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BGH Beschluss v. - StB 4 - 6/25, StB 4/25, StB 5/25, StB 6/25

Gründe

I.

1Vor dem 1. Strafsenat des Kammergerichts ist ein Verfahren gegen die drei Beschwerdeführer und einen weiteren Mitangeklagten wegen des Vorwurfs der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB anhängig. Der Generalbundesanwalt legt den vier Angeklagten mit der Anklageschrift vom im Wesentlichen zur Last, sich in Deutschland als sogenannte Auslandsoperateure der primär im palästinensischen Gazastreifen agierenden islamistischen HAMAS an der Suche nach einem versteckten Waffendepot in Polen beteiligt und damit als Mitglieder dieser militant-extremistischen Vereinigung an deren Aktivitäten mitgewirkt zu haben (vgl. insofern BGH, Beschlüsse vom – AK 71/24, juris Rn. 8 ff.; vom – AK 53-55/24, juris Rn. 8 ff.; vom – StB 25/24, Rn. 8 ff.; vom – StB 20/24, Rn. 8 ff.). Das Kammergericht hat die Anklage mit Beschluss vom zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Die Hauptverhandlung soll am beginnen; es sind 64 Hauptverhandlungstermine bis zum bestimmt worden.

2Den in Untersuchungshaft befindlichen Beschwerdeführern sind im Dezember 2023 (Angeklagter B.               ), Januar 2024 (Angeklagter A.     ) beziehungsweise Februar 2024 (Angeklagter R.         ) jeweils ein Pflichtverteidiger beigeordnet worden, die weiterhin als solche im Verfahren tätig sind. Mit Beschlüssen vom (1 St 2/24) hat die Vorsitzende des 1. Strafsenats des Kammergerichts Anträge der Angeklagten, ihnen gemäß § 144 Abs. 1 StPO einen zweiten Pflichtverteidiger beizuordnen, abgelehnt. Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren sofortigen Beschwerden vom (R.         ), (B.            ) und (A.     ). Der Generalbundesanwalt hat mit Zuschrift an den Senat vom beantragt, die Rechtsmittel als unbegründet zu verwerfen.

II.

3Die sofortigen Beschwerden sind gemäß § 142 Abs. 7 Satz 1, § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 StPO statthaft (vgl. BGH, Beschlüsse vom – StB 17/24, juris Rn. 7; vom – StB 5/22, juris Rn. 7; vom – StB 23/20, NJW 2020, 3736 Rn. 7) und auch im Übrigen zulässig (§ 306 Abs. 1, § 311 Abs. 1 und 2 StPO).

4Insbesondere lässt sich im Gesamtzusammenhang den Beschwerdeschriften der Verteidiger der Angeklagten R.            und B.              hinreichend entnehmen, dass die Rechtsmittel für die – allein beschwerdeberechtigten (vgl. BGH, Beschlüsse vom – StB 17/24, juris Rn. 7; vom – StB 5/22, juris Rn. 8 f.; vom – StB 23/20, NJW 2020, 3736 Rn. 7, 9) – Angeklagten eingelegt worden sind. Als eigene Beschwerde eines bereits bestellten Pflichtverteidigers wäre ein Rechtsmittel nicht statthaft, weil die Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers allein der Sicherung der zügigen Durchführung des Verfahrens dient, nicht aber zugleich im Eigeninteresse des schon tätigen Pflichtverteidigers – etwa zur Reduzierung der mit seiner Tätigkeit verbundenen Arbeitsbelastung – erfolgt, so dass dieser durch das Unterbleiben der Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers nicht im rechtlichen Sinne beschwert ist (vgl. insofern BGH, Beschlüsse vom – StB 12/22, juris Rn. 7; vom – StB 5/22, juris Rn. 8). Jedoch kann ein Verteidiger gemäß § 297 StPO Rechtsmittel für einen Beschuldigten im eigenen Namen einlegen; für ein solches Verständnis eines vom Verteidiger eingelegten Rechtsmittels streitet eine Regelvermutung (BGH, Beschlüsse vom – StB 5/22, juris Rn. 8; vom – 4 StR 149/16, BGHSt 61, 218 Rn. 7). Hier lassen zudem die mit den Beschwerdeschriften vorgebrachten Argumente, die jedenfalls überwiegend auf die Interessen der Angeklagten und nicht auf persönliche Belange des jeweiligen Verteidigers bezogen sind, erkennen, dass sämtliche Beschwerden von den Pflichtverteidigern für die Angeklagten eingelegt worden und damit deren Rechtsmittel sind. Die Beschwerdeschrift des Verteidigers des Angeklagten A.      führt überdies explizit aus, dass das Rechtsmittel im Namen des Angeklagten erhoben wird.

