Instanzenzug: LG Erfurt Az: 4 KLs 950 Js 60018/24
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit Körperverletzung unter Einbeziehung der durch Urteil des Amtsgerichts Nordhausen vom und durch gegen ihn verhängten Einzelstrafen – unter Auflösung der dort jeweils gebildeten Gesamtstrafen – zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es gegen ihn wegen schweren Raubes eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt. Mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision erzielt der Angeklagte – nach Wiedereinsetzung in die Revisionsbegründungsfrist – den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.
21. Dem Angeklagten war auf seinen Antrag und seine Kosten (§ 473 Abs. 7 StPO) aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts dargestellten Gründen Wiedereinsetzung in die Revisionsbegründungsfrist zu gewähren. Der Beschluss des Landgerichts Erfurt vom , mit dem dieses die Revision des Angeklagten gemäß § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen hat, ist damit gegenstandslos.
32. Die aufgrund der Revisionsrechtfertigung veranlasste Überprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch und zu den Einzelstrafaussprüchen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Die Bildung der Gesamtstrafe hält indes rechtlicher Prüfung nicht stand.
4a) Der Gesamtstrafenbildung des Landgerichts liegen folgende tatsächliche Feststellungen zugrunde:
5aa) Am , rechtskräftig seit dem , wurde der Angeklagte durch das Amtsgericht Erfurt wegen Diebstahls (Tatzeit ) zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt; diese Strafe wurde im Wege der Ersatzfreiheitsstrafe bis zum vollstreckt.
6Am , rechtskräftig seit dem , verurteilte ihn das Amtsgericht Nordhausen wegen Diebstahls (Tatzeit ) zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 15 Euro.
7Am , rechtskräftig seit dem , erfolgte eine weitere Verurteilung durch das Amtsgericht Nordhausen wegen Diebstahls (Tatzeit gegen 20.30 Uhr) zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 15 Euro.
8Diese drei Verurteilungen führte das Amtsgericht Nordhausen durch Gesamtstrafenbeschluss vom , rechtskräftig seit dem , ungeachtet der bereits vollständigen Vollstreckung der Strafe aus der Verurteilung vom auf eine Gesamtgeldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 15 Euro zurück.
9bb) Am , rechtskräftig seit diesem Tag, verurteilte das Amtsgericht Nordhausen den Angeklagten wegen Diebstahls in vier Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Hausfriedensbruch, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung. Der Verurteilung lagen Taten vom (Einzelstrafe 40 Tagessätze zu je 15 Euro), vom (Einzelstrafe 90 Tagessätze zu je 15 Euro), vom (Einzelstrafe 50 Tagessätze zu je 15 Euro) und vom (Einzelstrafe 50 Tagessätze zu je 15 Euro) zugrunde.
10cc) Schließlich verurteilte ihn das Amtsgerichts Leipzig am , rechtskräftig seit diesem Tag, wegen Diebstahls in zwei Fällen und Computerbetrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung. Zugrunde lagen Taten vom (Einzelstrafe vier Monate Freiheitsstrafe) und zweimal vom (Einzelstrafen in Höhe von vier Monaten und sechs Monaten Freiheitsstrafe).
11dd) Die im hiesigen Verfahren zur Aburteilung stehenden Taten beging der Angeklagte am und am .
12b) Das Urteil leidet im Hinblick auf die Gesamtstrafenbildung an einem Darstellungsmangel.
