Instanzenzug: SG Dresden Az: S 47 KR 1234/17 Urteilvorgehend Sächsisches Landessozialgericht Az: L 1 KR 449/20 Urteil
Tatbestand
1Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer Entbindung im Krankenhaus des Klägers.
2Der Kläger ist Träger eines Krankenhauses mit einer Fachabteilung für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Eine Versicherte der beklagten Krankenkasse kam am um 2:51 Uhr mit regelmäßiger Wehentätigkeit und Verdacht auf einen vorzeitigen Blasensprung in das Krankenhaus. Sie äußerte den Wunsch nach einer ambulanten Entbindung. Die Geburt erfolgte um 4:01 Uhr. Nach Ablauf einer Nachbeobachtungszeit im Kreißsaal verließ sie um 9:00 Uhr das Krankenhaus. Der Kläger hatte in der Aufnahmeanzeige als voraussichtliches Entlassungsdatum den an die Beklagte übermittelt.
3Der Kläger stellte der Beklagten am 1283 Euro nach Fallpauschale (Diagnosis Related Group - DRG) O60D in Rechnung. Die Beklagte ist der für eine stationäre Entbindung abgerechneten Vergütung entgegengetreten, da die Entbindung ambulant erfolgt sei (Schreiben vom ). Das SG hat die Klage abgewiesen. Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen: Der für eine stationäre Entbindung geltend gemachte Vergütungsanspruch scheitere daran, dass die Entbindung ambulant durchgeführt worden sei. Die Abgrenzung zwischen ambulanten und stationären Entbindungen erfolge danach, ob Unterkunft, Pflege und Verpflegung gewährt worden seien. Dies setze eine Aufnahme in ein Krankenhaus oder eine andere Einrichtung voraus. Die Aufnahme sei auch im Rahmen von stationären Entbindungen nach § 24f SGB V dadurch gekennzeichnet, dass der Patient physisch und organisatorisch in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses eingegliedert werde. Die Aufnahmeentscheidung auf der Basis eines entsprechenden Behandlungsplans müsse auf die Eingliederung in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses für mindestens einen Tag und eine Nacht gerichtet sein und werde nach außen regelmäßig durch Einweisung auf eine bestimmte Station, Zuweisung eines Bettes oder das Erstellen entsprechender Aufnahmeunterlagen dokumentiert. Hieran fehle es im vorliegenden Fall. Die Versicherte sei vielmehr nur im Kreißsaal behandelt worden und habe das Krankenhaus - wie geplant - im Anschluss an eine Nachbeobachtungszeit nach der Geburt am selben Tag wieder verlassen. Sie sei keiner Station zugewiesen worden. Allein die Behandlung im Kreißsaal genüge für eine stationäre Entbindung nicht. Die Beklagte sei mit ihrem Vorbringen auch nicht präkludiert, da Entbindungen nach § 1 PrüfvV 2016 ausdrücklich von der Anwendbarkeit der PrüfvV ausgenommen seien. Die Vergütungsregelungen für stationäre Entbindungen fänden mangels vergleichbarer Interessenlage auf ambulante Entbindungen keine analoge Anwendung (Urteil vom ).
4Der Kläger rügt mit seiner Revision die Verletzung von § 24f SGB V. Hier habe eine stationäre Entbindung stattgefunden. Das Merkmal eines Verbleibs über Nacht sei in Bezug auf den Geburtsvorgang fernliegend. Neben der personellen Infrastruktur seien der OP-Saal und die Reanimationseinheit für Neugeborene als besondere Mittel des Krankenhauses vorgehalten worden. Die vom Krankenhaus verwendete Bezeichnung "ambulant" sei nicht im engeren Sinne juristisch zu verstehen und daher für die Einordnung als stationär unschädlich. Da im vorliegenden Fall keine Möglichkeit zur Abrechnung einer ambulanten Leistung bestanden habe, liege entgegen der Ansicht des LSG auch eine mit einer stationären Entbindung vergleichbare Interessenlage vor.
7Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Gründe
8Die zulässige Revision des Klägers ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG). Zu Unrecht haben die Vorinstanzen die Klage ab- und die Berufung zurückgewiesen. Die zulässig erhobene (echte) Leistungsklage (stRspr; vgl KR R - BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 9; - BSGE 133, 24 = SozR 4-2500 § 2 Nr 17, RdNr 7) ist begründet.