III.

5Die Rechtsmittel sind jedoch unbegründet. Die Entscheidungen der gemäß § 142 Abs. 3 Nr. 3 StPO zuständigen Vorsitzenden des 1. Strafsenats des Kammergerichts, die Anträge der Beschwerdeführer auf Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers abzulehnen, halten der Überprüfung stand.

61. Zum Prüfungsmaßstab und zu den Voraussetzungen für die Bestellung eines zusätzlichen Pflichtverteidigers gilt:

7a) Das Rechtsmittelgericht nimmt bei der Entscheidung über die sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der Bestellung eines zusätzlichen Pflichtverteidigers durch das erkennende Gericht keine eigenständige Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 144 Abs. 1 StPO vor und übt kein eigenes Ermessen auf der Rechtsfolgenseite aus, sondern kontrolliert die angefochtene Entscheidung lediglich im Rahmen einer Vertretbarkeitsprüfung dahin, ob der Vorsitzende seinen Beurteilungsspielraum und die Grenzen seines Entscheidungsermessens überschritten hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom – StB 47/24, NStZ-RR 2024, 354, 355; vom – StB 17/24, NStZ 2024, 502 Rn. 10; vom – StB 12/22, juris Rn. 8, 13; vom – StB 5/22, NStZ 2022, 696 Rn. 18; vom – StB 23/20, BGHSt 65, 129 Rn. 17 f.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 144 Rn. 12).

8b) Nach der Vorschrift des § 144 Abs. 1 StPO können in Fällen der notwendigen Verteidigung einem Beschuldigten zu seinem Wahl- oder (ersten) Pflichtverteidiger „bis zu zwei weitere Pflichtverteidiger zusätzlich“ bestellt werden, „wenn dies zur Sicherung der zügigen Durchführung des Verfahrens, insbesondere wegen dessen Umfang oder Schwierigkeit, erforderlich ist“. Die Beiordnung eines zusätzlichen Pflichtverteidigers ist somit nicht schon dann geboten, wenn sie eine das weitere Verfahren sichernde Wirkung hat, also grundsätzlich zur Verfahrenssicherung geeignet ist. Vielmehr muss die Bestellung eines weiteren Verteidigers zum Zeitpunkt ihrer Anordnung zur Sicherung der zügigen Verfahrensdurchführung notwendig sein (BGH, Beschlüsse vom – StB 17/24, NStZ 2024, 502 Rn. 11; vom – StB 12/22, juris Rn. 10; vom – StB 5/22, NStZ 2022, 696 Rn. 13; vom – StB 23/20, BGHSt 65, 129 Rn. 13).

9Die Bestellung eines zusätzlichen Pflichtverteidigers ist daher lediglich in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht zu ziehen. Ein derartiger Fall ist nur anzunehmen, wenn hierfür – etwa wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit der Sache – ein unabweisbares Bedürfnis besteht, um eine sachgerechte Wahrnehmung der Rechte des Angeklagten sowie einen ordnungsgemäßen und dem Beschleunigungsgrundsatz entsprechenden Verfahrensverlauf zu gewährleisten (BGH, Beschlüsse vom – StB 47/24, NStZ-RR 2024, 354, 355; vom – StB 17/24, NStZ 2024, 502 Rn. 12).

10Von einer solchen Notwendigkeit ist auszugehen, wenn sich die Hauptverhandlung voraussichtlich über einen besonders langen Zeitraum erstreckt und zu ihrer regulären Durchführung sichergestellt werden muss, dass auch bei dem Ausfall eines Verteidigers weiterverhandelt werden kann, oder der Verfahrensstoff so außergewöhnlich umfangreich oder rechtlich komplex ist, dass er nur bei arbeitsteiligem Zusammenwirken mehrerer Verteidiger in der zur Verfügung stehenden Zeit durchdrungen und beherrscht werden kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom – StB 47/24, NStZ-RR 2024, 354, 355; vom – StB 17/24, NStZ 2024, 502 Rn. 13; vom – StB 12/22, juris Rn. 12; vom – StB 5/22, NStZ 2022, 696 Rn. 16; vom – StB 23/20, BGHSt 65, 129 Rn. 14 mwN; s. auch BT-Drucks. 19/13829 S. 49 f.).

