Instanzenzug: LG Paderborn Az: 1 KLs 14/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten J. wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt und den Angeklagten P. wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Hehlerei in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren. Ihre auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen bleiben ohne Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).
I.
21. Nach den Feststellungen kamen die beiden Angeklagten in den frühen Morgenstunden des im videoüberwachten Foyer einer Sparkassenfiliale überein, dem Geschädigten die von diesem getragene Winterjacke wegzunehmen. Um an die Jacke zu gelangen, wollten sie etwaigen Widerstand durch Einsatz körperlicher Gewalt brechen. Nachdem es ihnen nach Zufügung von Schlägen mit Händen und Fäusten und einem Tritt gegen den Oberkörper gelang, dem nunmehr im Eingangsbereich des Foyers zu Boden gekommenen Geschädigten die Jacke zu entwinden, richtete dieser sich wieder auf und stand den Angeklagten gegenüber. Als der Geschädigte einen Schritt in Richtung der Angeklagten machte, ließ der Angeklagte J. die Jacke auf den Boden fallen und schlug, um den Geschädigten zu vertreiben, zweimal mit der flachen Hand in Richtung dessen rechter Kopfseite, wobei jedenfalls der erste Schlag auch traf. Gleichzeitig mit den Schlägen drängten beide Angeklagte auf den Geschädigten zu, was diesen nunmehr dazu brachte, vor den Angeklagten zu flüchten. Der Angeklagte J. nahm die Jacke anschließend wieder auf.
3Nachdem sie den Tatort ungestört mit der Jacke verlassen hatten, kamen die Angeklagten – zu ihren Gunsten unterstellt – am späteren Vormittag des Tattags überein, dem Geschädigten die Jacke und das darin enthaltene Portemonnaie samt Inhalt zurückzugeben. Als der zu diesem Zweck den Geschädigten suchende Angeklagte P. wenig später auf diesen traf, zeigte sich der Geschädigte erfreut und ließ sich von dem Angeklagten dessen Anschrift und Mobiltelefonnummer geben, um die abgenommenen Gegenstände später bei diesem abzuholen, wozu es jedoch aus nicht aufzuklärenden Umständen nicht mehr kam.
42. Mit ihrer Verfahrensrüge beanstanden die Angeklagten die Ablehnung eines auf Vernehmung des Zeugen N. gerichteten Beweisantrags.
5a) Dessen Vernehmung hatte der Angeklagte P. mit der Begründung beantragt, der Zeuge werde bekunden, den Geschädigten am gemeinsam mit dem Angeklagten P. gesehen zu haben. Dieser habe dem Geschädigten mitgeteilt, seine Sachen von der Sparkasse mitgenommen zu haben, damit diese nicht wegkämen. Der Geschädigte sei aufgefordert worden, seine Jacke und sein Portemonnaie bei dem Angeklagten abzuholen, da seitens der Angeklagten kein Interesse an den Gegenständen bestanden habe noch bestehe.
6b) Die Strafkammer hat den Beweisantrag abgelehnt, da die zum Beweis gestellte Tatsachenbehauptung, soweit hierdurch Rückschlüsse auf den Vorsatz bei der Tat gezogen werden sollten, bedeutungslos sei und im Übrigen als wahr unterstellt werden könne. Hierzu hat es ausgeführt, dass es sich bei dem Umstand, dass der Angeklagte P. die entwendete Jacke am Vormittag nach der Tat zurückgeben wollte, bezogen auf den behaupteten Vorsatz, in der Tatnacht die Jacke lediglich sicherzustellen, um eine reine Indiztatsache handele. Der als erwiesen unterstellte Umstand, dass der Angeklagte P. Bemühungen unternommen habe, dem Geschädigten seine Jacke zurückzugeben, führe aber nicht dazu, dass die Strafkammer bei vorläufiger Würdigung eine bis zur Beendigung der Raubtat bestehende Zueignungsabsicht nicht festzustellen vermöge, zu der es mit dem sich aus der Videoaufnahme ergebenden Verjagen des Geschädigten aus dem Tatortbereich gekommen sei. Dass der Angeklagte P. die Jacke zu einem späteren Zeitpunkt zurückgeben wollte, sei daher kein Indiz, dass eine Zueignungsabsicht bis zur Tatbeendigung – die die Strafkammer im Verjagen des Geschädigten aus dem Tatortbereich erblickt – nicht vorgelegen habe. Soweit der Zeuge wahrgenommen habe, dass der Angeklagte P. den Geschädigten erfolgreich gesucht und diesem gegenüber geäußert habe, dass er seine Sachen mitgenommen habe, damit diese nicht wegkämen, erlange dies für sich betrachtet Bedeutung im Zuge der Strafzumessung und unterstelle die Kammer diese Tatsachen als wahr.
II.
71. Die Verfahrensrüge greift nicht durch.
8a) Im Ausgangspunkt zu Recht weist die Revision des Angeklagten P. allerdings darauf hin, dass das Gericht, das einen Beweisantrag wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit der behaupteten Tatsachen ablehnt, die unter Beweis gestellte Tatsache wie eine erwiesene Tatsache in das bisherige Beweisergebnis einzustellen hat. Die hypothetische Beweiswürdigung darf keine Abstriche an der Beweisbehauptung vornehmen, sie darf diese nicht entgegen ihrem Sinn auslegen (st. Rspr.; vgl. Rn. 3; Beschluss vom – 1 StR 141/15 Rn. 6; Beschluss vom – 2 StR 177/15 Rn. 7; Beschluss vom – 4 StR 410/18 Rn. 12; für den Angeklagten belastende Beweisbehauptungen auch Rn. 12). Zutreffend ist überdies, dass eine Beweistatsache nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des § 244 Abs. 3 Satz 2 Nr. 6 StPO nur dann als wahr unterstellt werden darf, wenn sie erheblich ist, d.h. für die Entscheidungsfindung Bedeutung erlangen kann, und dass es hiermit nicht vereinbar ist, wenn das Gericht Beweistatsachen einerseits als wahr unterstellt und andererseits ausführt, sie seien bedeutungslos, weil der vom Antragsteller gewünschte Schluss nicht zwingend sei und vom Gericht nicht gezogen werde (vgl. Rn. 9, juris).
9b) Ob die Strafkammer die aufgestellte Beweisbehauptung unter Verkennung diese Grundsätze sowohl als bedeutungslos behandelt wie zugleich als wahr unterstellt hat, kann dahinstehen, da ein etwaig hierin liegender Rechtsfehler die Angeklagten jedenfalls nicht beschwert. Denn auch den Urteilsgründen ist hinlänglich klar zu entnehmen, dass sich die Strafkammer mit dem vollen Umfang der aufgestellten Beweisbehauptung befasst hat und lediglich nicht bereit war, die hiermit erstrebte Schlussfolgerung zu ziehen, da sie sich an einer solchen durch das – maßgeblich auf Überwachungsaufnahmen gestützte – äußere Tatgeschehen gehindert sah. War die Strafkammer insbesondere auch für den Fall der Wahrunterstellung nicht gehalten, die gewünschte Schlussfolgerung zu ziehen (vgl. Rn. 76), werden die Angeklagten allein dadurch, dass die Strafkammer das von ihnen behauptete Rückgabebemühen im Rahmen der Strafzumessung zu ihren Gunsten gewertet hat, nicht beschwert.
102. Auch im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Quentin Maatsch Scheuß
Tschakert Gödicke
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:060525B4STR474.24.0
Fundstelle(n):
TAAAJ-92909