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BSG Beschluss v. - B 5 R 155/24 B

Instanzenzug: SG Meiningen Az: S 5 R 1508/20 Urteilvorgehend Thüringer Landessozialgericht Az: L 3 R 39/23 Urteil

Gründe

1I. Der Kläger begehrt von der Beklagten in der Hauptsache die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.

2Er beantragte im Juli 2017 bei der Beklagten erfolglos eine Erwerbsminderungsrente. Das SG hat nach Einholung eines ärztlichen Befundberichts und einer auf Antrag des Klägers erfolgten gutachterlichen Anhörung des Chirurgen M der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom bis zum eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren (Urteil vom ). Das LSG hat auf die Berufung der Beklagten die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert und die Klage abgewiesen sowie die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei nicht erwerbsgemindert. Er könne sechs Stunden und mehr arbeitstäglich eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten. Auch eine Wegeunfähigkeit sei nicht gegeben (Urteil vom ). 

3Gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Kläger Beschwerde eingelegt. Er macht Verfahrensmängel geltend.

4II. 1. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig und daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG). Der Kläger hat keinen Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form bezeichnet.

5Der Kläger macht geltend, das angefochtene Urteil verletze ihn in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) und auf ein faires Verfahren (Art 2 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 und Art 19 Abs 4 GG sowie Art 6 Abs 1 Satz 1 EMRK). Indem er dazu zunächst vorträgt, das LSG habe sich auf eigene medizinische Sachkunde gestützt, ohne dass die Beteiligten zuvor darauf hingewiesen worden wären, hat er einen Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nicht hinreichend bezeichnet.

6Berücksichtigt ein Gericht eigene Sachkunde bei der Urteilsfindung, muss den Beteiligten die Grundlage hierfür ersichtlich sein. Es muss daher gegenüber den Beteiligten darlegen, worauf seine Sachkunde beruht und was diese beinhaltet, damit die Beteiligten dazu Stellung nehmen und ihre Prozessführung entsprechend einrichten können (vglzB  BH - jurisRdNr 11 mwN). Der Beschwerdebegründung lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass das LSG das Leistungsvermögen des Klägers tragend aufgrund eigener Sachkunde beurteilt hat. Vielmehr geht aus den vom Kläger wiedergegebenen Entscheidungsgründen hervor, dass das LSG die Feststellungen von M anhand der aktenkundigen ärztlichen Unterlagen überprüft, nicht für überzeugend gehalten und sich auf das Ergebnis der Begutachtung durch den bereits im Verwaltungsverfahren beauftragten Sachverständigen S gestützt hat.

7Auch dem Vorbringen, das LSG hätte nicht ohne vorherige Information der Beteiligten über seine von dem erstinstanzlichen Urteil abweichende Beurteilung des Leistungsvermögens entscheiden dürfen, lässt sich kein Verfahrensmangel entnehmen. Das Gericht ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die Beteiligten vor der Entscheidung auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffs schriftlich hinzuweisen. Dies ist nur ausnahmsweise erforderlich, wenn das Gericht auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellen möchte, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (vgl  - jurisRdNr 7;  - jurisRdNr 10, jeweils mwN; zu den Darlegungsanforderungen nach einer sog Überraschungsentscheidung zB  - jurisRdNr 19 mwN). Ein solcher Ausnahmefall lässt sich der Beschwerdebegründung auch nicht im Hinblick darauf entnehmen, dass der Kläger auf weitere Befundberichte verweist, die zwischen einem Erörterungstermin und der mündlichen Verhandlung eingeholt worden seien. Der Kläger gibt deren Inhalt nicht wieder. Aus welchen Gründen ein richterlicher Hinweis hätte erfolgen müssen, erschließt sich deshalb dem Senat nicht.

8Soweit der Kläger ausdrücklich geltend macht, das LSG habe deshalb eine Überraschungsentscheidung getroffen, weil es nicht dem Gutachten von M gefolgt sei, macht er eine Verletzung der Grenzen der freien Beweiswürdigung durch die Vorinstanz (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) geltend. Darauf kann eine Nichtzulassungsbeschwerde jedoch nicht gestützt werden, wie sich aus § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG ergibt.

9Schließlich hat der Kläger einen Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG auch nicht dahingehend ausreichend bezeichnet, indem er rügt, dass aufgrund von Beweisanträgen in seinen Schriftsätzen vom und die Einholung eines Sachverständigengutachtens nach §§ 103, 106 SGG geboten gewesen sei. Aus der Beschwerdebegründung geht nicht hervor, mit welchem konkreten Inhalt er prozessordnungsgemäße Beweisanträge gestellt und bis zuletzt, dh in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG aufrechterhalten hat. Die Bezeichnung eines solchen Beweisantrags gehört jedoch zu den grundlegenden Anforderungen an eine Rüge der Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (stRspr; vglzB  - juris).

10Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

112. Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 Satz 1 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 und 4 SGG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2025:310325BB5R15524B0

Fundstelle(n):
RAAAJ-91874