112. Hieran gemessen ist die Annahme der Vorsitzenden des mit der Sache befassten 1. Strafsenats des Kammergerichts, die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers gemäß § 144 Abs. 1 StPO lägen nicht vor, vertretbar. Mit dieser Beurteilung hat sie die Grenzen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums noch nicht überschritten.

12a) Die Vorsitzende des Strafsenats hat annehmen dürfen, die Bestellung eines jeweils zweiten Pflichtverteidigers sei nicht wegen besonderen Umfangs des Verfahrens erforderlich. Zwar ist der Aktenumfang mit über 100 Aktenordnern beträchtlich und steht, wie schon die gegenwärtige Terminierung bis Ende 2025 deutlich macht, eine umfangreiche Beweisaufnahme an vielen Hauptverhandlungstagen zu erwarten. Indes sind die mit der Anklageschrift erhobenen Vorwürfe in tatsächlicher Hinsicht überschaubar und haben die bestellten Pflichtverteidiger, die den Angeklagten jeweils kurz nach deren Verhaftung beigeordnet worden sind, bereits etliche Monate Zeit gehabt, sich mit dem Verfahrensgegenstand und den im Ermittlungsverfahren erlangten Erkenntnissen vertraut zu machen.

13b) Ein jeweils zweiter Pflichtverteidiger für die Beschwerdeführer ist auch nicht wegen besonderer rechtlicher Komplexität des Verfahrens geboten. Die Einschätzung der Senatsvorsitzenden, die inmitten stehenden Rechtsfragen seien nicht von solcher Schwierigkeit, dass ihre alleinige Durchdringung den bestellten Pflichtverteidigern nicht möglich oder nicht zumutbar wäre, erweist sich als rechtlich tragfähig, zumal es sich bei den bereits bestellten Verteidigern um erfahrene und mit Staatsschutzverfahren vertraute Fachanwälte für Strafrecht handelt.

14Der Tatvorwurf bezieht sich jeweils auf die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung und damit insbesondere nicht auf komplexe Rechtsvorschriften des Nebenstrafrechts oder internationalen Rechts. Zwar ist zur Einordnung der HAMAS als ausländische terroristische Vereinigung bislang keine Revisionsentscheidung des Bundesgerichtshofs ergangen (siehe aber zur vorläufigen Beurteilung im Rahmen von Haftfortdauerentscheidungen BGH, Beschlüsse vom – AK 71/24, juris Rn. 8 ff., 34 ff.; vom – AK 53-55/24, juris Rn. 8 ff., 36 ff.; vom – StB 25/24, Rn. 8 ff., 31 ff.; vom – StB 20/24, Rn. 8 ff., 27 ff.). Jedoch liegt zum rechtlichen Maßstab gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung vor (vgl. die diesbezüglichen Nachweise in den vorgenannten Entscheidungen) und sind die tatsächlichen Beurteilungsgrundlagen in weitem Umfang allgemeinkundig. Angesichts des wesentlich gegen Zivilpersonen gerichteten Vorgehens der HAMAS kommt es zudem entgegen dem Beschwerdevorbringen des Angeklagten A.      nicht darauf an, ob sich einzelne Akteure der HAMAS im bewaffneten Konflikt in der Levante auf ein völkerrechtliches „Kombattantenprivileg“ (vgl. insofern , BGHR StGB § 129b Rechtswidrigkeit 1) berufen könnten.

15c) Weiter ist angesichts des beschränkten Kontrollmaßstabs des Beschwerdegerichts nicht zu beanstanden, dass die Vorsitzende des 1. Strafsenats des Kammergerichts die Bestellung weiterer Pflichtverteidiger nicht als zur Verfahrenssicherung erforderlich erachtet hat.

