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BSG Urteil v. - B 1 KR 7/24 R

Instanzenzug: Az: S 23 KR 886/21 Urteilvorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: L 5 KR 931/21 Urteil

Tatbestand

1Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Kosten des Versicherten für Fahrten mit einem Krankentransportwagen (KTW) in der Zeit vom bis einschließlich .

2Die Klägerin ist die Witwe des am verstorbenen Versicherten der beklagten Krankenkasse (KK). Ihm waren der Pflegegrad 3 sowie ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 einschließlich der Merkzeichen "G" und "aG" zuerkannt. Er litt - nach Schlaganfall und malignem Lymphom - ua an einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) mit dauernder Sauerstoffgabe und unterzog sich einer Chemotherapie. Hierzu verordneten ihm die behandelnden Ärzte für die Zeit vom bis zum zweimal pro Woche Krankenbeförderung im KTW von seinem Wohnort zur Chemotherapie und zurück, die der Versicherte in Anspruch nahm.

3Am beantragte der R-Kreis für den Versicherten die Fahrkostenübernahme bei der Beklagten. Diese lehnte eine nachträgliche Genehmigung für die Zeit bis zur Beantragung trotz der ausdrücklich vom Onkologen bescheinigten Erforderlichkeit der Beförderung im Tragestuhl unter Nutzung einer Sauerstoffinhalationseinheit ab, da die Kostenübernahme vorher hätte beantragt werden müssen (Bescheid vom ). Die zunächst für die Zeit vom 1.12. bis gewährte Fahrkostenübernahme (Bescheid vom ) korrigierte die Beklagte auf den Zeitraum vom 23.11. bis (Bescheid vom ), hielt aber für den Zeitraum vom 30.7. bis an ihrer Ablehnung fest (Widerspruchsbescheid vom ).

4Der R-Kreis forderte vom Versicherten nach dessen Angaben für die in der Zeit vom 30.7. bis durchgeführten 11 Transporte je 440,50 Euro, insgesamt 4845,50 Euro.

5Das SG hat die Klage abgewiesen und ua ausgeführt, der Versicherte sei keiner wirksamen Forderung des Transportunternehmens ausgesetzt, weil dieses auf die Vergütungsansprüche gegen die Beklagte beschränkt sei (Urteil vom ). Zwischenzeitlich hat das Verwaltungsgericht Köln die Rechtmäßigkeit der Gebührenforderung des R-Kreises gegen den Versicherten für den Transport am in Höhe von 440,50 Euro rechtskräftig bestätigt (Urteil vom - 22 K 3772/22 - juris). Im Berufungsverfahren hat die Klägerin die Klageforderung einschließlich Zinsen auf insgesamt 5619,72 Euro beziffert. Hiervon seien bereits 650 Euro durch monatliche Zahlungen beglichen.

6Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen: Die Klägerin sei als Sonderrechtsnachfolgerin prozessführungsbefugt. Für den geltend gemachten Anspruch fehle es aber an der nach § 60 Abs 1 Satz 4 SGB V erforderlichen vorherigen Genehmigung durch die Beklagte, auch wenn die übrigen Voraussetzungen für die Fahrkostenübernahme abzüglich eines Eigenanteils von 110 Euro erfüllt seien. Die Genehmigung werde für Krankentransporte (KTe) nicht nach § 60 Abs 1 Satz 5 SGB V gesetzlich fingiert. Das ergebe sich aus dem Gesetzeswortlaut, der zwischen KTen und Krankenfahrten differenziere, sowie aus der Gesetzesbegründung und dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass es dem Versicherten nicht möglich und zumutbar gewesen sei, die Verordnung rechtzeitig vor Beginn der KTe bei der Beklagten vorzulegen. Der Klägerin seien die Kosten auch nicht aufgrund des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu gewähren, da dieser neben dem - auch die Freistellung von Kosten umfassenden - Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V keine Anwendung finde (Urteil vom ).

7Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung des § 60 Abs 1 SGB V. Der Begriff der "Krankenfahrten" iS von § 60 Abs 1 Satz 5 SGB V sei als Oberbegriff zu verstehen, der sich auf alle Patientenfahrten beziehe ohne Rücksicht auf das Transportmittel. Auch in § 60 Abs 2 und 3 SGB V werde nicht zwischen Fahrkosten und Transportkosten unterschieden. Bundesrechtliche Vorschriften könnten durch die untergesetzliche Krankentransport-Richtlinie (KT-RL) keine andere Auslegung erfahren. Zudem sei die Berufung auf das Antragserfordernis rechtsmissbräuchlich, wenn die Genehmigung bei unterstelltem vorherigen Antrag hätte erteilt werden müssen. Der Versicherte sei nicht über das Erfordernis einer Genehmigung informiert worden und habe bereits zuvor ohne vorherige Genehmigung Transporte im KTW zu Lasten der Beklagten in Anspruch genommen.

10Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Gründe

11Die Revision der Klägerin ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Die Klägerin kann den Kostenerstattungs- und Kostenfreistellungsanspruch als Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten geltend machen (hierzu 1.). Anspruchsgrundlage hierfür ist § 60 Abs 1 Satz 1, Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB V (hierzu 2.). Die Voraussetzungen dieses Anspruchs sind für die durchgeführten KTe des Versicherten in der Zeit vom bis dem Grunde nach erfüllt (hierzu 3.). Über die Höhe des Anspruchs kann der Senat nicht abschließend entscheiden (hierzu 4.).

121. Die Klägerin ist Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten und als solche prozessführungsbefugt. Nach § 56 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB I stehen beim Tod des Berechtigten fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen an erster Stelle dem Ehegatten zu, wenn dieser mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat. So lag es bei der Klägerin. Ansprüche auf Erstattung oder Freistellung von Kosten sind auf "laufende Geldleistungen" iS dieser Vorschrift gerichtet, wenn sie - wie vorliegend - über einen längeren Zeitraum hinweg selbst finanzierte Leistungen betreffen. Diese Auslegung entspricht dem Schutzzweck des § 56 SGB I. Es beschränkt in aller Regel die Lebensführung nicht nur des Leistungsberechtigten, sondern aller Familienangehörigen, die mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn Ansprüche auf laufende Geldleistungen nicht rechtzeitig erfüllt werden (vgl Entwurf der Bundesregierung, BT-Drucks 7/868 S 33 zu den §§ 56 bis 59). Das gilt in gleicher Weise regelmäßig für die Fälle, in denen die KK ihre Pflicht zur Naturalleistungsgewährung (§ 2 Abs 2 und § 13 Abs 1 SGB V) oder "Kostenübernahme" (§ 60 Abs 1 Satz 1 SGB V) nicht erfüllt und der Versicherte deshalb die zu beanspruchenden Leistungen selbst finanziert und später Kostenerstattung oder Freistellung von Kosten von der KK begehrt (vgl - BSGE 111, 137 = SozR 4-2500 § 13 Nr 25, RdNr 11). Die Ansprüche auf laufende Geldleistungen werden nach § 41 SGB I mit ihrem Entstehen fällig.

132. Anspruchsgrundlage für die geltend gemachten Kostenfreistellungs- und -erstattungsansprüche ist § 60 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB V. Ein Rückgriff auf die Regelungen über die naturalleistungsersetzende Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 SGB V scheidet dann aus, wenn die Kostenerstattung und -freistellung keine Sachleistung ersetzt (vgl - SozR 4-2500 § 60 Nr 5 RdNr 16; - SozR 4-2500 § 60 Nr 7 RdNr 9). So liegt der Fall auch hier. Die KTe wurden durch den R-Kreis als Träger eines Rettungs- und Krankentransportdienstes erbracht, dessen Leistungsentgelte gemäß § 133 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 SGB V durch landesrechtliche oder kommunalrechtliche Bestimmungen festgelegt werden, ohne dass vertragliche Beziehungen zwischen diesem und der Beklagten bestanden. In diesen Fällen ist der Anspruch auf Übernahme von Fahrkosten für KTe in einem KTW nicht auf eine Sachleistung gerichtet, sondern auf den Ausgleich bzw Übernahme notwendiger finanzieller Aufwendungen des Versicherten, die dieser direkt gegenüber dem Träger des Rettungs- und Krankentransportdienstes zu leisten hat (aA - juris RdNr 55 f).

