Instanzenzug: LG Aachen Az: 52 Ks 10/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln „in nicht geringer Menge“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
21. Während die aufgrund der Sachrüge veranlasste Nachprüfung des Urteils hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruchs zu Fall II.1 der Urteilsgründe keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat, ist die Verurteilung des Angeklagten in Fall II.2 der Urteilsgründe aufzuheben. Zwar lässt das Urteil nach dem zur Zeit der Entscheidung geltenden Recht keinen Rechtsfehler erkennen. Jedoch ist am das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis vom (BGBl. I Nr. 109; KCanG) in Kraft getreten. In der gegebenen Konstellation kann der Senat nicht entscheiden, ob die bei der Tat oder die nunmehr geltende Rechtslage milder im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB und daher anzuwenden ist (§ 354a StPO).
3a) Da der Umgang mit Konsumcannabis nunmehr abschließend im Konsumcannabisgesetz geregelt ist, sind damit im Zusammenhang stehende Taten allein nach § 34 KCanG zu bewerten, wenn dieser sich gemäß § 2 Abs. 3 StGB als das mildere Gesetz erweist. Das mildere von zwei Gesetzen ist dasjenige, das anhand des konkreten Falles nach einem Gesamtvergleich des früher und des derzeit geltenden Strafrechts das dem Angeklagten günstigere Ergebnis zulässt (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 154/24, NStZ 2024, 547 Rn. 5, und vom – 1 StR 382/24, NStZ 2025, 106, 107 Rn. 3). Hängt die Beurteilung des im Einzelfall milderen Rechts davon ab, ob die Möglichkeit einer Strafrahmenverschiebung genutzt, etwa ein gesetzlich geregelter besonders oder minder schwerer Fall angenommen wird, obliegt die Bewertung grundsätzlich dem Tatgericht, sofern eine abweichende Würdigung nicht sicher auszuschließen ist (vgl. etwa , Rn. 6).
4b) Daran gemessen lässt sich im Revisionsverfahren nicht abschließend bestimmen, welche Rechtslage die mildere ist.
5Das Landgericht hat die sich auf den bewaffneten gewinnbringenden Weiterverkauf von Kokain, MDMA, Marihuana und Haschisch beziehende Tat des Angeklagten in Fall II.2 der Urteilsgründe als bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln „in nicht geringer Menge“ gewertet. Es hat insoweit einen minder schweren Fall angenommen und den Strafrahmen des § 30a Abs. 3 BtMG zugrunde gelegt, für den es hinsichtlich der Mindeststrafe die Sperrwirkung des Strafrahmens des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG berücksichtigt hat. Innerhalb dieses Strafrahmens, der von Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren reicht, hat es auf eine Einzelstrafe von drei Jahren erkannt.
6c) Nach neuem Recht käme eine Strafbarkeit wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG in Tateinheit mit bewaffnetem Handeltreiben mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG in Betracht. § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG sieht im Regelfall Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren und in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor.
7d) Ob das neue Recht nach dem Konsumcannabisgesetz für den Angeklagten bei dem nach § 2 Abs. 3 StGB gebotenen konkreten Gesamtvergleich im Einzelfall günstiger und damit anzuwenden ist, hängt damit davon ab, ob die Tat nach neuem Recht als minder schwerer Fall des § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG zu werten ist. Bei Anwendung des Regelstrafrahmens wäre das neue Recht nicht milder, weil dann nach § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB die Strafe aus einem gegenüber § 30a Abs. 3, § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG höheren Strafrahmen zuzumessen wäre, und das Tatzeitrecht weiter maßgeblich. Fände dagegen der Strafrahmen des minder schweren Falles Anwendung, wäre das neue Recht für den Angeklagten günstiger. Dass das Landgericht angesichts der zweiundfünfzigfachen Grenzwertüberschreitung hinsichtlich des Cannabis den Regelstrafrahmen des § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG zugrunde gelegt hätte, kann der Senat nicht sicher ausschließen.
82. Die Aufhebung des Schuldspruchs in Fall II.2 der Urteilsgründe zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs sowie der keinen Rechtsfehlerzulasten des Angeklagten aufweisenden Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe des aus der Tat Erlangten nach sich. Es bedarf keiner Aufhebung der zugehörigen Feststellungen, soweit das Urteil aufgehoben wird (§ 353 Abs. 2 StPO). Diese sind insgesamt frei von Rechtsfehlern. Das zur neuen Verhandlung und Entscheidung berufene Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.
93. Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Zurückverweisung hat entsprechend § 354 Abs. 3 StPO an eine allgemeine Strafkammer zu erfolgen, weil eine Zuständigkeit des Schwurgerichts nicht mehr besteht (vgl. , Rn. 10 mwN)
Menges Meyberg Grube
Schmidt Zimmermann
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:240225B2STR93.24.0
Fundstelle(n):
GAAAJ-92559