9Der Kläger hat Anspruch auf die geltend gemachte Vergütung. Er hat - in Erfüllung eines entsprechenden Leistungsanspruchs der Versicherten - eine ambulante Entbindung durchgeführt (dazu 1.) und damit dem Grunde nach kraft Gesetzes einen Vergütungsanspruch gegen die Krankenkasse erworben (dazu 2.). Der Höhe nach ist der Vergütungsanspruch auf die Mindest-Fallpauschale für eine eintägige stationäre Entbindung im Krankenhaus gerichtet (dazu 3.). Dem Kläger stehen auch die geltend gemachten Zinsen zu (dazu 4.).
101. Der Kläger hat in seinem Krankenhaus die von der Versicherten zu Recht beanspruchte ambulante Entbindung (hierzu a) vorgenommen (hierzu b).
11a) § 24f SGB V regelt den Leistungsanspruch für Entbindungen. Die Vorschrift überlässt den Versicherten die freie Wahl, ob die Entbindung im Krankenhaus ambulant oder stationär erfolgen soll. Auf die Erforderlichkeit einer stationären Durchführung kommt es dabei nicht an (vgl zB Pitz in jurisPK-SGB V, 4. Aufl, § 24f RdNr 4, Stand: ; Becker in Hauck/Noftz, SGB V, § 24f RdNr 7, Stand: März 2020; vgl auch BT-Drucks 17/10170 S 23 f). Insoweit gilt weder der allgemeine Wirtschaftlichkeitsgrundsatz des § 12 Abs 1 SGB V noch der spezielle aus § 39 Abs 1 SGB V, wonach die stationäre Behandlung gegenüber der ambulanten Behandlung nachrangig ist.
12Nach der Gesetzesbegründung zu den §§ 24c ff SGB V (vgl BT-Drucks 17/10170 S 23) sollte der Anspruch auf eine ambulante Entbindung in § 24f SGB V ausdrücklich geregelt werden. Insoweit werden als mögliche Entbindungsorte das Krankenhaus, eine von einer Hebamme oder einem Entbindungspfleger geleitete Einrichtung, eine ärztlich geleitete Einrichtung, eine Hebammenpraxis sowie die eigene Häuslichkeit genannt. Es wird deutlich, dass der schon unter Geltung der RVO bestehende Anspruch Versicherter auf ambulante Entbindung nur mit einer ausdrücklichen Regelung und unter Benennung möglicher Entbindungsorte geregelt werden sollte. Wählt die Versicherte - wie hier - eine ambulante Entbindung in einem zugelassenen Krankenhaus, konkretisiert sich damit ihr Leistungsanspruch entsprechend. Anders als für Krankenhausleistungen nach § 39 Abs 1 Satz 1 SGB V, der den Anspruch nur allgemein benennt (vgl hierzu zB - SozR 4-2500 § 39 Nr 38 RdNr 20 f mwN), begründet § 24f SGB V bereits selbst einen konkreten Leistungsanspruch, der über die Wahl der Versicherten hinaus grundsätzlich keiner weiteren Konkretisierung durch das Leistungs- und Leistungserbringerrecht mehr bedarf.
13b) Der Kläger hat die Entbindung ambulant durchgeführt.
14aa) Die in § 24f SGB V genannten möglichen Entbindungsorte machen deutlich, dass der Begriff der ambulanten Entbindung sehr weit gefasst ist. Er beinhaltet sowohl nur mit Hilfe einer Hebamme durchgeführte Hausgeburten als auch ambulante Entbindungen in einem entsprechend den Anforderungen des § 107 Abs 1 SGB V ausgestatteten Krankenhaus unter Mitwirkung von Fachärzten und Hebammen und unter Einsatz krankenhausspezifischer Mittel. Hinsichtlich der Kernleistungen unterscheidet sich die ambulante Entbindung im Krankenhaus zwar nicht von der stationären Entbindung. Die Vorbereitungen, die eigentliche Entbindung unter Mitwirkung von Ärzten und Hebammen und die unmittelbare Nachsorge im Kreißsaal beinhalten bei ambulanten Entbindungen grundsätzlich die gleichen Maßnahmen, wie bei komplikationslosen stationären Entbindungen. Sobald stationäre Leistungen gewünscht oder notwendig werden, kann die Versicherte stationär aufgenommen werden und so die ambulante in eine stationäre Entbindung übergehen. Das Krankenhaus wird zur ambulanten Entbindung häufig gerade wegen der vorhandenen Hintergrundabsicherung gewählt. Dennoch bleibt festzuhalten, dass das Gesetz in § 24f SGB V begrifflich klar zwischen ambulanter und stationärer Entbindung unterscheidet.
