Instanzenzug: LG Kaiserslautern Az: 4 KLs 6010 Js 18892/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Sachbeschädigung unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einem rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Kaiserslautern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Monaten und zwei Wochen verurteilt. Ferner hat es gegen ihn wegen räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit Hausfriedensbruch sowie Diebstahls unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einem weiteren rechtskräftigen Strafbefehl desselben Amtsgerichts eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verhängt und wegen Körperverletzung, Bedrohung, versuchter gefährlicher Körperverletzung (Fall II. 6 der Urteilsgründe), versuchter Körperverletzung (Fall II. 7 der Urteilsgründe) sowie gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten festgesetzt. Überdies hat das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg und ist im Übrigen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen II. 6 und II. 7 der Urteilsgründe kann nicht bestehen bleiben, weil die Strafkammer jeweils nicht erörtert hat, ob ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch der (gefährlichen) Körperverletzung gegeben ist, und die hierzu getroffenen Feststellungen lückenhaft sind.
3a) Nach den Feststellungen des Landgerichts griff der infolge einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis erheblich in seiner Steuerungsfähigkeit eingeschränkte Angeklagte in den vorbezeichneten Fällen grundlos Fußgänger an. Im Fall II. 6 der Urteilsgründe warf er zweimal einen faustgroßen Stein in Richtung eines auf einem Waldweg gehenden Ehepaars, ohne die Eheleute, die sich bereits nach dem ersten Wurf eilig entfernten, zu treffen. Im Fall II. 7 der Urteilsgründe trat der Angeklagte mit dem beschuhten Fuß in Richtung des Kopfes eines ihm auf offener Straße entgegenkommenden Passanten. Der Tritt traf diesen infolge seiner reaktionsschnellen Ausweichbewegung lediglich im Bereich des linken Unterarms, ohne Schmerzen zu verursachen. Hierauf von dem Zeugen angesprochen, äußerte sich der Angeklagte nur belanglos und ging weiter.
4b) Nach diesen Feststellungen bleibt offen, ob die jeweiligen Körperverletzungsversuche fehlgeschlagen, unbeendet oder beendet waren. Dies durfte indes nicht dahinstehen, da im Fall eines hier nicht fernliegenden unbeendeten Versuchs gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 StGB bereits das freiwillige Abstandnehmen von weiteren Ausführungshandlungen als Rücktrittsleistung für eine Strafbefreiung ausreichend gewesen wäre (vgl. Rn. 7; Beschluss vom – 4 StR 587/19 Rn. 5 mwN). Auch liegt es nicht auf der Hand, dass jeweils ein fehlgeschlagener Versuch, der einen Rücktritt ausschließt, anzunehmen wäre, weil der Angeklagte davon ausgegangen ist, die Tat(en) nach dem Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder den ihm sonst zur Verfügung stehenden Mitteln objektiv nicht mehr vollenden zu können (vgl. dazu Rn. 8 mwN). Da es insoweit maßgeblich auf das Vorstellungsbild des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung (sogenannter Rücktrittshorizont) ankommt, hätte sich die Strafkammer dazu ausdrücklich verhalten müssen (vgl. nur , BGHSt 39, 221, 227). Dies ist nicht geschehen. Darlegungen zum Vorstellungsbild drängten sich im Fall II. 7 der Urteilsgründe schon deshalb auf, weil nach den festgestellten Umständen der Zeuge den Angeklagten direkt nach dem Tritt auf sein Verhalten ansprach, ohne dass es daraufhin zu einem weiteren körperlichen Angriff des Angeklagten kam (vgl. Rn. 7). Auch im Fall II. 6 der Urteilsgründe ließ der Angeklagte von weiteren Steinwürfen ab. Zwar unterscheidet sich der hierzu mitgeteilte Sachverhalt vom Fall II. 7 der Urteilsgründe, soweit das Ehepaar bereits nach dem ersten Steinwurf die Flucht ergriffen hatte. Jedoch liegt es nicht völlig fern, dass am Standort des Angeklagten noch weitere Steine vorhanden waren, mit denen er den (unverletzten) Eheleuten hätte nachlaufen und diese treffen können (vgl. Rn. 9).
5c) Der dargelegte Rechtsfehler führt in beiden Fällen zur Aufhebung der Verurteilung und (schon deshalb) zur Aufhebung der (dritten) Gesamtstrafe von einem Jahr und sechs Monaten Freiheitsstrafe. Er nötigt zudem zur Aufhebung des Maßregelausspruchs (§ 63 StGB), den die Strafkammer auf sämtliche Körperverletzungsdelikte gestützt hat. Da der Wille, die Tat nicht zur Vollendung kommen zu lassen, dem Verhalten des Täters in der Regel seine besondere Gefährlichkeit nimmt, kann der Senat nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei der Annahme auch nur eines strafbefreienden Rücktritts insoweit zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre (st. Rspr.; Rn. 6; Beschluss vom – 1 StR 234/22 Rn. 6 mwN; Urteil vom – 4 StR 472/82, BGHSt 31, 132, 135 mwN).
62. Die übrigen Gesamtstrafenaussprüche haben keinen Bestand, weil zu besorgen ist, dass das Landgericht die Möglichkeit eines zu hohen Gesamtstrafenübels (insgesamt) nicht bedacht hat.
7Nötigt – wie hier – die Zäsurwirkung einzubeziehender Vorverurteilungen zur Bildung mehrerer Gesamtstrafen, muss das Tatgericht einen sich daraus möglicherweise für den Angeklagten ergebenden Nachteil infolge eines zu hohen Gesamtstrafübels ausgleichen. Dabei muss es nicht nur darlegen, dass es sich dieser Sachlage bewusst gewesen ist, sondern auch erkennen lassen, dass es das Gesamtmaß der Strafen für schuldangemessen gehalten hat (st. Rspr.; vgl. Rn. 3 mwN; Beschluss vom ‒ 4 StR 650/95, BGHSt 41, 310, 313). Das angefochtene Urteil genügt diesen Anforderungen nicht, weil es keine Ausführungen zum Gesamtstrafübel enthält. Der Senat kann nicht vollständig ausschließen, dass die Bemessung der Gesamtstrafen auf diesem Mangel beruht.
83. Die Sache bedarf im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung. Die von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen in den Fällen II. 6 und II. 7 der Urteilsgründe können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende, hierzu nicht in Widerspruch tretende Feststellungen sind möglich. Im Rahmen der erneuten Prüfung der Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB wird das neue Tatgericht bei der Gefährlichkeitsprognose darzulegen haben, dass es sich am Maßstab einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades, der Täter werde infolge seines fortdauernden psychischen Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen (st. Rspr.; vgl. nur Rn. 9; Urteil vom – 5 StR 683/18 Rn. 15), orientiert hat.
Quentin Sturm Scheuß
Marks Gödicke
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:230425B4STR103.25.0
Fundstelle(n):
NAAAJ-91978