Einkommensteuer/Verfahrensrecht | Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von Leibrenten und anderen Leistungen aus der Basisversorgung (BMF)
Das BMF hat zu der
Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von Leibrenten und anderen Leistungen aus
der Basisversorgung nach
§ 22 Nr. 1
Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG in zwei
BMF-Schreiben Stellung genommen ( und IV C 4 - S
2255/00236/011/001).
Hintergrund: Mit seinen Urteilen v. (Az. und ) hat der BFH umfassend zur Thematik der sogenannten „doppelten Besteuerung“ von Renten aus der Basisversorgung entschieden. In diesen Entscheidungen war der BFH - unter Bezugnahme auf ein Urteil des BVerfG aus dem Jahr 2002 () - davon ausgegangen, dass eine „doppelte Besteuerung“ in jedem Einzelfall und „auf den Euro genau“ zu vermeiden sei.
Mit Beschlüssen jeweils v. hat das BVerfG die gegen diese BFH-Entscheidungen erhobenen Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen (Az. und , s. hierzu Ermel, ). Das BVerfG hat dabei ausdrücklich ausgeführt, dass die vom BFH vertretene Sichtweise eines einzelfallbezogenen Verbots „doppelter Besteuerung“ jedenfalls nicht offensichtlich ist. Die vom BFH angeführte Rechtsprechung des BVerfG aus dem Jahr 2002, dass „in jedem Fall“ eine „doppelte Besteuerung zu vermeiden sei (ausführlich hierzu Nöcker, ), lässt sich vielmehr so deuten, dass der Gesetzgeber nur dazu angehalten werden sollte, eine strukturelle „doppelte Besteuerung“ von ganzen Rentnergruppen beziehungsweise -jahrgängen zu verhindern, nicht aber eine solche in jedem individuellen Fall.
Nach der Veröffentlichung der Nichtannahmebeschlüsse des BVerfG hat das BMF zwei externe wissenschaftliche Kurzgutachten eingeholt (siehe hierzu unsere Online-Nachricht v. 10.3.2025). Diese haben aufgezeigt, dass das geltende Recht der Besteuerung von Renten aus der Basisversorgung die verfassungsrechtlich bestehenden Anforderungen erfüllt.
Vor diesem Hintergrund hat das BMF zwei Schreiben veröffentlicht:
Vorläufige Steuerfestsetzung im Hinblick auf anhängige Musterverfahren (§ 165 Abs. 1 Satz 2 AO); Aussetzung der Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 1 Satz 4 AO; Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von Leibrenten und anderen Leistungen aus der Basisversorgung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG (BMF, Schreiben v. 10.3.2025 - IV D 1 - S 0338/00083/001/081):
Nach alledem haben Bund und Länder beschlossen, die durch getroffene Anweisung zur vorläufigen Festsetzung der Einkommensteuer wegen der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung Leibrenten und anderen Leistungen aus der Basisversorgung i. S. d. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG (Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen, aus der landwirtschaftlichen Alterskasse und aus Basisrentenverträgen [„Rürup“-Renten]) aufzuheben.
Der bisherige Vorläufigkeitsvermerk ist in zukünftig ergehenden Einkommensteuerbescheiden daher nicht mehr enthalten.
Besteuerung von Leibrenten und anderen Leistungen aus der Basisversorgung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG (BMF, Schreiben v. 10.3.2025 - IV C 4 - S 2255/00236/011/001):
Das gesonderte BMF-Schreiben erläutert die Aufhebung der Anweisung zur vorläufigen Festsetzung und trifft Regelungen zu weiteren verfahrensrechtlichen Fragen.
Steuerbescheide, die den Vorläufigkeitsvermerk wegen der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von Leibrenten und anderen Leistungen aus der Basisversorgung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG enthalten, sind nach § 165 Abs. 2 Satz 4 AO nur auf Antrag des Steuerpflichtigen für endgültig zu erklären.
Für etwaige auf § 165 Abs. 2 AO gestützte Anträge auf Aufhebung oder Änderung einer Einkommensteuerfestsetzung wegen der Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von Leibrenten und anderen Leistungen aus der Basisversorgung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG ist zu beachten, dass die Ungewissheit im Sinne des § 171 Abs. 8 Satz 2 AO insoweit am entfallen ist.
Wird gegen Einkommensteuerbescheide, die den Vorläufigkeitsvermerk nicht oder nicht mehr enthalten zulässig Einspruch eingelegt, ist eine Verfahrensruhe nach § 363 Abs. 2 AO zu prüfen.
Die IV D 1 - S 0338/00083/001/081 und IV C 4 - S 2255/00236/011/001 sind auf der Homepage des BMF veröffentlicht.
Fundstelle(n):
GAAAJ-86990