14Der Anspruch auf Kostenübernahme für KTe nach § 60 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB V ist zwar in der Regel auf eine Sach- oder Naturalleistung gerichtet. Denn soweit das SGB V oder das SGB IX nichts Abweichendes vorsehen, ist die KK nach § 2 Abs 2 Satz 1 SGB V grundsätzlich verpflichtet, ihren Versicherten die Leistungen als Sach- und Dienstleistung zur Verfügung zu stellen, ohne sie mit Kosten zu belasten. Allerdings spricht § 60 Abs 1 Satz 1 SGB V selbst nur von der Übernahme von Kosten. Deshalb ist der Anspruch nach ständiger Rechtsprechung des Senats jedenfalls dann nicht auf eine Sachleistung, sondern auf die "Kosten" als Ausgleich der entstandenen notwendigen finanziellen Aufwendungen selbst gerichtet, wenn die Fahrten von vornherein der KK nicht als "eigene" bzw eigenorganisierte Naturalleistung zugerechnet werden können, wie zB Fahrten des Versicherten im privaten PKW oder die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel (vgl - SozR 4-2500 § 60 Nr 7 RdNr 9 mwN).

15Bestehen in den Fällen des § 133 Abs 2 Satz 1 SGB V keine vertraglichen Beziehungen zwischen der KK und dem öffentlich-rechtlich organisierten Rettungsdienst, können dessen Leistungen der KK nicht als eigenorganisierte Naturalleistung zugerechnet werden. Es fehlt dann an der von § 2 Abs 2 Satz 3 SGB V vorgesehenen vertraglichen Einbindung in das Sachleistungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Das ergibt sich aus dem Wortlaut (hierzu a) und dem Zweck von § 133 SGB V (hierzu b) sowie aus systematischen Erwägungen (hierzu c).

16a) Nach § 133 Abs 2 SGB V können die KKn, wenn die Entgelte für die Inanspruchnahme von Leistungen des Rettungsdienstes durch landes- oder kommunalrechtliche Bestimmungen festgelegt werden, unter bestimmten Voraussetzungen "ihre Leistungspflicht zur Übernahme der Kosten auf Festbeträge an die Versicherten" beschränken. Während Sachleistungen ausschließlich im Verhältnis zwischen der KK und dem Leistungserbringer vergütet werden, erfolgt nach dem Wortlaut des § 133 Abs 2 SGB V die Kostenübernahme "an die Versicherten". Das umfasst die Möglichkeiten der Kostenübernahme durch die Erstattung bereits aufgewandter Kosten wie auch die Freistellung von Kostenverpflichtungen des Versicherten. Die Formulierung ist aber eindeutig allein auf den Ausgleich zwischen der KK und den Versicherten und damit gerade nicht auf eine Sachleistung gerichtet.

17b) Diese Auslegung entspricht auch dem Gesetzeszweck. § 133 Abs 1 Satz 1 SGB V stellt die grundsätzliche Verpflichtung der KK oder ihrer Landesverbände, Verträge über die Vergütung von Krankentransportleistungen zu schließen, unter den Vorbehalt landes- oder kommunalrechtlicher Regelungen. Damit wird ausdrücklich die Landeskompetenz zur Regelung von Rettungsdiensten nach Art 70 Abs 1 GG respektiert (vgl hierzu - SozR 3-2500 § 60 Nr 5 S 28 = juris RdNr 12). In der Gesetzesbegründung zu der Regelung des § 133 Abs 2 SGB V ist hierzu ausgeführt, dass die Gewährleistung eines leistungsfähigen Rettungsdienstes in die Zuständigkeit der Länder falle. "Sie haben hierfür sachgerechte Regelungen getroffen, die die Kostenträger und die Leistungsträger einbeziehen. Für hiervon abweichende Vereinbarungen der Krankenkassen oder ihrer Verbände auf dem Gebiete des Rettungsdienstes ist daher kein Raum" (Entwurf eines Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen - dort war die Regelung noch für § 142 SGB V vorgesehen -, BT-Drucks 11/2493 S 20; BT-Drucks 11/3320 S 89; BT-Drucks 11/3480 S 40, in der Gesetz gewordenen Fassung unverändert in § 133 Abs 2 SGB V normiert).