15bb) Die Abgrenzung von stationären und ambulanten Entbindungen richtet sich grundsätzlich nach den für die Krankenbehandlung geltenden Grundsätzen des SGB V. Die §§ 24c ff SGB V enthalten insoweit keine abweichenden Regelungen. Die Vorgängervorschrift in § 195 Abs 2 Satz 1 RVO ordnete noch ausdrücklich an, dass für stationäre Entbindungen (§ 195 Abs 1 Nr 3 RVO) die Vorschriften für die Leistungen nach dem SGB V entsprechend gelten sollten, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist. An dieser Rechtslage wollte der Gesetzgeber bei der Überführung der Vorschriften zur Entbindung in das SGB V nichts ändern. Die §§ 24c ff SGB V wurden zum durch das Gesetz zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung vom (BGBl I 2246) eingeführt. Mit der Aufnahme der Vorschrift zur Entbindung in das SGB V hielt der Gesetzgeber einen ausdrücklichen Verweis auf die Vorschriften für Leistungen nach dem SGB V in §§ 24c ff SGB V nicht mehr für erforderlich. Den Materialien (vgl BT-Drucks 17/10170 S 23) ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber das Regelungskonzept der RVO zur Entbindung weitgehend übernehmen und lediglich in das SGB V überführen wollte. Benannt werden in der Begründung nur einzelne, neu aufgenommene Ergänzungen, wie etwa die Versorgung mit Hilfsmitteln (§ 24c Satz 1 Nr 2 SGB V), Leistungen der Hebammenhilfe (§ 24f Satz 2, § 301a SGB V) und die ausdrückliche Regelung zur ambulanten Entbindung (§ 24f Satz 1 SGB V). Die Materialien sprechen insoweit von der "Überführung der Vorschriften zu den Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft von der Reichsversicherungsordnung (RVO) in das SGB V", die "an einigen Stellen (…) ergänzt" würden (vgl BT-Drucks 17/10170 S 11). Die Grundsätze der bisherigen Rechtsprechung des BSG zu Entbindungen nach den §§ 195 ff RVO sind daher auch unter der Geltung der §§ 24c ff SGB V weiter heranzuziehen (so auch Knigge in Hänlein/Schuler, SGB V, 6. Aufl 2022, § 24f RdNr 4; Kießling in BeckOK Sozialrecht, § 24f SGB V RdNr 7 f, Stand: ; Schaks in Berchtold/Huster/Rehborn, Gesundheitsrecht, 2. Aufl 2018, § 24f SGB V RdNr 5; Nolte in BeckOGK, § 24 f SGB V RdNr 8, Stand: ; Just/Schneider, Das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung, 2. Aufl 2016, RdNr 862; Wagner in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Werkstand: 122. EL Mai 2024, § 24f SGB V RdNr 15). Jedoch ist maßgeblich die Wahlfreiheit der Schwangeren zu beachten, sich entweder für eine ambulante oder eine stationäre Entbindung zu entscheiden. Dies unterscheidet sie von einer stationären Aufnahme zur Krankenbehandlung nicht unwesentlich.