16Zwar kann im Fall voraussichtlich besonders lang dauernder Hauptverhandlungen die Bestellung eines zweiten Pflichtverteidigers angezeigt sein, weil mit der Verfahrensdauer das Risiko eines längerfristigen Ausfalls des Verteidigers und damit der Notwendigkeit einer Aussetzung der Hauptverhandlung steigt. In Fällen einer absehbar außergewöhnlich langen Hauptverhandlung rechtfertigt sich die Beiordnung eines zusätzlichen Pflichtverteidigers zur Verfahrenssicherung aus der Erfahrung, dass sich bei einer derartigen Dauer der Hauptverhandlung die Wahrscheinlichkeit erhöht, ein Verteidiger könnte durch Erkrankung für einen längeren Zeitraum als durch Unterbrechungen nach § 229 StPO überbrückbar ausfallen (vgl. BGH, Beschlüsse vom – StB 5/22, NStZ 2022, 696 Rn. 23; vom – StB 23/20, BGHSt 65, 129 Rn. 23). Indes hat die Senatsvorsitzende dieses Risiko für überschaubar erachtet. Das begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Denn die bloß abstrakt-theoretische Möglichkeit eines späteren Ausfalls des Pflichtverteidigers gibt – außer in Fällen voraussichtlich ganz besonders langer Hauptverhandlungen – regelmäßig keinen Anlass zur Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers (BGH, Beschlüsse vom – StB 17/24, NStZ 2024, 502 Rn. 15; vom – StB 5/22, NStZ 2022, 696 Rn. 24; vom – StB 17/21, NJW 2021, 1894 Rn. 9). Der Verfahrensstoff ist nicht derart umfangreich und komplex, dass er eine außergewöhnlich lange Hauptverhandlungsdauer zur notwendigen Folge hat. Sollte es – wider Erwarten – doch zu einem längerfristigen Ausfall eines Pflichtverteidigers kommen, bestünde – jedenfalls grundsätzlich – die Möglichkeit, diesen gemäß § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Alternative 2 StPO zu entpflichten und statt seiner einen anderen Verteidiger – namentlich einen als Wahlverteidiger tätigen weiteren Verteidiger des betreffenden Angeklagten – zum Pflichtverteidiger zu bestellen (vgl. BGH, Beschlüsse vom – StB 63/24, NStZ-RR 2025, 54 Rn. 8 f.; vom – StB 17/24, NStZ 2024, 502 Rn. 15; vom – StB 44/22, NStZ-RR 2022, 380, 381; vom – StB 35/22, BGHR StPO § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Aufhebung 3 Rn. 4).

17d) Im Übrigen ist vor dem Hintergrund des Beschwerdevorbringens Folgendes zu bemerken:

18aa) Einzelne bereits absehbare terminliche Verhinderungen der bestellten Pflichtverteidiger gebieten keine Bestellung eines zweiten Pflichtverteidigers. Denn die Regelung des § 144 Abs. 1 StPO dient nicht dazu, eine Vertretung des Angeklagten durch jedenfalls einen Verteidiger an jedem Hauptverhandlungstag zu gewährleisten und mehreren Verteidigern zu ermöglichen, die Teilnahme an der Hauptverhandlung untereinander aufzuteilen. Grundsätzlich ist jeder Pflichtverteidiger von Rechts wegen gehalten, an allen Hauptverhandlungsterminen teilzunehmen; die Bestellung eines zweiten Verteidigers soll, sofern sie zur Verfahrenssicherung angeordnet wird, Vorsorge für einen unerwarteten längerfristigen Ausfall des ersten Pflichtverteidigers treffen (vgl. BGH, Beschlüsse vom – StB 63/24, NStZ-RR 2025, 54 Rn. 10; vom – StB 44/22, NStZ-RR 2022, 380, 381; vom – StB 35/22, BGHR StPO § 143a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Aufhebung 3 Rn. 9). Sofern absehbar ist, dass der bestellte Pflichtverteidiger in größerem Umfang gehindert ist, an der Hauptverhandlung teilzunehmen, ist dem grundsätzlich nicht mit der Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers zu begegnen, sondern ist der bisherige Verteidiger zu entpflichten und durch einen anderen, terminlich nicht verhinderten Pflichtverteidiger zu ersetzen (vgl. BGH, Beschlüsse vom – StB 63/24, NStZ-RR 2025, 54 Rn. 10; vom – StB 44/22, NStZ-RR 2022, 380, 381; vom – StB 35/22, BGHR StPO § 143a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Aufhebung 3 Rn. 9). Bei einer Verhinderung des Pflichtverteidigers an einzelnen wenigen Sitzungstagen kommt entgegen dem Beschwerdevorbringen des Angeklagten A.       , zuletzt mit Schriftsatz vom , zudem die – rechtlich statthafte (vgl. , juris Rn. 11; OLG Celle, Beschluss vom – 2 Ws 365/08, juris Rn. 12 f.; , juris Rn. 13; BeckOK StPO/Krawczyk, 54. Ed., § 144 Rn. 4; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 144 Rn. 4) – gerichtliche Bestellung eines sogenannten Terminvertreters für einzelne Hauptverhandlungstage in Betracht, gegebenenfalls zur Wahrung der Verfahrensfairness unter Änderung des vorgesehenen Beweisprogramms (zur rechtlichen Stellung des als „Terminvertreter“ für einen Hauptverhandlungstag beigeordneten Verteidigers zutreffend , juris Rn. 13; , NStZ-RR 2023, 159, 160). Zu Recht weisen die Beschwerdeführer, insbesondere der Pflichtverteidiger des Angeklagten A.        in seinem Schriftsatz vom , allerdings darauf hin, dass in einem umfangreichen Verfahren wie dem hiesigen an einem Sitzungstag, an dem ausnahmsweise ein für diesen bestellter Terminvertreter an Stelle des verhinderten regulären Pflichtverteidigers als Verteidiger tätig wird, Beweis nur insoweit erhoben werden darf, als dadurch das Recht des Angeklagten auf effektive Verteidigung nicht verletzt wird. Bei dem Beweisprogramm an einem solchen Sitzungstag ist in besonderem Maße Rücksicht darauf zu nehmen, dass ein bloßer Terminvertreter nur eingeschränkt mit dem Verfahrensstoff vertraut ist und an der vorangegangenen Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung nicht mitgewirkt hat.