18c) Systematische Erwägungen bestätigen die Auslegung. Grundsätzlich werden die Leistungen der GKV als Dienst- oder Sachleistungen erbracht (§ 2 Abs 1 Satz 1, Abs 2 Satz 1, § 13 Abs 1 SGB V). Dazu sind nach § 2 Abs 2 Satz 3 SGB V Verträge der KKn mit den Leistungserbringern vorgesehen. Ohne die Möglichkeit abweichend von landes- und kommunalrechtlichen Bestimmungen Vereinbarungen treffen zu können, kann es sich nicht um eigenorganisierte Naturalleistungen der KKn handeln. Durch vertragliche Verpflichtungen haben die KKn die Möglichkeit, die Leistungserbringer an Vorgaben zu binden und sie in das Leistungserbringungssystem einzubeziehen. Sie kann dadurch die Leistungserbringer nach Qualität und Wirtschaftlichkeit und unter Berücksichtigung von § 2 Abs 3 SGB V auswählen und überwachen. Werden hingegen - wie hier - die Entgelte für die Inanspruchnahme der Rettungsdienst- und Krankentransportleistungen allein durch landes- oder kommunalrechtliche Bestimmungen festgelegt, haben die KKn außerhalb der ihnen ggf landesrechtlich eingeräumten Beteiligungsrechte (vgl nur § 14 des nordrhein-westfälischen Gesetzes über den Rettungsdienst sowie die Notfallrettung und den Krankentransport durch Unternehmer) keine rechtliche Möglichkeit auf die Erbringung, Vergütung oder Abrechnung der Krankentransportleistungen Einfluss zu nehmen.

193. Die Voraussetzungen für den Anspruch auf Kostenübernahme nach § 60 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB V sind für die durchgeführten KTe des Versicherten in der Zeit vom bis dem Grunde nach erfüllt. Die Transporte des Versicherten in einem KTW waren aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig (hierzu a). Einer vorherigen Genehmigung bedurfte es hier nicht. Zwar ist eine vorherige Genehmigung der KK grundsätzlich für KTe zur ambulanten Behandlung notwendig (hierzu b), und auf diese Transporte findet die Genehmigungsfiktion nach § 60 Abs 1 Satz 5 SGB V keine Anwendung (hierzu c). Der Kostenübernahmeanspruch hängt dem Grunde nach auch nicht davon ab, ob eine vorherige Genehmigung der KK aufgrund der Voraussetzungen des § 60 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB V entbehrlich war (hierzu d). Die KK darf dem Versicherten das Fehlen einer Genehmigung nicht entgegenhalten, wenn alle anderen Anspruchsvoraussetzungen vorliegen und sie die notwendigen KTe nicht als eigene Leistung im Rahmen des Sachleistungssystems erbringt (hierzu e).

20a) Die Transporte des Versicherten in einem KTW waren aus zwingenden medizinischen Gründen in der Zeit vom 30.7. bis zum zweimal wöchentlich notwendig. Dem liegen die den Senat nach § 163 SGG bindenden Feststellungen des LSG zugrunde. Darüber streiten die Beteiligten auch nicht. Vielmehr gewährte die Beklagte die Kostenübernahme für die KTe des Versicherten für die Zeit ab und begründete ihre Ablehnung für die Zeit davor allein mit der mangels Antrags fehlenden vorherigen Genehmigung.

