Verfahrensrecht | Erlass von Säumniszuschlägen bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung (FG)
Säumniszuschläge sind nicht nur ein Druckmittel, das den
Steuerpflichtigen zur rechtzeitigen Zahlung anhalten soll, sondern dienen auch
als Zinsersatz sowie der Abgeltung von Verwaltungsaufwand. Verlieren
Säumniszuschläge ihren Sinn als Druckmittel, kommt daher regelmäßig nur ein
hälftiger Erlass in Betracht (Anschluss an die ständige Rechtsprechung: ; NZB anhängig, BFH-Az. XI B 30/25).
Sachverhalt: Die Beteiligten streiten über die Höhe eines Erlasses von Säumniszuschlägen bei einem zahlungsunfähigen und überschuldeten Schuldner:
Der Kläger beantragte als Insolvenzverwalter den Erlass sämtlicher Säumniszuschläge, die der Beklagte angemeldet hatte. Der Beklagte erließ (nur) 50% der Säumniszuschläge.
Die hiergegen gerichtete Klage wies das FG Hamburg als unbegründet zurück:
Der lediglich hälftige Erlass der Säumniszuschläge ist rechtmäßig.
Die Entscheidung über den Erlass von Säumniszuschlägen ist eine Ermessensentscheidung und unterliegt gemäß § 102 Satz 1 FGO lediglich einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle.
Zu prüfen ist daher bei einer Erlassablehnung nur, ob die Finanzbehörde bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat.
Im Einzelfall kann der Ermessensspielraum so eingeengt sein, dass nur eine Entscheidung ermessensgerecht ist (sog. Ermessensreduktion auf Null). Ist nur der Erlass eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis ermessensgerecht, kann das Gericht nach ständiger Rechtsprechung gemäß § 101 Satz 1 FGO die Verpflichtung zum Erlass aussprechen (so. z.B. ).
Nach ständiger Rechtsprechung sind Säumniszuschläge nicht nur ein Druckmittel eigener Art, das den Steuerpflichtigen zur rechtzeitigen Zahlung anhalten soll, sondern auch ein Instrument, um eine Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuern zu erhalten ("Zinsersatz") sowie um Verwaltungsaufwendungen abzugelten, die durch die nicht fristgemäße Zahlung entstehen. Verlieren Säumniszuschläge ihren Sinn als Druckmittel, weil der Steuerpflichtige zahlungsunfähig und überschuldet ist und deshalb nicht zahlen kann, kommt daher regelmäßig nur ein hälftiger Erlass der Säumniszuschläge in Betracht (ständige Rechtsprechung, s. bspw. , Rn. 19; B).
Auch das Finanzgericht Hamburg und der erkennende Senat sind dieser Rechtsprechung gefolgt (siehe etwa , Rn. 56 ff.; , Rn. 18).
Weder aus der Gesetzeshistorie, noch aus aktuellen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts oder des Bundesfinanzhofs ergeben sich Gründe, von dieser langjährigen und gefestigten Rechtsprechung abzuweichen.
Dass bei Wegfall der Druckfunktion regelhaft die Hälfte der Säumniszuschläge erlassen werden, beruht auf einer zulässigen typisierenden Betrachtung, ohne dass es darauf ankommt, welchen Verwaltungsaufwand die Säumnis in dem konkreten Einzelfall verursacht hat.
Zwar ist auch bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung ein weitergehender Erlass der Säumniszuschläge grundsätzlich möglich, hierfür bedarf es aber zusätzlicher besonderer Gründe persönlicher oder sachlicher Billigkeit, die das Gericht in dem entschiedenen Fall nicht zu erkennen vermochte.
Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil ist beim BFH unter dem Az. XI B 30/25 anhängig. Der Volltext der Entscheidung ist in der Rechtsprechungsdatenbank der Freien und Hansestadt Hamburg veröffentlicht.
Quelle: FG Hamburg, Newsletter 2/2025 (il)
Fundstelle(n):
GAAAJ-94354