473 Rn. 14/15).
18Hinsichtlich der Revisionen der Angeklagten beruhen die Kostenentscheidungen auf § 473 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:100625B3STR561.24.0
Fundstelle(n):
DAAAJ-99397