19bb) Der Umstand, dass der 1. Strafsenat des Kammergerichts gemäß § 122 Abs. 2 Satz 2 GVG eine Besetzung in der Hauptverhandlung mit fünf Richtern beschlossen hat, ist vorliegend ohne Belang (vgl. BGH, Beschlüsse vom – StB 19/24, NStZ-RR 2024, 178, 179; vom – StB 17/24, NStZ 2024, 502 Rn. 17; vom – StB 35/22, NStZ-RR 2022, 353, 354). Denn wegen der unterschiedlichen Aufgaben von Gericht und Verteidigung in der Hauptverhandlung kann nicht schon aus dieser Besetzung des Spruchkörpers der Schluss gezogen werden, dass die Verteidigung in der Hauptverhandlung von einem Pflichtverteidiger allein nicht leistbar wäre. Hinzu kommt, dass das Verfahren gegen vier Angeklagte geführt wird, woraus ein erhöhter Aufwand für das Gericht, nicht aber in gleichem Umfang auch für die Verteidigung eines jeden Angeklagten resultiert.

20cc) Entsprechendes gilt für den von den Pflichtverteidigern der Angeklagten R.           und A.      vorgebrachten Umstand, dass ein Ergänzungsrichter an der Hauptverhandlung teilnehmen wird (vgl. , NStZ-RR 2021, 179). Insofern ist darauf hinzuweisen, dass ein unvorhergesehen an der weiteren Hauptverhandlungsteilnahme gehinderter Richter nicht unter Fortsetzung der Verhandlung durch einen anderen ersetzt werden kann, der an der bisherigen Hauptverhandlung nicht teilgenommen hat, während dies bei einem Verteidiger statthaft ist. Ohne Relevanz für eine Entscheidung nach § 144 Abs. 1 StPO ist zudem, mit welcher Personenzahl die Staatsanwaltschaft den Sitzungsdienst bestreitet. Denn für diese Entscheidung können andere als die in § 144 Abs. 1 StPO genannten Kriterien maßgeblich sein. Zudem haben Staatsanwaltschaft und Verteidigung in der Hauptverhandlung unterschiedliche Funktionen. Deshalb verlangt das Gebot der Verfahrensfairness nicht, dass die Zahl der Verteidiger eines jeden Angeklagten der Anzahl der an der Hauptverhandlung mitwirkenden Staatsanwälte entspricht (vgl. näher hierzu , NStZ 2022, 696 Rn. 22 mwN).

21dd) Der Pflichtverteidiger des Angeklagten B.               , der mit Schriftsätzen vom 5., 11., 14. und ergänzend vorgetragen hat, macht zudem geltend, es sei bei der Beurteilung des Arbeitsaufwandes für die Verteidigung nicht bedacht worden, dass er neben seiner Tätigkeit im hiesigen Verfahren noch weitere Verteidigungen übernehmen müsse, um ein hinreichendes Auskommen zu erzielen. Dieses Vorbringen verfängt nicht. Denn als Kompensation einer besonders umfänglichen Inanspruchnahme des Pflichtverteidigers sieht das Gesetz – worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat – die Bewilligung einer Pauschgebühr nach § 51 Abs. 1 RVG vor.

223. Nach alledem sind die sofortigen Beschwerden der Angeklagten mit der Kostenfolge des § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO als unbegründet zu verwerfen.

Schäfer                       Anstötz                       Kreicker

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:190225BSTB4.25.0

Fundstelle(n):
ZAAAJ-87892