16Voraussetzung einer stationären Entbindung ist die Aufnahme im Sinne einer physischen und organisatorischen Eingliederung in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses. Die Aufnahmeentscheidung des Krankenhausarztes auf der Basis eines entsprechenden Behandlungsplans wird nach außen regelmäßig durch die Einweisung auf eine bestimmte Station, die Zuweisung eines Bettes oder das Erstellen entsprechender Aufnahmeunterlagen und Ähnliches dokumentiert (stRspr; siehe zum Ganzen - SozR 4-2500 § 39 Nr 38 RdNr 15 mwN). Abgesehen von Notfällen oder schon im Vorfeld zu befürchtenden perinatalen Komplikationen beruht bei der Entbindung der Behandlungsplan nicht auf einer Prognose des Krankenhausarztes über die stationäre Behandlungsbedürftigkeit, sondern allein auf der freien Entscheidung der Schwangeren für eine stationäre anstelle einer ambulanten Entbindung. Diese Entscheidung ist nicht von einer medizinischen Erforderlichkeit abhängig. Eine ambulante Entbindung im Krankenhaus unterscheidet sich deshalb von der stationären dadurch, dass der Versicherten und ihrem Neugeborenen unter Beachtung ihrer freien Entscheidung kein Bett auf einer Entbindungsstation zugewiesen wird, um beide dort noch längere Zeit zu überwachen und zu pflegen. Dieses in der gesetzlichen Konzeption angelegte Abgrenzungskriterium wird dadurch verdeutlicht, dass § 24f SGB V in Bezug auf stationäre Entbindungen ausdrücklich den Anspruch auf "Unterkunft, Pflege und Verpflegung" nennt, also auf die Aufnahme auf einer Entbindungsstation verweist (vgl auch - SozR 3-2200 § 196 Nr 2 S 5 = juris RdNr 18).
17Von einer konkludenten Aufnahme kann nach den dargestellten Grundsätzen nur ausgegangen werden, wenn diese Mittel auch tatsächlich eingesetzt werden. Erfolgt die Entbindung nach dem Willen der Schwangeren ausschließlich im Kreißsaal, richtet sich die Abgrenzung zwischen ambulanter und stationärer Entbindung regelhaft danach, ob die Versicherte im Zusammenhang mit der Entbindung gleichwohl unter Eingliederung in das Versorgungssystem im Krankenhaus verbleibt, also auf eine Station mit Unterkunft, Pflege und Verpflegung aufgenommen wird, weil dies nunmehr unvorhergesehen medizinisch erforderlich wird oder die Mutter ihre Entscheidung revidiert und sich doch für eine Fortsetzung der Entbindung unter stationären Bedingungen entscheidet. Verlässt die Mutter das Krankenhaus entsprechend ihrem zuvor geäußerten Willen nach der Geburt ohne Eingliederung in das Versorgungssystem, liegt dagegen eine ambulante Entbindung vor (vgl auch Nebendahl in Spickhoff, Medizinrecht, 4. Aufl 2022, § 24f SGB V RdNr 3).
18cc) Nach diesen Grundsätzen erfolgte im vorliegenden Fall eine ambulante Entbindung. Nach den nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen und damit für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG hat die Versicherte das Krankenhaus - wie von ihr geplant - im Anschluss an eine Nachbeobachtungszeit nach der Geburt am selben Tag wieder verlassen. Sie ist keiner Station außerhalb des Kreißsaals zugewiesen und nicht in das Versorgungssystem des Krankenhauses eingegliedert worden. Ein besonderer Mitteleinsatz, der über den bei einer Entbindung im Kreißsaal üblichen hinaus gegangen wäre, erfolgte nicht.
192. Mit der Erbringung der ambulanten Entbindung zugunsten der Versicherten hat der Kläger kraft Gesetzes einen Vergütungsanspruch gegen die Beklagte erworben. Dies folgt aus dem Zusammenspiel der Grundsätze des Leistungserbringungsrechts mit den sich aus § 24f SGB V ergebenden Besonderheiten des Anspruchs auf Entbindung im Krankenhaus.
20a) Der Vergütungsanspruch des Krankenhauses reicht grundsätzlich nicht weiter als der Sachleistungsanspruch der Versicherten auf Entbindungsleistungen gegen ihre Krankenkasse. Soweit ein Leistungsanspruch der Versicherten besteht und von dem dafür zugelassenen Krankenhaus erfüllt wird, erwirbt das Krankenhaus dem Grunde nach einen Vergütungsanspruch gegen die Krankenkasse kraft Gesetzes. Der Senat verweist in nunmehr ständiger Rechtsprechung darauf, dass § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V den Vergütungsanspruch als Selbstverständlichkeit voraussetzt, ohne dass er dort als Anspruchsgrundlage geregelt ist (vgl - SozR 4-1500 § 65d Nr 1 RdNr 16; - BSGE 130, 73 = SozR 4-2500 § 12 Nr 18, RdNr 11 mwN). Für Entbindungen gilt nichts anderes als für den Anspruch auf Vergütung von Krankenhausbehandlungen im Falle einer Krankheit: Sieht der Gesetzgeber für Versicherte einen Leistungsanspruch im Gesetz vor, setzt er damit den Vergütungsanspruch des für die Erbringung dieser Leistung zugelassenen und zur Leistungserbringung verpflichteten Leistungserbringers dem Grunde nach als Selbstverständlichkeit voraus.