21b) Eine vorherige Genehmigung der KK ist für einen KT zur ambulanten Behandlung grundsätzlich notwendig. Nach § 60 Abs 1 Satz 4 SGB V erfolgt die Übernahme von Fahrkosten nach § 60 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB V für Fahrten zur ambulanten Behandlung nur nach vorheriger Genehmigung durch die KK. Die mit dem Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz - GKV-VSG - vom , BGBl I 1211) eingefügte Regelung stellt ausdrücklich auch KTe nach § 60 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB V unter den Vorbehalt einer vorherigen Genehmigung durch die KK, soweit es sich um Fahrten zur ambulanten Behandlung handelt.

22c) Eine Genehmigung ist nicht aufgrund der gesetzlichen Fiktion nach § 60 Abs 1 Satz 5 Nr 1 und 2 SGB V entbehrlich. Zwar erfüllte der Versicherte schon durch das Merkzeichen "aG" im Schwerbehindertenausweis die persönlichen Voraussetzungen. Die gesetzliche Genehmigungsfiktion gilt jedoch nur "für Krankenfahrten" und ist auf KTe iS von § 60 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB V nicht anwendbar.

23Gemäß § 60 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB V sind KTe Fahrten von Versicherten, die während der Fahrt einer fachlichen Betreuung oder der besonderen Einrichtungen eines Krankenkraftwagens bedürfen oder bei denen dies aufgrund ihres Zustandes zu erwarten ist. Davon abweichend spricht § 60 Abs 1 Satz 5 SGB V lediglich von "Krankenfahrten" zur ambulanten Behandlung. Der Zusammenhang der Legaldefinition für KT zu dem davon abweichenden Begriff der Krankenfahrten nach § 60 Abs 1 Satz 5 SGB V spricht dafür, dass es sich bei den beiden Begriffen - jedenfalls soweit es um Fahrkosten nach § 60 SGB V geht - um gegeneinander abzugrenzende Begriffe handelt. Nach der Gesetzesbegründung findet die Genehmigungsfiktion auf KTe ausdrücklich keine Anwendung (BR-Drucks 376/18, S 77; BT-Drucks 19/4453, S 72; BT-Drucks 19/5593, S 115). Dafür spricht auch der Zweck der Genehmigungsfiktion. Diese wurde mit dem Gesetz zur Stärkung des Pflegepersonals (Pflegepersonal-Stärkungsgesetz - PpSG, BGBl I 2394) vom mit Wirkung zum in die Vorschrift eingefügt, um den bürokratischen Aufwand des Genehmigungsverfahrens für Versicherte zu reduzieren, denen bisher - für Fahrten zur ambulanten Behandlung in einem besonderen Ausnahmefall nach § 60 Abs 1 Satz 3 SGB V iVm der KT-RL - in der Regel ohnehin eine Genehmigung zur Kostenübernahme erteilt wurde. Bei Vorliegen der in § 60 Abs 1 Satz 5 Nr 1 bis 3 SGB V genannten Voraussetzungen leiden die Versicherten regelmäßig an erheblichen Mobilitätseinschränkungen, sodass sie im Regelfall auf Krankenfahrten iS des § 7 KT-RL angewiesen sind. Die zur Genehmigungsfiktion führenden Tatbestände indizieren aber nicht zugleich die Notwendigkeit eines KT unter fachlicher Betreuung oder in einem KTW. Die Erstreckung der Genehmigungsfiktion auf KTe würde daher dem Gesetzeszweck der Vermeidung unnötigen bürokratischen Aufwands nicht gerecht werden.

24Entsprechend rechnet § 7 Abs 1 Satz 1 KT-RL (in den hier maßgeblichen Fassungen der KT-RL vom und vom ) nur solche Fahrten zu den "Krankenfahrten", die mit öffentlichen Verkehrsmitteln, privaten Kraftfahrzeugen, Mietwagen oder Taxen durchgeführt werden, während KTe nach § 6 Abs 1 Satz 1 KT-RL nur verordnet werden dürfen, wenn Patientinnen oder Patienten während der Fahrt einer fachlichen Betreuung oder der besonderen Einrichtungen des KTW bedürfen oder deren Erforderlichkeit aufgrund ihres Zustandes zu erwarten ist.

