Instanzenzug: LG Memmingen Az: 41 T 58/21vorgehend AG Memmingen Az: 3 XIV 8/21 (B)
Gründe
1Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts hat das Amtsgericht gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen, indem es die Anhörung des Betroffenen am durchgeführt und anschließend in der Hauptsache Ausreisegewahrsam angeordnet hat, obwohl der Betroffene in der Anhörung mitgeteilt hatte, dass er den Rechtsanwalt, der ihn im Verwaltungsverfahren vertreten hatte, verständigen möchte. Das Beschwerdegericht hätte auf der Grundlage der durchgeführten Ermittlungen nicht davon ausgehen dürfen, dass der Betroffene, nachdem die Telefonnummer des Rechtsanwalts zunächst nicht in Erfahrung gebracht werden konnte, auf den Beistand eines Rechtsanwalts bei der Anhörung verzichtet hat. Ein solcher Verzicht war zwar nach der hier maßgeblichen Rechtslage vor Einführung des mit Wirkung zum eingefügten § 62d AufenthG möglich (vgl. , juris Rn. 10), setzt aber eine eindeutige Erklärung oder ein eindeutiges Verhalten des Betroffenen voraus. Darauf kann nicht allein aus der weiteren Teilnahme des Betroffenen an der Anhörung geschlossen werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom - XIII ZB 74/20, InfAuslG 2022, 331 Rn. 14; vom - XIII ZB 7/24, juris Rn. 8). Nach der vom Landgericht eingeholten dienstlichen Stellungnahme der Richterin am hat der Betroffene zwar erklärt, dass er statt seines Rechtsanwalts seinen Cousin sprechen wolle; ein entsprechender Anruf sei ihm gewährt worden. Ausweislich des Protokolls der Anhörung vom hat der Betroffene aber erst nach Verkündung des Haftanordnungsbeschlusses versucht, seinen Cousin telefonisch zu erreichen. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Betroffene bereits in der Anhörung eindeutig zum Ausdruck gebracht hat, auf anwaltlichen Beistand verzichten zu wollen.
2Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen.
Roloff Tolkmitt Picker
Vogt-Beheim Holzinger
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:290725BXIIIZB39.21.0
Fundstelle(n):
AAAAJ-99184