21Zur Erfüllung des Leistungsanspruchs auf Entbindungen nach § 24f SGB V sind zugelassene Krankenhäuser verpflichtet. Die Zulassung der Krankenhäuser nach § 107 Abs 1 Nr 1 und § 108 SGB V bezieht sich ausdrücklich auch auf die Geburtshilfe ohne danach zu differenzieren, ob sie ambulant oder stationär im Krankenhaus erbracht wird. Darf ein zugelassenes Krankenhaus danach sowohl stationäre wie ambulante Entbindungen vornehmen, erwirbt es dem Grunde nach einen Vergütungsanspruch und zwar unabhängig davon, ob die Entbindung ambulant oder stationär im Krankenhaus erfolgt.
22b) Allerdings können Versicherte außerhalb der leistungserbringungsrechtlichen Voraussetzungen die Leistungen grundsätzlich nicht beanspruchen und dürfen die Krankenkassen sie nicht vergüten (vgl - SozR 4-2500 § 33 Nr 59 RdNr 14 f mwN). Daher ergibt sich der konkrete Individualanspruch der Versicherten in Reichweite und Gestalt aus einem Zusammenspiel von Regelungen des Leistungs- und Leistungserbringerrechts mit weiteren gesetzlichen und untergesetzlichen Rechtsnormen (vgl - BSGE 126, 277 = SozR 4-7610 § 812 Nr 8, RdNr 14 ff mwN). Für einen Krankenhausbehandlungsanspruch nach § 39 Abs 1 Satz 1 SGB V ist eine Konkretisierung durch das Leistungs- und Leistungserbringerrecht auch erforderlich, weil diese Vorschrift den Anspruch nur allgemein benennt (vgl hierzu zB - SozR 4-2500 § 39 Nr 38 RdNr 20 f mwN).
23Demgegenüber begründet § 24f SGB V jedoch - wie oben dargelegt - bereits aus sich heraus einen konkreten Leistungsanspruch der Versicherten auf ambulante Entbindung in einem Krankenhaus. Dieser Anspruch kann nicht dadurch erfüllt werden, dass die ambulante Entbindung nur in einem zur vertragsärztlichen Versorgung ermächtigten Krankenhaus (§ 116a, § 117 Abs 1 SGB V) oder in einem Krankenhaus nur durch einen zur vertragsärztlichen Versorgung ermächtigten angestellten Arzt des Krankenhauses (§ 116 SGB V, § 31 Abs 1, § 31a Abs 1 Ärzte-ZV) durchgeführt und als ambulante, vertragsärztliche Behandlung abgerechnet wird. Der Anspruch aus § 24f SGB V umfasst auch die Geburtsbegleitung durch eine Hebamme oder einen Entbindungspfleger. Diese sind nach § 4 Abs 3 HebG (idF Art 1 des Gesetzes zur Reform der Hebammenausbildung und zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch vom , BGBl I 1759; zuvor § 4 Abs 1 Satz 2 Gesetz über den Beruf der Hebamme und des Entbindungspflegers vom , BGBl I 902) verpflichtend zu einer Geburt hinzuziehen. Dementsprechend ist in § 24d Satz 1 SGB V ein Anspruch auf Hebammenhilfe bei der Geburt auch ausdrücklich vorgesehen. Mit einer Ermächtigung wäre jedoch nur die ärztliche Betreuung der Gebärenden erfasst, nicht aber die Geburtsbegleitung durch eine Hebamme oder einen Entbindungspfleger. Aus dem Fehlen leistungserbringungsrechtlicher Vorschriften über die Erbringung und Vergütung einer ambulanten Entbindung in den §§ 115 ff SGB V lässt sich nicht der Schluss ziehen, dass der in § 24f SGB V ausdrücklich geregelte Anspruch auf ambulante Entbindung im Krankenhaus überhaupt nicht besteht. Vielmehr erfährt der bereits aus § 24f SGB V begründete Leistungsanspruch eine hinreichende Konkretisierung durch die Wahl der Versicherten.