25d) Mangels Feststellungen, die das LSG nach seiner Rechtsauffassung folgerichtig nicht getroffen hat, kann der Senat allerdings nicht entscheiden, ob es sich bei den Fahrten des Versicherten um solche nach § 60 Abs 2 Nr 4 SGB V gehandelt hat: Also um Fahrten zur ambulanten Behandlung, durch die eine an sich gebotene vollstationäre oder teilstationäre Krankenhausbehandlung vermieden oder verkürzt wurde oder diese nicht ausführbar war. Sollte es sich um solche Fahrten gehandelt haben, wäre eine vorherige Genehmigung schon deshalb nicht erforderlich gewesen.

26e) Im anderen Fall gilt: Das Genehmigungserfordernis für KTe zur ambulanten Behandlung gemäß § 60 Abs 1 Satz 4 SGB V bedarf einer teleologischen Reduktion, soweit die KK den notwendigen KT iS von § 60 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB V wegen vorgreiflicher öffentlich-rechtlicher Bestimmungen nicht als eigenorganisierte Sachleistung erbringen kann. In diesen Fällen darf einem Versicherten das Fehlen einer vorherigen Genehmigung auch außerhalb des Anwendungsbereichs von § 60 Abs 2 Nr 4 SGB V nicht entgegengehalten werden, wenn ansonsten alle Voraussetzungen zur Kostenübernahme für einen KT vorliegen. Denn eine vorherige Genehmigung durch die KK kann in diesen Fällen ihrem grundsätzlichen krankenversicherungsrechtlichen Zweck nicht gerecht werden.

27Das Genehmigungserfordernis zur Kostenübernahme für Fahrten zur ambulanten Behandlung nach § 60 Abs 1 Satz 4 SGB V gibt der KK die Möglichkeit vorab zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme vorliegen. Das schafft vor Fahrtantritt Rechtssicherheit für Versicherte und Leistungserbringer. Mit einer Genehmigung der KK kann der Versicherte grundsätzlich Leistungserbringer ohne eigenes Kostenrisiko in Anspruch nehmen und diese dürfen die genehmigte Transportleistung grundsätzlich zu Lasten der KK erbringen. Die KKn werden dadurch vor einer unberechtigten Inanspruchnahme von Leistungen geschützt, deren Vergütung sie im Rahmen des Sachleistungssystems ggf gegenüber dem Leistungserbringer zu tragen hätten.

28Müssen Versicherte allerdings - weil ausnahmsweise das Sachleistungsprinzip nicht greift - ohnehin mit den Kosten in Vorleistung treten, wirkt sich das Erfordernis einer vorherigen Genehmigung lediglich zu ihren Gunsten aus. Für die in den landesrechtlich organisierten Rettungsdienst integrierten Erbringer von KTen steht der Gebührenschuldner aufgrund der dort geregelten Bestimmungen ohnehin fest. Das ist nach § 3 der Satzung für den Rettungsdienst des R-Kreises sowohl der Benutzer als auch der Besteller. Benutzer des Rettungsdienstes ist, wer mit einem Einsatzfahrzeug transportiert wird oder unter Inanspruchnahme von Einrichtungen oder Personal des Rettungsdienstes behandelt oder versorgt wird. Besteller ist, wer Einrichtungen des Rettungsdienstes über die Feuer- und Rettungsleitstelle anfordert. Der Besteller wird nur in Fällen der böswilligen Alarmierung des Rettungsdienstes als Gebührenschuldner in Anspruch genommen. Benutzer des Rettungsdienstes war hier der verstorbene Versicherte. Es besteht auch keine Befugnis der KK, ihre Versicherten aus Gründen besserer Geeignetheit oder Wirtschaftlichkeit auf andere Transportunternehmen zu verweisen.