13aa) Bei einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung müssen die Urteilsgründe die einzelnen Taten, die Tatzeiten, (kurz) die ihnen zugrundeliegenden Lebenssachverhalte und die jeweils verhängten Einzelstrafen, das Datum der Verurteilung, gegebenenfalls das Datum der Berufungshauptverhandlung (vgl. hierzu , Rn. 4), den Eintritt der Rechtskraft sowie ihren Vollstreckungsstand mitteilen (vgl. zum Darstellungserfordernis Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 7. Aufl., Rn. 1475 mwN). Liegen wie hier mehrere Vorverurteilungen vor, kommt es nach § 55 Abs. 1 Satz 2 StGB für eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung auf dasjenige Urteil in dem früheren Verfahren an, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmalig geprüft werden konnten. Das ist jede Entscheidung zur Schuld- und Straffrage, namentlich auch ein Berufungsurteil, wenn wenigstens noch über einen Teil des Strafausspruchs zu befinden war (st. Rspr.; vgl. etwa , Rn. 7 mwN).
14bb) Die Strafkammer ist bei ihrer Gesamtstrafenbildung von einem Zäsurzeitpunkt zum ausgegangen. Sie hat dabei zunächst zutreffend gesehen, dass die Geldstrafe aus der Verurteilung vom im Zeitpunkt des Gesamtstrafenbeschlusses vom bereits vollstreckt war, so dass dieser Verurteilung keine Zäsurwirkung mehr zukommen konnte (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 497/16, NStZ-RR 2017, 169, und vom – 6 StR 403/22, Rn. 6 mwN; Schäfer/Sander/van Gemmeren, aaO, Rn. 1247 mwN). Denn der fehlerhafte Gesamtstrafenbeschluss vom konnte die materielle Rechtslage und damit die Erledigung der Einzelstrafe vom nicht mehr beeinflussen (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, aaO, Rn. 1235 iVm Rn. 1238).
15Der Senat kann indes nicht beurteilen, ob sich die von der Strafkammer angenommene Zäsurwirkung zum als zutreffend erweist. Denn die Urteilsgründe teilen nicht mit, wann letztmalig die tatsächlichen Feststellungen, die der Verurteilung des Amtsgerichts Nordhausen vom zugrunde liegen, geprüft wurden. Eine nachträgliche Prüfung erscheint nicht ausgeschlossen, da hier zwischen der zugrundeliegenden Entscheidung und dem Eintritt der Rechtskraft knapp sechs Monate lagen. Sollten die tatsächlichen Feststellungen, beispielsweise aufgrund eines Einspruchs des Angeklagten gegen den Strafbefehl, neuerlich geprüft worden sein, könnte auch der Verurteilung vom Zäsurwirkung zukommen. Auch hier bleibt indes offen, wann die tatsächlichen Feststellungen dieses Verfahrens letztmalig geprüft wurden. Spätester Zäsurzeitpunkt wäre in jedem Fall der , da an diesem Tag die Verurteilung vom rechtskräftig wurde.
16Angesichts dessen ist die Einbeziehung der vom Amtsgerichts Nordhausen in der Verurteilung vom zugemessenen beiden Einzelgeldstrafen von 40 Tagessätzen und 90 Tagessätzen zu je 15 Euro für die Taten vom sowie vom möglicherweise zu Unrecht erfolgt. Hierdurch ist der Angeklagte beschwert. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer ohne die Einbeziehung einer oder beider Einzelgeldstrafen auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt und der Angeklagte eine gegebenenfalls unter Einbeziehung dieser beiden Einzelgeldstrafen neu zu bildende Gesamtgeldstrafe bezahlt hätte.
173. Der Senat entscheidet gemäß § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO, der bei Rechtsfehlern, die ausschließlich die Bildung der Gesamtstrafe betreffen, die Möglichkeit eröffnet, auf eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung im Beschlusswege nach §§ 460, 462 StPO zu verweisen.
184. Mit der abschließenden Sachentscheidung ist auch über die Kosten des Rechtsmittels zu befinden (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 426/04, BGHR StPO § 354 Abs. 1b Satz 1 Entscheidung 3; vom – 6 StR 469/21, Rn. 6, und vom – 4 StR 372/21, Rn. 13).
Menges Meyberg Grube
Schmidt Zimmermann
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:171224B2STR571.24.0
Fundstelle(n):
VAAAJ-85371