243. Der Höhe nach ist der Vergütungsanspruch für die ambulante Entbindung im Krankenhaus auf die Mindest-Fallpauschale für eine eintägige stationäre Entbindung im Krankenhaus gerichtet. Dies ist gerechtfertigt, weil seit Inkrafttreten des Fallpauschalensystems und der Ablösung der BPflV durch das KHEntgG keine ausdrückliche Vergütungsregelung für ambulante Entbindungen im Krankenhaus existiert.
25a) Die Abrechnung von Leistungen der stationären Entbindung richtet sich nach den für Krankenhäuser maßgeblichen Finanzierungsregelungen. Krankenhäuser sind nach § 107 Abs 1 Nr 1 und 3 SGB V als Einrichtungen definiert, die - neben der Krankenbehandlung - der Geburtshilfe dienen und mit Hilfe von jederzeit verfügbarem ärztlichem, Pflege-, Funktions- und medizinisch-technischem Personal darauf eingerichtet sind, vorwiegend durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistung Krankheiten der Patienten zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten, Krankheitsbeschwerden zu lindern oder Geburtshilfe zu leisten. Das DRG-Abrechnungssystem erstreckt sich nach § 2 Nr 1 KHG, § 1 Abs 1 und § 2 Abs 1 Satz 1 und 2 KHEntgG auf die voll- und teilstationären Leistungen dieser Krankenhäuser und damit auch auf die Leistungen der Geburtshilfe. Für die Abrechnung von Leistungen der Hebammenhilfe durch freiberuflich tätige Hebammen enthalten die §§ 134a und 301a SGB V eigene Regelungen. Für die Abrechnung von Krankenhausleistungen zur Geburtshilfe gelten die allgemeinen Abrechnungsvorschriften, insbesondere die Fallpauschalenvereinbarung.
26b) Solange für ambulante Entbindungen im Krankenhaus weder die §§ 115 ff SGB V noch sonstige normative Vorgaben eine ausdrückliche Vergütungsregelung enthalten, kann daraus nur der Schluss gezogen werden, dass der Gesetzgeber eine bestehende Vergütungsregelung als anwendbar angesehen hat. Im Hinblick auf den ähnlichen Leistungsinhalt ambulanter und (komplikationsloser) stationärer Entbindungen erscheint es daher sachgerecht, auch für ambulante Entbindungen im Krankenhaus die für stationäre Entbindungen vorgesehene Mindestfallpauschalenvergütung anzuwenden. Das ist die hier vom Kläger angesetzte Fallpauschale O60D ohne komplizierende Diagnose unter Berücksichtigung eines Belegungstags. Ambulante Entbindungen im Krankenhaus sind von ihrem Leistungsinhalt her den stationären Entbindungen stark angenähert. Sie unterscheiden sich von diesen im Wesentlichen nur dadurch, dass keine Zuweisung eines Bettes auf einer bettenführenden Station im Krankenhaus mit entsprechender Überwachung und Pflege erfolgt. Auch die ambulante Entbindung umfasst in der Regel - so wie hier - aber eine mehrstündige Nachbeobachtung, während der das ärztliche und pflegerische Personal beansprucht wird. Die Behandlungsdauer kann auch bei ambulanten Entbindungen stark variieren. Es fällt daher unter den besonderen Bedingungen der Entbindung im Krankenhaus nicht wesentlich ins Gewicht, dass der Anspruch auf die hier abgerechnete Fallpauschale O60D mit einem Belegungstag in einem geringen Umfang auch Leistungsinhalte vergütet, die nicht zur ambulanten Entbindung im Krankenhaus gehören. Dem Anspruch des Klägers auf die Mindestvergütung für eine eintägige stationäre Entbindung steht deshalb nicht entgegen, dass die Versicherte auf eigenen Wunsch im für die Geburtshilfe zugelassenen Krankenhaus des Klägers nicht stationär aufgenommen, sondern mit einer ambulanten Entbindung als Sachleistung auf Kosten der Beklagten versorgt wurde.
274. Dem Kläger steht auch der geltend gemachte Zinsanspruch iHv 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem zu. Dies ergibt sich aus entsprechender Anwendung von § 13 Abs 1 und Abs 3 des ab dem geltenden Sächsischen Landesvertrags zu den allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung gemäß § 112 Abs 2 Nr 1 SGB V.
285. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und Abs 3 Satz 1 sowie § 47 Abs 1 Satz 1 GKG.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2025:200225UB1KR624R0
Fundstelle(n):
ZAAAJ-92369