29Der Zweck des Genehmigungsvorbehalts reduziert sich in diesen Fällen darauf, den Versicherten Rechtssicherheit in Bezug auf die Kostenübernahme durch die KK zu bieten. Dieser Schutzzweck zugunsten der Versicherten würde aber geradezu ins Gegenteil verkehrt, wenn ihnen die fehlende Genehmigung nachträglich auch dann entgegengehalten werden könnte, wenn ansonsten alle Leistungsvoraussetzungen vorliegen. Die Möglichkeit der KK zu prüfen, ob die (übrigen) Voraussetzungen für eine Kostenübernahme vorliegen, bleibt uneingeschränkt bestehen. Wer ohne die erforderliche Genehmigung Fahrten zur ambulanten Behandlung antritt, trägt das Risiko des Vorliegens aller materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen. Das Erfordernis einer vorherigen Genehmigung stellt dann allerdings eine ihren Zweck verfehlende, rein formale Voraussetzung des materiell-rechtlich bestehenden Anspruchs auf Kostenübernahme dar. Nach § 2 Abs 2 Halbsatz 2 SGB I ist aber grundsätzlich sicherzustellen, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden. Danach soll insbesondere die Durchsetzung materiell-rechtlich bestehender sozialer Rechte nicht ohne hinreichende Gründe an rein formalen Bedingungen scheitern. Nach der Rechtsprechung des BSG erfolgt die Verwirklichung sozialer Rechte weitgehend durch das Verwaltungsverfahren. Die bestehenden Vorschriften und Rechtsgrundsätze sind danach im Zweifel so anzuwenden, dass den Schwierigkeiten des Bürgers im Umgang mit dem Recht und der Verwaltung hinreichend Rechnung getragen wird (vgl - BSGE 51, 89, 95 = SozR 2200 § 381 Nr 44 S 122 = juris RdNr 33, dort im Zusammenhang mit dem Herstellungsanspruch; - SozR 1200 § 14 Nr 13 S 22 f = juris RdNr 18; - BSGE 131, 297 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4115 Nr 1, RdNr 19 mwN zum Schrifttum, s auch RdNr 29 zur fehlenden Eigenschaft einer eigenständigen Auslegungsmethode; vgl auch BeckOGK/Spellbrink, Stand: , SGB I § 2 RdNr 21). Um diesem gesetzlichen Auftrag gerecht zu werden und die Verwirklichung des materiell-rechtlichen Anspruchs des Versicherten sicherzustellen, ist in diesen Fällen eine teleologische Reduktion des Genehmigungsvorbehalts geboten.

304. Zur Höhe des Kostenerstattungs- und -freistellungsanspruchs der Klägerin fehlen hinreichende Feststellungen des LSG. Zwar beantragt die Klägerin im Revisionsverfahren nur noch Kostenerstattung in Höhe von 650 Euro zuzüglich Stundungszinsen und Kostenfreistellung in Höhe von 4195,50 Euro. Auch insoweit fehlt es aber - nach der Rechtsauffassung des LSG konsequent - an hinreichenden Feststellung sowohl zu den anzuerkennenden Kosten nach § 60 Abs 3 Nr 3 iVm § 133 SGB V als auch bezüglich der in Abzug zu bringenden Zuzahlung (§ 60 Abs 2 SGB V, § 61 Satz 1 SGB V).

31Zur Berechnung der vom Versicherten gemäß § 61 Satz 1 SGB V zu leistenden Zuzahlung wird das LSG auch noch festzustellen haben, ob durch die Fahrten des Versicherten zur ambulanten Behandlung eine an sich gebotene vollstationäre oder teilstationäre Krankenhausbehandlung (§ 39 SGB V) vermieden oder verkürzt worden ist oder ob diese nicht ausführbar war (§ 60 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB V). In diesem Fall werden die Fahrkosten "wie bei einer stationären Krankenhausbehandlung" übernommen, dh die Zuzahlung des Versicherten wäre für die gesamte ambulante Chemotherapie auf die erste und letzte Fahrt beschränkt (vgl hierzu - SozR 4-2500 § 60 Nr 7 RdNr 16).

325. Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorbehalten.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2025:200225UB1KR724R0

Fundstelle(n):
SAAAJ-91784