Instanzenzug: LG Essen Az: 27 KLs 32/32
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung, Betruges in zwei Fällen, Diebstahls, „vorsätzlichen“ Fahrens ohne Fahrerlaubnis und Verstoßes gegen Weisungen der Führungsaufsicht unter Einbeziehung von Einzelstrafen aus einem anderweitigen Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die in diesem Urteil angeordnete Einziehung des „Wertes des Erlangten“ in Höhe von 1.450 Euro hat es aufrechterhalten und in der vorliegenden Sache die Einziehung eines „Geldbetrages“ in Höhe von 1.730 Euro angeordnet. Seine auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision führt teilweise zur Einstellung des Verfahrens (§ 154 Abs. 2 StPO) und erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
21. Auf Antrag des Generalbundesanwalts stellt der Senat das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein, soweit der Angeklagte im Fall II. 5. der Urteilsgründe wegen Verstoßes gegen Weisungen der Führungsaufsicht verurteilt worden ist. § 145a Satz 1 StGB setzt voraus, dass durch den Weisungsverstoß eine Gefährdung des Maßregelzwecks eingetreten ist. Das ist dann der Fall, wenn sich durch den Weisungsverstoß die Gefahr weiterer Straftaten erhöht oder die Aussicht ihrer Abwendung verschlechtert hat (vgl. Rn. 3; Urteil vom – 1 StR 415/12, BGHSt 58, 72, 75). Hierbei handelt es sich um ein echtes Tatbestandsmerkmal, denn anderenfalls würde die Vorschrift zum Selbstzweck und zum bloßen Mittel allgemeiner Disziplinierung. Zu seiner Annahme bedarf es eines am Einzelfall orientierten Wahrscheinlichkeitsurteils, das neben dem sonstigen Verhalten des Angeklagten auch die konkrete spezialpräventive Zielsetzung der verletzten Weisung in den Blick nimmt (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 278/24 Rn. 5; vom – 4 StR 25/18 Rn. 3 mwN). Daran fehlt es hier, wenn die Kammer meint, eine Gefährdung des Maßregelzwecks allein damit belegen zu können, dass es während des weisungswidrigen Kontaktabbruchs zu der Bewährungshelferin zu den begangenen Taten kam. Denn aus dem bloßen Umstand weiterer Straftaten erschließt sich im vorliegenden Fall nicht, weshalb deren Wahrscheinlichkeit durch den Verstoß gegen die dem Angeklagten auferlegte Melde- und Kontaktweisung erhöht wurde. Anders als bei Verstößen gegen Annäherungs- und Kontaktverbote, bei denen eine solche Gefahr im Einzelfall auf der Hand liegen kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 278/24 Rn. 8; vom – 4 StR 25/18 Rn. 4), war die grundsätzlich gebotene Einzelfallbetrachtung hier auch nicht ausnahmsweise entbehrlich.
32. Die Teileinstellung des Verfahrens zieht die Änderung des Schuldspruchs nach sich, die der Senat gemäß § 354 Abs. 1 StPO analog selbst vornimmt. Die im Fall II. 5. der Urteilsgründe verhängte Einzelstrafe entfällt. Hingegen kann die Gesamtstrafe bestehen bleiben. Der Senat kann ausschließen, dass das Landgericht angesichts der verbleibenden Einzelstrafen von vier Monaten, sechs Monaten, zehn Monaten, zehn Monaten und zwei Jahren zehn Monaten Freiheitsstrafe sowie der aus der vorausgegangenen Verurteilung einbezogenen Einzelfreiheitsstrafen von einem Jahr, einem Jahr und sechs Monaten, sechs Monaten und neun Monaten und einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen ohne die für die eingestellte Tat verhängte Einzelfreiheitsstrafe von vier Monaten auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.
43. Der Einziehungsausspruch ist analog § 354 Abs. 1 StPO teilweise zu ändern. Die Aufrechterhaltung der in dem anderweitigen Urteil angeordneten Einziehung des „Wertes des Erlangten“ in Höhe von 1.450 Euro ist nicht frei von Rechtsfehlern. Liegen die Voraussetzungen des § 55 StGB vor, sind Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen gleicher Art grundsätzlich durch das spätere Urteil einheitlich anzuordnen, so dass über sie durch den Gesamtstrafenrichter neu zu entscheiden ist. Dabei ist er an die Rechtskraft der ursprünglichen Entscheidung gebunden. Sofern die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für die (weitere) Vollstreckung vorliegen, ist die frühere Einziehungsentscheidung in das neue Urteil einzubeziehen. Dies geschieht – trotz des auf die Aufrechterhaltung der früheren Entscheidung gerichteten Wortlauts des § 55 Abs. 2 StGB – durch das Zusammenzählen der Beträge aus der früheren und der aktuellen Einziehungsentscheidung. Damit wird die Einziehungsentscheidung in dem früheren Urteil gegenstandslos im Sinne des § 55 Abs. 2 StGB und bedarf keiner Aufrechterhaltung; die entsprechende Anordnung entfällt (vgl. Rn. 8 mwN). Den hiernach einheitlich einzuziehenden Betrag setzt der Senat auf 3.180 Euro fest, der der Summe der Einziehungsbeträge aus der rechtskräftigen Einziehungsentscheidung über 1.450 Euro und der von der Strafkammer ausgesprochenen Einziehung über 1.730 Euro entspricht.
54. Im verbleibenden Umfang hat die sachlich-rechtliche Nachprüfung auf die Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Quentin Maatsch Momsen-Pflanz
Marks Gödicke
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:210525B4STR552.24.0
Fundstelle(n):
CAAAJ-94056